Lena Dammann |
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Die Diskriminierung geht weiter | Heft
1/2003 Szenen einer Ehe Zum Verhältnis von Recht und Macht Seite 15-18 |
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Zur Rechtsstellung Prostituierter nach dem neuen Prostitutionsgesetz |
Seit dem 1. Januar 2002 gilt das neue Prostitutionsgesetz (ProstG). Mit
diesem Gesetz verfolgt die Bundesregierung eine Besserstellung von Prostituierten.
Nachdem sich jahrelang keine Änderungen in der rechtlichen Bewertung der
Prostitution ergeben haben, ist nun endlich Bewegung in dieses Thema gekommen.
Das war auch bitter notwendig. So gibt es in Deutschland Schätzungen zufolge
etwa 400 000 Personen - überwiegend Frauen, die der Prostitution nachgehen.
Ihre Dienste werden täglich von über einer Million Männer in Anspruch
genommen. Damit werden jährlich Umsätze in zweistelliger Milliardenhöhe
erzielt, die staatlich besteuert werden.1
Der gesellschaftlichen Realität zufolge müsste Prostitution also ein ganz
normaler Beruf sein. Weit gefehlt, bislang waren Prostituierte weitgehend
rechtlos und wurden aufgrund ihrer Tätigkeit diskriminiert. Die rechtliche
Reglementierung ging meilenweit an der gesellschaftlichen Realität vorbei.
Zwar war die Ausübung der Prostitution als solche nicht verboten und strafbar,
jedoch wurde sie als sozialwidrige Tätigkeit eingestuft. Diese Bewertung
schlug sich in den verschiedenen Rechtsgebieten nieder. So wurden Verträge
zwischen Prostituierten und Freiern als sittenwidrig bewertet. Als Maßstab
für die guten Sitten galt dabei die vom Reichsgericht 1901 entwickelte
Formel des "Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden.2
In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 1965,
das bis heute nicht korrigiert wurde, wird Prostitution mit der Betätigung
als Berufsverbrecher gleichgestellt.3
Diese Bewertung in der herrschenden Rechtsprechung hatte fatale Folgen
für die materielle und soziale Existenzsicherung der Betroffenen. Prostituierte
hatten wegen der Nichtigkeit der zwischen ihnen und den Kunden getroffenen
Vereinbarungen, die aus der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB) folgt, keinen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Bezahlung
ihrer Tätigkeit. Da Prostitution nicht als Beschäftigung anerkannt war,
hatten Prostituierte keinen Anspruch auf Pflichtversicherung in der gesetzlichen
Kranken-, Arbeitslosen- sowie der Rentenversicherung, von der Absicherung
durch arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen, wie Mutterschutz, Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall oder tarifvertraglicher Bezahlung ganz zu schweigen.
Zudem war die Förderung der Prostitution strafbar. Unter Förderung fielen
all jene Maßnahmen, die für gute Arbeitsbedingungen sorgten, da sich strafbar
machte, wer in seinem/ihren Betrieb mehr als das bloße Gewähren von Wohnung,
Unterkunft oder Aufenthalt bot. Als prostitutionsfördernd galten das Herstellen
einer gehobenen diskreten Atmosphäre, ein aufwändiges Ambiente, ein hoher
Hygiene-Standard sowie die freie Entscheidung hinsichtlich der Bedienung
von Freiern.4 Keine Verbesserung für MigrantInnen in der Sexarbeit Die Hauptkritik am neuen ProstG besteht darin, dass das Gesetz für mehr
als die Hälfte der Prostituierten überhaupt keine Verbesserung bringt.
Schätzungen zufolge sind mehr als die Hälfte der Prostituierten in Deutschland
MigrantInnen.5 Ihre Lage ist besonders
prekär. Sie verfügen meistens weder über einen gesicherten Aufenthaltsstatus
noch eine Arbeitserlaubnis. Sie sind des Deutschen oft nicht mächtig.
Es fehlt ihnen an Informationen über ihre Rechte. Daher sind sie besonders
häufig Opfer von Gewalt. Eine Verbesserung ihrer Situation ist daher besonders
dringend. Um die Frauen wirksam vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen,
müssten jedenfalls als ein Minimum Aufenthaltstitel, die zur Ausübung
der Prostitution ermächtigen, geschaffen werden. Dass so etwas möglich
ist, zeigt z.B. die Rechtslage in Österreich.6 Dazu
bedarf es einer Änderung des Ausländerrechts. Allerdings ist eine
Änderung des Ausländerrechts, bei der keine Verschärfung herauskommt,
wohl gelinde gesagt utopisch. Zivilrechtliche Änderungen durch das neue ProstG Zivilrechtlich erhalten die Prostituierten durch das neue ProstG einen einklagbaren Anspruch auf Entgelt. So heißt es in § 1 ProstG: "Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung." Der Gesetzesbegründung zufolge soll dadurch die Anwendung des § 138 BGB auf Vereinbarungen zwischen Prostituierter und Freier ausgeschlossen werden, mit der Konsequenz, dass solche Verträge das Kriterium der Sittenwidrigkeit nicht mehr erfüllen. Zudem legt § 1 ProstG damit fest, dass der zwischen Prostituierter und Kunde geschlossene Vertrag ein einseitig verpflichtender Vertrag ist. Dadurch sind einklagbare Ansprüche des Kunden auf Geschlechtsverkehr, sowie Schadensersatzansprüche wegen Schlechtleistung ausgeschlossen.7 Unklar ist aber, ob mit dem Wortlaut des § 1 ProstG diese Rechtsfolgen auch herbeigeführt werden. So stellt sich etwa der Kommentator Heinrichs im Palandt, dem Standardkommentar zum BGB auf den Standpunkt, dass entgeltliche Verträge über sexuelles Verhalten mit einer Prostituierten weiterhin sittenwidrig sind. Begründet wird dies damit, dass die Rechtsordnung eine wirksame Verpflichtung der Prostituierten zur Erbringung der von ihr versprochenen Leistung nicht anerkennen kann. Die Konstruktion des einseitig verpflichtenden Vertrages wird geflissentlich übersehen um das gewünschte Ergebnis der Sittenwidrigkeit weiter aufrechterhalten zu können. Aber diese Kommentierung zeigt bereits die Schwäche der zivilrechtlichen Neuregelung im Prostitutionsgesetz. So hätte zumindest § 1 ProstG bzw. § 138 BGB klarstellend um eine Formulierung ergänzt werden müssen, wonach Rechtsgeschäfte zu sexuellen Dienstleistungen, die freiwillig, also ohne Gewalt, eingegangen werden, nicht sittenwidrig sind. Am konsequentesten wäre es gewesen, die Vorschläge der Hurenbewegung, die sich im Gesetzesentwurf von Abgeordneten der PDS wieder finden, umzusetzen.8 Danach sollte der Vertrag zwischen Kunde und Prostituierter als Dienstvertrag eingeordnet werden, mit einigen der Besonderheit sexueller Dienstleistungen Rechnung tragenden Ergänzungen, wie z.B. speziellen Schadensersatzregelungen oder Leistungsverweigerungsrechten. Prostitution jetzt anerkannte Beschäftigung Der Gesetzesbegründung zum neuen ProstG zufolge scheiterte der Zugang zur Sozialversicherung bislang an dem strafrechtlichen Verbot in § 180a I Nr. 2 StGB (a.F). Danach machten sich Bordellbesitzer der Förderung der Prostitution strafbar, wenn sie Prostituierte zu Bedingungen, die ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstellen, beschäftigten. Zwar schloss der strafrechtliche Verstoß eine Sozialversicherungspflicht nicht automatisch aus, da sich nur der Bordellbesitzer strafbar machte, nicht aber die Prostituierte. Die Strafbarkeit machte aber in der Praxis den Zugang zur Sozialversicherung unmöglich, weil kein Beschäftigungsgeber Beschäftigte bei der Sozialversicherung meldet, wenn er sich selbst hierdurch der Gefahr der Strafverfolgung aussetzt. Dieses Problem soll nun mit der Streichung des § 180a I Nr. 2 StGB (a.F.) behoben werden. Die Einschätzung des Gesetzgebers kann so nicht geteilt werden, denn § 181 a I Nr. 2 StGB behindert weiterhin die Meldung zu den Sozialversicherungen. Danach machen sich Bordellbesitzer strafbar, die die Prostitution überwachen, indem sie Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmen. Zur Führung eines normalen Betriebes gehören aber genau solche Festlegungen. Folglich ist auch nach geänderter Rechtslage die Führung eines Prostitutionsbetriebes nur eingeschränkt legal möglich. Es bleibt abzuwarten, wie die Strafgerichte diese Norm auslegen werden. Allerdings bleibt das Risiko einer Strafverfolgung der BeschäftigungsgeberInnen Prostituierter bestehen, was sich negativ auf die Bereitschaft auswirken wird, die Beschäftigten zu den Sozialversicherungen zu melden. Einer Anerkennung von ArbeitgeberInnen- / ArbeitnehmerInnenverhältnissen in der Prostitution steht das strafrechtliche Verbot der gewerbsmäßigen Prostitution im Wege.9 Danach drohen ArbeitgeberInnen strafrechtliche Sanktionen, wenn sie Prostituierte in abhängigen Arbeitsverhältnissen beschäftigen. Mit dieser Norm sollen Prostituierte vor Ausbeutung und in ihrer sexuellen Selbstbestimmung geschützt werden. In Wirklichkeit verkehrt sich der Gesetzeszweck ins Gegenteil, da in Ermangelung von Arbeitsverträgen die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen (z.B. Kündigungsschutz oder Arbeitszeitregelungen) nicht zur Geltung kommen und daher in vielen Betrieben sehr schlechte Arbeitsbedingungen herrschen. Die Hurenbewegung vertritt denn auch den Standpunkt, dass diskriminierendes Sonderstrafrecht10 abgeschafft werden muss, da gegen die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber bei gleichzeitigen speziellen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, z.B. die sexuelle Selbstbestimmung betreffend, nichts einzuwenden ist. Darüber hinaus existieren allgemeine Normen, die Nötigung, Erpressung, Betrug und Körperverletzung unter Strafe stellen und damit vor Ausbeutung und Zwang schützen sollen. Diskriminierendes Ordnungsrecht Im Gegensatz zu den bislang behandelten Rechtsbereichen trifft das ProstG keine ausdrückliche Neuregelung ordnungsrechtlicher Vorschriften. Dabei leistet aber das geltende Ordnungsrecht einen wesentlichen Beitrag zur Diskriminierung Prostituierter. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass Anbahnungslokalen, Gaststätten an die Stundenhotels angegliedert sind, oder auch Gaststätten mit Peep Shows keine gaststättenrechtliche Erlaubnis erteilt wird, bzw. eine erteilte Erlaubnis entzogen wird.11 Mit dieser Praxis wird jedenfalls auch die Gründung von Betrieben wesentlich erschwert, in denen Prostituierte zu einigermaßen humanen Bedingungen in geschützter Atmosphäre ihrer Tätigkeit nachgehen können. Die Konsequenz ist das Abdrängen der Frauen auf den Straßenstrich. Rechtsgrundlage für die Versagung gaststättenrechtlicher Erlaubnisse ist § 4 I Nr. 1 Gaststättengesetz. Danach ist die Erteilung der Erlaubnis unter anderem zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller, der Unsittlichkeit Vorschub leistet. Der Begriff der guten Sitten ist in diesem Zusammenhang also die zentrale Anknüpfungsstelle für die ordnungsrechtliche Diskriminierung der Prostitution. Als unbestimmter Rechtsbegriff bedarf er einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung. Bislang hat das BVerwG die Position vertreten, dass die Prostitution den guten Sitten widerspricht.12 Als Maßstab für diese Beurteilung bezieht sich das BVerwG auf die in der Rechtsgemeinschaft anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen. Zudem rekurriert es auf die Grundrechte, die Ausdruck einer objektiven Wertordnung seien. Danach gelten Peep Shows als sittenwidrig weil durch die Umstände des Ablaufs dieser Veranstaltungen den Frauen eine objekthafte Rolle zugewiesen wird und dies unvereinbar mit der Menschenwürde in Art. 1 Grundgesetz (GG) ist.13 Neue ordnungsrechtliche Bewertung Diese Auffassung widerlegt das Verwaltungsgericht (VG) Berlin eindrucksvoll in einem Urteil vom Dezember 2000. Nach Ansicht des VG Berlin ist es nicht Zweck des Gaststättenrechts, "die Sittlichkeit um ihrer Selbstwillen zu wahren oder den Menschen ein Mindestmaß an Sittlichkeit vorzuschreiben und dieses mit den gewerberechtlichen Überwachungsmitteln durchzusetzen".14 Das Verdikt der Sittenwidrigkeit ist gemessen an der gesellschaftlichen Realität sowie dem zu beobachtenden Wandel der sozialethischen Wertvorstellungen nicht mehr aufrechtzuerhalten. Bezüglich der Vereinbarkeit von Prostitution mit der Menschenwürde in Art. 1 Grundgesetz (GG) kommt das VG Berlin zu dem Schluss, dass der Vorwurf der Würdelosigkeit der Sexarbeit bislang nicht ansatzweise empirisch belegt wurde. "Darüber hinaus gehört zum Schutz der Menschenwürde in Art. 1 GG nach einhelliger Ansicht, dass der Mensch als ein Wesen geschützt werden soll, dass kraft seines Geistes befähigt ist, sich seiner selbst bewusst zu werden, sich selbst zu bestimmen und sich und seine Umwelt zu gestalten. Es gibt also keine staatliche Verpflichtung des Menschen zum " richtigen" Menschsein."15 Vielmehr umfasst der Schutz der Menschenwürde die Freiheit der Selbstbestimmung"16, und die staatliche Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde darf nicht dazu missbraucht werden, den/ die EinzelneN durch einen Eingriff in die individuelle Selbstbestimmung gleichsam vor sich selbst zu schützen. Umdenken dauert Das Urteil des VG Berlin zeigt, dass ein nicht diskriminierender Umgang
mit der Prostitution bereits auf der Grundlage des geltenden Rechts möglich
ist. Allerdings handelt es sich hier "nur" um ein einzelnes erstinstanzliches
Urteil. Das letzte Wort hat das BVerwG, und es bleibt fraglich, ob es
der Auffassung des VG Berlin folgen wird. Zudem zeigt die Besprechung
des Urteils des VG Berlin sowie des neuen ProstG in der gewerberechtlichen
Literatur, dass weiterhin erhebliche Vorbehalte gegenüber der Neubewertung
der Prostitution bestehen. Notwendigkeit einer Neubewertung ohne Gesetzesänderung Dieser Auffassung muss entgegengehalten werden, dass aus der Existenz
von Straftatbeständen, die gewisse Formen von Prostitution unter Strafe
stellen noch lange nicht pauschal auf die Sittenwidrigkeit jeglicher Prostitution
geschlossen werden kann. Dies gilt verstärkt vor dem Hintergrund des Erlasses
des neuen Prostitutionsgesetzes, dass eine Neubewertung der Prostitution
bezweckt. Im Hinblick auf die Aufstellung und Sanktionierung der Zuwiderhandlung
von Sperrgebietsverordnungen ist anzumerken, dass sie den Schutz der Jugend
und der Allgemeinheit bezwecken sollen. In Wirklichkeit werden damit heute
infolge gewandelter Lebensbedingungen von Jugendlichen Jugendschutzvorstellungen
verfolgt, die längst überholt sind. Die Annahme der Belästigung von Kindern
durch Prostituierte mutet absurd an, angesichts der Tatsache, dass sich
Straßenprostitution aufgrund der überwiegenden Erwerbstätigkeit der Kunden
in der Regel abends und nachts abspielt, zu einer Zeit also, zu der Kinder
normalerweise schlafen. Soweit Kinder tagsüber auf Prostituierte treffen
sollten, ist nicht einsichtig, warum sie durch die Frauen belästigt oder
sonst gefährdet werden sollten, da sie als potentielle Kunden nicht in
Frage kommen. 20 Darüber hinaus hat
sich in der Jugendforschung die Einsicht durchgesetzt, dass sexuelle Erfahrungen
zur natürlichen menschlichen Entwicklung gehören. Sexuelle Kontakte an
sich gelten daher nicht mehr als Gefahr. Zudem erscheint "das Bemühen
des Jugendschutzarguments zur Abschottung Jugendlicher vor der "Gefahr
des Sexuellen" in Bezug auf Prostitution, die immerhin in geschlossenen
Räumen zwischen grundsätzlich gleichen GeschäftspartnerInnen stattfindet,
angesichts der Allgegenwart und Formenvielfalt von Sex und dessen offensichtlichem
Stellenwert in der heutigen Gesellschaft als von der Wirklichkeit überholt."21
Das "Jugendschutz" - Argument dient im Prinzip nur noch der Wahrung des
bestehenden sexualmoralischen Status quo, einer gesellschaftlichen Doppelmoral,
die auf verstärkten gesellschaftlichen Widerspruch trifft. Mit der Aufrechterhaltung
dieser althergebrachten "Moralvorstellungen wird nicht allgemeinen, sondern
nur noch christlich-kirchlich motivierten Gruppeninteressen gedient, deren
Kern in der Ablehnung der Promiskuität und der Propagierung einer ehe-
und familienzentrierten, lustfeindlichen Sexualvorstellung besteht. Die
Durchsetzung solcher Moralvorstellungen, die von einem Großteil der Bevölkerung
nicht mehr geteilt und auch nicht mehr gelebt werden, kann nicht zu den
vom Gesetzgeber in legitimer Weise verfolgten Allgemeinwohlinteressen
gezählt werden."22 In Bezug auf das Werbeverbot für Prostitution ist festzuhalten, dass trotz dieser Vorschriften z.B. durch das Schalten von Anzeigen geworben wird. Die für die Durchsetzung des Werbeverbots zuständigen Verwaltungsbehörden sind nämlich nicht verpflichtet einzuschreiten, so dass Prostitutionswerbung aus Opportunitätsgründen vielerorts geduldet wird. Diese Duldung hat aber zur Folge, dass Zeitungen, die Werbeanzeigen veröffentlichen, einen erhöhten Preis verlangen, quasi einen Risikozuschlag, da die Veröffentlichung der Anzeige eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Wirkung des Werbeverbots beschränkt sich folglich in der Rechtfertigung stark überhöhter Anzeigenpreise und damit einer weiteren Benachteiligung Prostituierter.23 Blockadehaltung im Bundesrat Bei einer genaueren Betrachtung der Normen aus denen sich trotz Erlass
des neuen Prostitutionsgesetzes und des Urteils des VG Berlin weiterhin
die Sittenwidrigkeit der Prostitution ergeben soll, kommt zum Vorschein,
dass zum einen die Reichweite der strafrechtlichen Normen verkannt wird.
Hinzukommt, dass das Werbeverbot aufgrund einer Nichtanwendung faktisch
obsolet ist und die Sperrgebietsvorschriften auf überholten Moralvorstellungen
basieren und somit nicht mehr geeignet sind, den vom Gesetzgeber verfolgten
Allgemeinwohlinteressen zu dienen. Bewertung des ProstG Werden SexarbeiterInnen mit gesichertem rechtlichen Status "nur" aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert, so sind MigrantInnen in der Sexarbeit einer doppelten Diskriminierung ausgesetzt, nämlich aufgrund von Herkunft und Geschlecht. Das ProstG wählt als Anknüpfungspunkt die sexistische Diskriminierung Prostituierter, während die Problematik der MigrantInnen in der Sexarbeit ausgeblendet wird. Dies verdient starke Kritik, führt aber meiner Meinung nach nicht dazu, das ganze Gesetz als rassistisch und damit insgesamt negativ zu beurteilen. Der Grund dafür besteht darin, dass beide Gruppen von SexarbeiterInnen sehr stark benachteiligt sind und dringend rechtlich besser gestellt werden müssen. Zwar ist das ProstG kein großer Wurf, aber ich hätte Probleme damit zu fordern, das Gesetz dürfte wegen seiner diskriminierenden Wirkungen für MigrantInnen nicht erlassen werden. Denn das hätte wiederum zur Folge, dass der sexistische Status quo zementiert würde. Die abschließende Bewertung des Gesetzes bleibt einfach ambivalent. Lena Dammann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Harburg. Anmerkungen 1 Bundestags-Drs. 14/5958. Literatur Benöhr, Susanne/Vial, Enzo L., Abschied von der Doppelmoral -
Urteil zu Prostitution und Gaststättenrecht, in: FoR 2001, 94.
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