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Es scheint - nicht nur im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln - ein staatliches
Grundbedürfnis zu sein, Menschen etwas zu verbieten. Anders kann man sich
kaum erklären, warum ohne die Ergebnisse noch laufender Studien zur Wirksamkeit
des § 6a AMG auf die Dopingpraxis abzuwarten aus den Regierungsfraktionen
erneut und lauter der Wille zur Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes vernehmbar
wird, das SportlerInnen selbst strafbar stellen soll.1
Seit 1998 verbietet das Arzneimittelgesetz (AMG) das Inverkehrbringen,
Verschreiben und Anwenden von Arzneimitteln am Menschen zu Dopingzwecken
im Sport (§ 6a AMG) und stellt es unter Strafe (§ 95 Abs. 1 Nr. 2a, Abs.
3 Nr. 4 AMG). TäterIn der ersten Alternative kann jedeR sein, TäterIn
der zweiten Alternative nur Angehörige eines Heilberufes2
und TäterIn der dritten Alternative wiederum jedeR, außer SportlerInnen
selbst. Nicht strafbar sind damit bisher sich selbst dopende SportlerInnen.
Dieses Verbot gilt nicht nur für den Leistungssport, sondern auch für
den Breiten- und Freizeitsport. Die praktische Relevanz der Vorschrift
ergibt sich daraus, daß deutschlandweit 24 Mio. Mitglieder in Sportvereinen
organisiert sind. Der Deutsche Sportbund ist damit die größte Personenvereinigung
Deutschlands.3 Zudem ist auch der nichtorganisierte
Freizeitsport betroffen, wobei insbesondere an Fitness-Studios zu denken
ist - und den dort vermuteten Anabolikamißbrauch.
Wenn den neuen Forderungen entsprechend nun sich selbst dopende SportlerInnen
strafbar gestellt würden, soll jedoch eine Unterscheidung zwischen Profi-
oder Leistungsport einerseits und Breiten- bzw. Freizeitsport andererseits
nicht erfolgen. Damit wäre jedeR, der oder die auf irgendeine Art auch
nur unregelmäßig Sport treibt, von einer solchen Regelung umfaßt.
Die Frage ist, was durch ein solches Gesetz geschützt werden soll. Ein
strafbewehrtes Verbot des Selbstdopens greift in die in Art. 2 Abs. 1
Grundgesetz (GG) grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit
von SportlerInnen ein und bedarf einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.
Die in der Diskussion zur Rechtfertigung eines Eingriffes herangezogenen
Rechts- oder Schutzgüter halten einer kritischen Prüfung nicht stand.
Chancengleichheit und Fairness im Sport unterliegen nicht der staatlichen
Regelungskompetenz.4 Welche Art von
Chancengleichheit und Fairness er verwirklichen will, liegt alleine in
der Kompetenz des Sportes selbst.5 Die
Vereine und Verbände haben ihr durch Art. 9 Abs. 1 GG (Vereinigungsfreiheit)
gesichertes Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln. Dazu
gehört das Aufstellen von Sportregeln, zu denen auch Dopingregeln zählen.6
Ein Rekurs des Gesetzgebers auf diese Güter bei der Schaffung einer Strafnorm
ist damit ausgeschlossen.
Vereinzelt wird die Einführung eines am strafrechtlichen Schutz des lauteren
Wettbewerbs (§§ 298, 299 Strafgesetzbuch) orientierten Straftatbestandes
gefordert7. Voraussetzung dafür soll
sein, dass zumindest Vermögensinteressen von SportlerInnen betroffen sind.8
Von einer solchen Regelung wären allerdings nicht ausschließlich Profi-SportlerInnen
betroffen. Schon kleine Preise, z.B. auf Vereinsfesten, stellen einen
Vermögensvorteil dar und können damit Gegenstand von Vermögensinteressen
sein. Von den VertreterInnen dieses Vorschlages wird selbst eingestanden,
daß letztlich nicht die Vermögensinteressen der SportlerInnen geschützt
werden sollen, sondern durch deren Schutz gleichsam reflexartig das Sportethos
als Rechtsgut.9 Hier darf nun die Frage
erlaubt sein, warum gerade das Sportethos eines strafrechtlichen Schutzes
bedarf. Der Sport definiert seine Interessen selbst und hat mit den sportinternen
Dopingregeln genügend Mittel an der Hand, sportliches Fehlverhalten zu
sanktionieren. Nimmt man dazu die ultima-ratio-Funktion des Strafrechts
in den Blick, bleibt wenig legislatorische Berechtigung für die Schaffung
eines Anti-Doping-Gesetzes.
Es bestehen auch keine Erkenntnisse, daß die gegenwärtige Dopingpraxis
zu Körperschädigungen bei SportlerInnen in einem Ausmaß zu führen droht,
die die "Volksgesundheit" zu beinträchtigen vermögen. Dazu bedürfte es
großer Gefahren für Einzelne und die Allgemeinheit.10
Zwar werden Dunkelziffern von bis zu 500.000 sich dopenden SportlerInnen
genannt, wobei diese vornehmlich in Fitness-Studios vermutet werden.11
Aber selbst unterstellt, diese Zahl sei richtig, fehlt es derzeit an Studien
zu Anzahl und Umfang der Körperschädigungen durch Doping im Breiten- und
Freizeitsport. Das Schutzgut "Volksgesundheit" könnte damit nur über Dunkelziffern
und Vermutungen für eine Gesetzesbegründung fruchtbar gemacht werden.
Dies ist aber für den Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des
Art. 2 Abs. 1 GG nicht ausreichend.
An den Gesundheitsschutz der SportlerInnen selbst kann der Gesetzgeber
nicht anknüpfen. Im deutschen Strafrecht gilt der Grundsatz der straflosen
Selbstschädigung. Daher ist der bloße Konsum auch schwerer Drogen wie
Heroin nicht strafbar. Vor diesem Hintergrund ist die Strafbarkeit des
Konsums von Dopingmitteln im Sport, wie z.B. Koffein, nicht nur NormalbürgerInnen
nicht zu vermitteln, sondern stellte einen fundamentalen Systembruch im
deutschen Strafrecht dar.
Ist ein Anti-Doping-Gesetz derzeit folglich nicht ausreichend zu begründen,
stellt sich die Frage, warum sich die Regierungsfraktionen dieses Projektes
voller - sonst oft vermißter -Tatkraft annehmen. Könnte es sein, daß die
Politik sich einen positiven Imagetransfer vom Sport auf sich selbst erhofft,
daß sie hofft, ein Eintreten für einen sauberen Sport würde als saubere
Politik wahrgenommen werden, auch dann noch, wenn rechtlich unsauber gearbeitet
wird?
Der Autor arbeitet als Rechtsanwalt in Müllheim/Baden und
war Mitarbeiter an einer von der EU finanzierten Studie zum Rechtsvergleich
von Doping in Europa.
Anmerkungen
1 Vgl. Frankfurter Allgemeine (FAZ)
vom 10.11.2001, 36; 20.12.2001, 44; 16.09.2002, 34.
2 Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz
(73. Ergänzungslieferung) § 6a Nr. 12.
3 FAZ vom 6.12.2000, 48.
4 Steiner, Neue Juristische Wochenschrift
(NJW) 1991, 2729, 2733.
5 Steiner, Die öffentliche Verwaltung
1983, 173, 175.
6 Vgl. Krogmann, Grundrechte im Sport,
1998, 57.
7 Vgl. Fritzweiler, Zeitschrift für
Sport und Recht 1998, 234, 235; Cherkeh/Momsen NJW 2001, 1745
ff. Ähnliche Vorstellungen im Regierungslager, FAZ vom 20.12.2001,
44.
8 Vgl. Cherkeh/Momsen, NJW 2001,
1745, 1751.
9 Vgl. ebd., 1747 ff. u. 1751.
10 BR-Drs. 1970, 665/70, zit. nach
Körner, BtMG, 5. Auflage 2001, Einl. Rdnr. 17.
11 Der Spiegel, Nr. 38 vom
15.09.2001, 62 f.
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