|
Ein chinesisches Gericht verurteilte kürzlich wegen subversiver Benutzung
des Internets einen jungen Ingenieur zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Zusätzlich
wurden ihm für ein weiteres Jahr die "bürgerlichen Rechte" aberkannt.
Er hatte ein Magazin von im Exil lebenden DissidentInnen verbreitet, das
sich zum Ziel gesetzt hat, durch Information über politische Prozesse,
Korruptionsfälle und Demonstrationen das chinesische Zensursystem zu unterlaufen.
Solche spektakulären Fälle sind irgendwie beruhigend.
Sie geben uns - obwohl wir wissen, daß Unterdrückung von Informationen
subtiler vor sich geht - das unbestimmmte Gefühl, "zensurfrei" zu leben:
Die echte Zensur findet in China statt.
Wir hingegen diskutieren lebhaft über das scheinbare Gegenteil, über eine
Informations- und Kommunikationsgesellschaft und ihren Ausbau von Informationsmedien.
Es gibt die eigene Homepage, die Diskussionsforen im Internet und das
alternative, unabhängige Stadtradio, das auch diejenigen zu Wort kommen
läßt, die vorher ihrer Stimme nur schwer Gehör verschaffen konnten. Wir
schaffen es zum Teil sogar nicht mehr, die Nachrichtenangebote vernünftig
zu nutzen. Von Zensur ist da wenig zu spüren.
Das mag ein Grund dafür sein, warum das Thema aus der aktuellen (rechts-)politischen
Diskussion fast verschwunden ist. Oder fehlt es nur an politischen Ideen
und Aktionen, die sich ausreichend kritisch und radikal mit den Gesellschaftsverhältnissen
in der BRD auseinandersetzen, als daß sie von staatlicher Seite verhindert
werden müssten? Zumindest noch in den 80er Jahren wurde intensiv über
die Diskriminierung der kritischen Meinungsäußerung und Einschüchterung
offener politischer Diskussionen gezankt.
Mit dem aktuellen Heft wollen wir daran nicht nahtlos anküpfen - aber
wir wollen versuchen, wieder (zuletzt Forum Recht 1/1991) für ein Thema
zu sensibilisieren, daß unter den veränderten Vorzeichen der neuen Informations-
und Kommunikationsdienste zunehmend an Brisanz gewinnt und in Zukunft
zum Beispiel mit den Stichwörtern Medienkonzentration, freiwillige Selbstkontrolle,
öffentlicher und diskriminierungsfreier Zugang zu den neuen Medien, Medienkompetenz
usw. neu zu diskutieren sein wird.
|
|