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  Lena Dammann   Forum Recht Home
Mounir al-Motassadeq wegen falscher Freunde verurteilt   Heft 2/2003
Ohne Substanz
Drogenpolitik

Seite 64
 
 

Das Hamburger Oberlandesgericht hat im weltweit ersten Prozess um die Anschläge vom 11. September den Angeklagten Mounir al-Motassadeq zur Höchststrafe von 15 Jahren Haft verurteilt. Es befand den Angeklagten der Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie des Mordversuchs und der gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen für schuldig. Angesichts des Prozessverlaufs und der Urteilsbegründung beschleicht einen das ungute Gefühl, dass nun die Menschen aus dem Dunstkreis der Attentäter vom 11. September dafür büßen müssen, dass man der Täter nicht mehr habhaft werden kann.
Die Verurteilung zur Beihilfe setzt voraus, dass der/die TäterIn um die Begehung der Straftat weiß und er/sie diese mit einer Hilfeleistungshandlung fördern will. Im Fall von Mounir al-Motassadeq ist sehr zweifelhaft, ob er überhaupt in die Anschlagspläne eingeweiht war. Die Verteidigung bestreitet dies. Das Hanseatische Oberlandesgericht sieht es hingegen als erwiesen an, dass Motassadeq die wesentlichen Umstände der Tat gekannt hat und sie billigte. Denn Motassadeq hat nach Ansicht des Gerichts in der Gründungsphase der Terrorgruppe zum engsten Freundeskreis Attas gehört, während andere frühere Bekannte ausgegrenzt wurden. Zwar soll Motassadeq nicht an den konkreten Vorbereitungen der Anschläge beteiligt gewesen sein. Seine Hilfeleistung habe aber darin bestanden, den anderen Attentätern den Rücken frei zu halten, indem er z.B. Nachforschungen über den geheim gehaltenen Aufenthalt der Attentäter während ihrer Flugausbildung in den USA, entgegengetreten ist. Diese Ausführungen sind angesichts der Schwere des Tatvorwurfs äußerst vage. Hinzu kommt noch, dass wichtige Zeugen und Unterlagen nicht in die Urteilsfindung einbezogen wurden. Eine Aussage des in den USA inhaftierten mutmaßlichen Mitattentäters Ramzi Binalshibh, die Motassadeq möglicherweise hätte entlasten können, wurde von US-Behörden verhindert. Auch die Übergabe der Vernehmungsprotokolle an das Gericht blockierte die Bundesregierung auf Wunsch der USA. Sogar das Gericht räumt ein, dass diese Situation für den Angeklagten unbefriedigend sei. Aber im Falle einer späteren Entlastung Motassadeqs durch Binalshibh könnte das Urteil ja immer noch aufgehoben werden. Dieses Eingeständnis zeigt, auf welch tönernen Füßen das Urteil steht. Die Beweisführung war ohne die Erkenntnisse der US- Behörden und die Aussage Binalshibhs völlig unzureichend, insofern hätte das Gericht im Zweifel für den Angeklagten entscheiden und ihn freisprechen müssen.

Lena Dammann, Hamburg