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Das Hamburger Oberlandesgericht hat im weltweit ersten Prozess um die
Anschläge vom 11. September den Angeklagten Mounir al-Motassadeq zur Höchststrafe
von 15 Jahren Haft verurteilt. Es befand den Angeklagten der Beihilfe
zum Mord in 3066 Fällen, der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
sowie des Mordversuchs und der gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen
für schuldig. Angesichts des Prozessverlaufs und der Urteilsbegründung
beschleicht einen das ungute Gefühl, dass nun die Menschen aus dem Dunstkreis
der Attentäter vom 11. September dafür büßen müssen, dass man der Täter
nicht mehr habhaft werden kann.
Die Verurteilung zur Beihilfe setzt voraus, dass der/die TäterIn um die
Begehung der Straftat weiß und er/sie diese mit einer Hilfeleistungshandlung
fördern will. Im Fall von Mounir al-Motassadeq ist sehr zweifelhaft, ob
er überhaupt in die Anschlagspläne eingeweiht war. Die Verteidigung bestreitet
dies. Das Hanseatische Oberlandesgericht sieht es hingegen als erwiesen
an, dass Motassadeq die wesentlichen Umstände der Tat gekannt hat und
sie billigte. Denn Motassadeq hat nach Ansicht des Gerichts in der Gründungsphase
der Terrorgruppe zum engsten Freundeskreis Attas gehört, während andere
frühere Bekannte ausgegrenzt wurden. Zwar soll Motassadeq nicht an den
konkreten Vorbereitungen der Anschläge beteiligt gewesen sein. Seine Hilfeleistung
habe aber darin bestanden, den anderen Attentätern den Rücken frei zu
halten, indem er z.B. Nachforschungen über den geheim gehaltenen Aufenthalt
der Attentäter während ihrer Flugausbildung in den USA, entgegengetreten
ist. Diese Ausführungen sind angesichts der Schwere des Tatvorwurfs äußerst
vage. Hinzu kommt noch, dass wichtige Zeugen und Unterlagen nicht in die
Urteilsfindung einbezogen wurden. Eine Aussage des in den USA inhaftierten
mutmaßlichen Mitattentäters Ramzi Binalshibh, die Motassadeq möglicherweise
hätte entlasten können, wurde von US-Behörden verhindert. Auch die Übergabe
der Vernehmungsprotokolle an das Gericht blockierte die Bundesregierung
auf Wunsch der USA. Sogar das Gericht räumt ein, dass diese Situation
für den Angeklagten unbefriedigend sei. Aber im Falle einer späteren Entlastung
Motassadeqs durch Binalshibh könnte das Urteil ja immer noch aufgehoben
werden. Dieses Eingeständnis zeigt, auf welch tönernen Füßen das Urteil
steht. Die Beweisführung war ohne die Erkenntnisse der US- Behörden und
die Aussage Binalshibhs völlig unzureichend, insofern hätte das Gericht
im Zweifel für den Angeklagten entscheiden und ihn freisprechen müssen.
Lena Dammann, Hamburg
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