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Nazi-Aufmärsche haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.
Rot-Grün wollte dem braunen Treiben nicht länger tatenlos zusehen und
brachte deswegen Änderungen in § 15 Versammlungsgesetz (VersG) und § 130
Strafgesetzbuch (StGB) auf den Weg. Seit dem 1. April 2005 sind die neuen
Regelungen in Kraft.
Der neu gefasste § 15 Abs. 2 VersG stellt klar, dass Versammlungen an
solchen Orten verboten oder von Auflagen abhängig gemacht werden können,
die als Gedenkstätten "von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung
an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft" erinnern. Festgelegt werden diese Orte durch eine Rechtsverordnung
des Bundes. Als weitere Voraussetzung muss nach den zur Zeit des Erlasses
der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen sein, "dass
durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt
wird".
Um auch an anderen Orten ein Verbot rechtsextremer Versammlungen zu erleichtern,
hat Rot-Grün ferner eine Ausweitung des Tatbestands der Volksverhetzung
durchgesetzt. Nach dem neuen vierten Absatz des § 130 StGB macht sich
strafbar, wer den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden
Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft
billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
KritikerInnen halten die Gesetzesänderungen für überflüssig. So sei es
schon vorher möglich gewesen, Versammlungen am Denkmal für die ermordeten
Juden Europas, die die Würde der Opfer verletzen, zu verbieten. Demonstrationen
von Rechtsextremisten zu allgemeinen Themen seien damit nicht zu verhindern.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schien diese Kritik zunächst
zu bestätigen. Ende April hob das Gericht ein Demonstrationsverbot auf,
das sich ausdrücklich auf die neue Rechtslage gestützt hatte. Begründung:
Für eine Störung des öffentlichen Friedens habe es keine Anhaltspunkte
gegeben. Auf die bloße Vermutung, dass die Demonstration den öffentlichen
Frieden stören werde, könne das Verbot nicht gestützt werden. Die RichterInnen
stellten klar, dass es mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unvereinbar
wäre, wenn die VeranstalterInnen einer Demonstration vorab beweisen müssten,
dass ihre Äußerungen nicht zu einer Störung des öffentlichen Friedens
führen werden.
Anfang Mai bestätigte das Gericht jedoch die Rechtmäßigkeit einer Auflage,
die nach der neuen Rechtslage ergangen war. Den "Jungen Nationaldemokraten"
zu untersagen, ihren Aufzug am Denkmal für die ermordeten Juden Europas
vorbeizuführen, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Einer bunten
Gegendemonstration ist es zu verdanken, dass die Nazis an dem Tag von
ihrem Treffpunkt gar nicht erst weg kamen.
Constanze Oehlrich, Berlin
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