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So uneins die Staaten der Europäischen Union (EU) auch in ihrem Krieg
nach außen sein mögen, die Mobilisierung nach innen gestalten sie zunehmend
geschlossener. Ausgerechnet in der künftigen Verfassung des vereinten
Europa soll nach den Vorschlägen des europäischen Reformkonvents die Zusammenarbeit
der Staaten im Kampf gegen die sogenannte internationale Kriminalität
en detail festgelegt werden.
Danach sollen die Tätigkeiten der nationalen Justizbehörden stärker koordiniert
und einige ihrer Kompetenzen zusammengeführt werden. Die EU wird nach
den Maßgaben des Kon-ventspräsidiums eigene "Rahmengesetze" zur Bekämpfung
internationaler Delikte in den Bereichen des Menschen-, Waffen- und Drogenhandels,
der Geldwäsche, der "Cybercrimes" im Internet sowie des mittlerweile ausschweifend
definierten Terrorismus verabschieden können. Auch in der Ausgestaltung
des zukünftigen Repressionsapparates zeigt sich der Verfassungskonvent
gefährlich reformorientiert. So sollen nicht nur die nationalen Strafverfolgungsbehörden
und Geheimdienste ihre Zusammenarbeit nochmals intensivieren, auch die
bislang kaum kontrollierte europäische Polizeibehörde EUROPOL darf sich
demnächst eigener, uneingeschränkter Befugnisse zu "operativen Ermittlungen
und Maßnahmen" erfreuen.
Die polizeilichen Tätigkeiten sollen allerdings nun stellenweise von einer
"europäischen Staatsanwaltschaft" begleitet werden. Dabei wird die Strafverfolgungsbehörde
zunächst bei schweren Vergehen gegen die finanziellen Interessen der EU
die grenzüberschreitenden Ermittlungen leiten. Der Vorschlag knüpft direkt
an das insbesondere von Deutschland angetriebene Projekt der kürzlich
eingeweihten Verbindungsstelle EUROJUST, die als Anlaufstelle für nationale
Ermittlungsbehörden dient, um Kompetenzen, Ermittlungen und Verfahren
bei internationalen Delikten zu koordinieren.
Gleichzeitig hat die Europäische Kommission ein so genanntes "Grünbuch"
vorgelegt, mit dem sie den oft beklagten Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen
Rechtssystemen begegnen will. Danach soll die EU-Staatsanwaltschaft dezentral
innerhalb der Mitgliedsstaaten agieren, dort die jeweiligen strafprozessualen
Regelungen anwenden und Anklage auch vor den einzelstaatlichen Gerichten
erheben. StrafverteidigerInnen befürchten mit dieser Form der europäisierten
Strafverfolgung einen ähnlich katastrophalen Effekt für die Rechte der
Beschuldigten wie schon beim Europäischen Haftbefehl: Die StrafverfolgerInnen
können ihre Ermittlungsverfahren mit einer geschickten Kombination aus
den isolierten nationalen Regelungen so gestalten, dass eine effektive
Wahrnehmung der Verteidigungsrechte unmöglich wird.
Stephen Rehmke, Hamburg
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