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Tagungsbericht: 29. Feministischer Juristinnentag in Berlin
Vom 9. bis 11. Mai 2003 fand an der Humboldt-Universität zu Berlin der
29. Feministische Juristinnentag statt. Mehr als 200 Juristinnen aller
Berufe und aller Generationen kamen aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen,
um sich interessante Vorträge anzuhören und Diskussionen zu führen, andere
ähnlich gesinnte Juristinnen kennen zu lernen, alte Bekannte wieder zu
sehen oder einfach nur drei Tage lang feministische Luft zu atmen.
Das Programm in diesem Jahr war ebenso bunt wie aktuell: Es gab Foren
zu den EU-Antidiskriminierungsrichtlinien und deren Umsetzung in Österreich
und Deutschland sowie zum Hartz-Konzept, und es wurde der Frage nachgegangen,
inwiefern EU-Gleichstellungsrecht genutzt werden kann, um die rechtliche
Stellung von Frauen in den EU-Beitrittsländern zu verbessern. In etwa
zwanzig Arbeitsgruppen wurden Themen diskutiert, die im Studium meist
noch nicht einmal angetippt werden: Die Palette reichte von einer Geschichtswerkstatt
zu Hilde Benjamin, der Justizministerin der DDR der 50er Jahre, über das
Verhältnis von Frauen zur Macht bis zu Gewaltschutzgesetz und Transsexuellengesetz.
Ein Programm, das einen Eindruck davon hinterlässt, wie tief und breit
feministische Perspektiven auf das Recht und die Rechtspraxis sind und
sein müssen.
Im Anschluss an die Foren gab es Raum für eine im letzten Jahr auf dem
Feministischen Juristinnentag in Dortmund angestoßene Debatte um die eigene
Verfasstheit. Der Feministische Juristinnentag hat bis dato keinerlei
festgeschriebene Strukturen, er konstituiert sich von Jahr zu Jahr neu,
indem sich Frauen bereit erklären, die Tagung für das nächste Jahr zu
organisieren.
Frau Prof. Holland-Cunz, Politikwissenschaftlerin an der Uni Gießen, gab
als Außenstehende hierzu eine Einführung über die Vor- und Nachteile verschiedener
Organisationsformen und Verfasstheiten basisdemokratischer Netzwerke.
Insbesondere kritisierte sie die Fiktion, dass Strukturlosigkeit eine
besondere Offenheit ermögliche, und wies auf die Gefahr informeller Strukturen
hin.
Im Anschluss an eine hitzige Diskussion fand sich eine Gruppe, die zum
nächsten Jahr die verschiedenen Möglichkeiten zusammenstellen will, welche
Formen der Verfasstheit es gibt. Auf dieser Grundlage soll die Diskussion
dann fortgeführt werden.
Das Treffen feministischer Juristinnen jährte sich in diesem Jahr zum
25. Mal. Aus diesem Anlass gab es einen Sektempfang und es wurden Geschichten
von den Anfängen zum Besten gegeben - für die jüngeren Frauen eine gute
Gelegenheit, sich die Ursprünge und Entwicklungen des Feministischen Juristinnentages
bewusst zu machen: Als feministische Juristinnen 1978 zum ersten "Jura-Frauen-Treffen"
in Frankfurt/ Main zusammen kamen, waren Frauen in juristischen Berufen
noch weit unterrepräsentiert. Seitdem hat sich der Einfluss von Frauen
und feministischen Positionen in Rechtswissenschaft und Rechtspolitik
beträchtlich erweitert. Die Erkenntnis, dass diese Entwicklung auch der
Verdienst des Feministischen Juristinnentages ist, ist eine wichtige Basis
für heutige feministische juristische Arbeit.
Der nächste Feministische Juristinnentag wird vom 7. bis 9. Mai 2004 in
Frankfurt/Main stattfinden. Nähere Infos im Vorfeld unter http://www.feministischer-juristinnentag.de.
Lena Foljanty, Berlin
Grenzcamp, nicht nur in Köln
Sommerzeit, Grenzcampzeit. Vom 31.7. - 10.8. findet das 6. Antirassistische
Grenzcamp in Köln statt: Out of control. Für globale Bewegungsfreiheit.
Verwertungslogik und rassistische Ausgrenzung angreifen! Schwerpunkt des
Camps sollen folgende Themen sein: Kontrolle und Überwachung, verbunden
mit Kritik an der International Organization for Migration; Arbeit und
Verwertung, Abschiebung & Abschreckung.
Kontakt und Infos über E-Mail bei camp03@infoladen.net
oder www.nadir.org/kongress03;
ab 1. Juni Montags und Donnerstags auch telefonisch unter (+49) (0)221/9526367.
Weitere Camps diesen Sommer in Europa (links zu weiteren Infos unter
www.aha-bueren.de oder www.aktivgegenabschiebung.de.):
29.5. - 3.6.: G8-Gipfel in Evian/Frankreich; 9.6 - 15.6.: Noborder-Camp
in Timisiora / Rumänien; 19.6 - 21.6.: EU-Gipfel in Thessaloniki / Giechenland;
2.7. - 5.7.: Noborder-Camp in Krynki / Polen; 26.7.-3.8.: Noborder-Camp
in Bari / Italien; 11.- 14.9.: Anti-Lager-Camp in Nürnberg / Deutschland.
Grundrechte-Report 2003
Der neue Grundrechte-Report ist am 22. Mai 2003 erschienen. In 34 Beiträgen
zieht der sich als "alternativer Verfassungsschutzbericht" verstehende
Report Bilanz zum Zustand der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland.
Im Jahr nach den Antiterrorgesetzen droht die Freiheit der Sicherheit
immer selbstverständlicher geopfert zu werden. Die herausgebenden Bürgerrechtsorganisationen
warnen vor einem "Gewöhnungseffekt", der entstehen könne. Das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung, die Unverletzlichkeit der Wohnung sowie
das Brief- und Fernmeldegeheimnis sind bereits jetzt schwer beschädigt.
Vier Beiträge des Grundrechte-Reports 2003 setzen sich intensiv mit Fragen
des Datenschutzes auseinander: Sönke Hilbrans fragt nach dem Datenschutz
für GlobalisierungskritikerInnen, die an europaweiten Demonstrationen
teilnehmen. Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für
Datenschutz, überprüft die Datenspeicherung von AtomkraftgegnerInnen als
ein Beispiel für die Speicherung von Daten politisch Oppositioneller.
Bettina Sokol, Datenschutzbeauftragte in Nordrhein-Westfalen, befasst
sich mit datenschutzrechtlichen Problemen von Prepaid-Karten beim Handykauf.
Tjark Sauer würdigt die Folgen der Rasterfahndungen nach dem 11. September
2001. Neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung boten auch
im Jahr 2002 Beschränkungen der Demonstrationsfreiheit, des Telekommunikationsgeheimnisses,
der Glaubensfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Berufsfreiheit, des Grundrechts
auf Asyl und anderer Grundrechte Anlass zu einer kritischen Bilanz.
Mit der Einführung des § 129b Strafgesetzbuch setzt sich Heiner Busch
auseinander. Dieser neue Anti-Terror-Paragraf ermöglicht es, Personen,
die in Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen im Ausland gebracht
werden, zu kriminalisieren. Schließlich befasst sich Dieter Deiseroth
mit der Zulässigkeit einer deutschen Beteiligung an dem Präventivkrieg
gegen den Irak, den er unter Anlegung verfassungsrechtlicher Maßstäbe
für unzulässig hält.
Grundrechte-Report 2003, Hrsg. Till Müller-Heidelberg, Ulrich Finckh,
Elke Steven, Bela Rogalla, Jürgen Micksch, Wolfgang Kaleck, Martin Kutscha,
Verlag Rowohlt, Reinbek (Reihe aktuell), ISBN 3-499-23419-X, 240 S., €
9,90.
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