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Neues Recht gegen Rechts   Heft 3/2005
Hartz fear

Seite 104
 
 

Nazi-Aufmärsche haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Rot-Grün wollte dem braunen Treiben nicht länger tatenlos zusehen und brachte deswegen Änderungen in § 15 Versammlungsgesetz (VersG) und § 130 Strafgesetzbuch (StGB) auf den Weg. Seit dem 1. April 2005 sind die neuen Regelungen in Kraft.
Der neu gefasste § 15 Abs. 2 VersG stellt klar, dass Versammlungen an solchen Orten verboten oder von Auflagen abhängig gemacht werden können, die als Gedenkstätten "von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" erinnern. Festgelegt werden diese Orte durch eine Rechtsverordnung des Bundes. Als weitere Voraussetzung muss nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen sein, "dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird".
Um auch an anderen Orten ein Verbot rechtsextremer Versammlungen zu erleichtern, hat Rot-Grün ferner eine Ausweitung des Tatbestands der Volksverhetzung durchgesetzt. Nach dem neuen vierten Absatz des § 130 StGB macht sich strafbar, wer den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
KritikerInnen halten die Gesetzesänderungen für überflüssig. So sei es schon vorher möglich gewesen, Versammlungen am Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die die Würde der Opfer verletzen, zu verbieten. Demonstrationen von Rechtsextremisten zu allgemeinen Themen seien damit nicht zu verhindern.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schien diese Kritik zunächst zu bestätigen. Ende April hob das Gericht ein Demonstrationsverbot auf, das sich ausdrücklich auf die neue Rechtslage gestützt hatte. Begründung: Für eine Störung des öffentlichen Friedens habe es keine Anhaltspunkte gegeben. Auf die bloße Vermutung, dass die Demonstration den öffentlichen Frieden stören werde, könne das Verbot nicht gestützt werden. Die RichterInnen stellten klar, dass es mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unvereinbar wäre, wenn die VeranstalterInnen einer Demonstration vorab beweisen müssten, dass ihre Äußerungen nicht zu einer Störung des öffentlichen Friedens führen werden.
Anfang Mai bestätigte das Gericht jedoch die Rechtmäßigkeit einer Auflage, die nach der neuen Rechtslage ergangen war. Den "Jungen Nationaldemokraten" zu untersagen, ihren Aufzug am Denkmal für die ermordeten Juden Europas vorbeizuführen, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Einer bunten Gegendemonstration ist es zu verdanken, dass die Nazis an dem Tag von ihrem Treffpunkt gar nicht erst weg kamen.

Constanze Oehlrich, Berlin