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Die Drohung des Frankfurter Vize - Polizeipräsident Wolfgang Daschner
gegenüber einem Verdächtigen Gewalt anzuwenden, wenn er den Aufenthaltsort
des von ihm entführten Kindes nicht preisgebe, löste eine Diskussion über
das Folterverbot aus.
Erschreckenderweise wurde im Zuge dieser Diskussion deutlich, dass das
Folterverbot nicht mehr zum Grundkonsens gehört.
"Menschliches Verständnis" für das Verhalten Daschner`s tun Ministerpräsident
Roland Koch (CDU) und der Rechtsausschuss-Vorsitzende Andreas Schmidt
(CDU) kund. Auch Geert Mackenroth, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds,
sprach öffentlich davon, dass in gewissen extremen Fällen Folter "erlaubt"
sein könne, z.B. bei Verhinderung von Terroranschlägen. Man liest juristische
Fachbegriffe wie " übergesetzlicher Notstand" zum" Schutz höherwertiger
Rechtsgüter".
Wozu diese ganze Aufregung, wenn doch die Rechtslage eindeutig ist.
Die Berufung auf einen "übergesetzlichen Notstand" als Entschuldigungsgrund
ist im Fall Daschner`s grundsätzlich verfehlt. Der Vize - Polizeipräsident
als ausführende Staatsgewalt kann sich nicht auf Notstandsregelungen beziehen,
denn diese gelten nur für Zivilbürger. Der Staat als Gewaltmonopol kann
Gefahren für die Rechtsgüter seiner Bürger zwar mit Gewalt abwehren, muss
sich aber gerade weil er in Grundrechte eingreifen kann auch genaueren
Regelungen unterwerfen.
Gemäß Art. 104 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) dürfen festgehaltene Personen
weder seelisch noch körperlich misshandelt werden. Hierbei wird das allgemeine
Gebot der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG konkretisiert. Art. 104 GG
ist die Grundlage für einfache gesetzliche Regelungen in den Landespolizeigesetzen
und in der Strafprozessordnung.
Nach dem hessischen Gesetz über Sicherheit und Ordnung (HSOG) ist gem.
§ 52 II unmittelbarer Zwang zur Abgabe einer Erklärung ausgeschlossen.
Dies schließt eine Androhung von körperlichem Zwang ein. Nach 12 IV HSOG
gilt für polizeiliche Befragungen § 136 a Strafprozessordnung (StPO) entsprechend.
§ 136 a StPO verbietet bestimmte Vernehmungsmethoden im strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren, die die Freiheit der Willensbeeinträchtigung und
der Willensentschließung des Beschuldigten beeinträchtigen. Dazu zählt
die Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme.
Des weiteren verbieten die Anti - Folterkommission und die Europäische
Menschrechtskonvention dem Staat Folter anzudrohen bzw. auszuführen, denn
Folter, in welcher Form, in welchem Zusammenhang und gegen wen auch immer
durchgeführt, verletzt den unantastbaren Kern der Würde des Menschen.
Menschenrechte sind kein Geschenk großzügiger Realpolitik, sondern die
Substanz einer menschlich erkämpften Leidensgeschichte. Werden sie auch
nur für den Einzelfall in Frage gestellt, wird dem Missbrauch Tür und
Tor geöffnet.
Annelie Jaschinski, Berlin
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