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Politische Justiz | Heft
4/2003 Arbeit Ausgrenzung und Ausbeutung Seite 142 |
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Black Box Bad Kleinen Mehrere linke Initiativen erinnerten im vergangenen Sommer an den gewaltsamen
Tod von Wolfgang Grams vor zehn Jahren. Die Medien recherchierten währenddessen weitere Pannen bei Vorbereitung
und Ausführung des Einsatzes und lösten damit eine Staatskrise aus. Innenminister
Rudolf Seiters musste zurücktreten, Generalbundesanwalt Alexander von
Stahl sowie mehrere leitende BeamtInnen in Wiesbaden wurden entlassen.
Als Panne wollte der spätere Untersuchungsbericht allerdings auch die
nahezu systematisch erscheinende Spurenvernichtung bezeichnen. So wurden
unter anderem vor der gerichtspathologischen Untersuchung des Leichnams
von Grams Schmauchspuren weggewaschen und die Kopfwunde gesäubert, die
Waffen der GSG 9 wurden voreilig gereinigt, Ton- und Filmdokumente des
Einsatzes verschwanden. Dennoch schlossen die Regierung und die mit dem
Todesermittlungsverfahren beauftragte Schweriner Staatsanwaltschaft ihre
Untersuchungen mit dem Ergebnis ab, dass die Todesumstände "widerspruchsfrei
durch Selbstbeibringung" zu erklären seien. Den Eltern von Grams gelang
es in der Folge nur noch, die Vorgänge in einem Zivilverfahren, bei dem
es vordergründig um die Beerdigungskosten ging, gerichtlich behandeln
zu lassen. 1998 lehnte das Bonner Landgericht die Klage ab, stellte aber
fest, dass es weder für eine Fremdtötung noch für den Selbstmord Grams
überzeugende Beweise geben würde. Dessen ungeachtet reagierten die Behörden
auf die These der gezielten Tötung Grams äußerst empfindlich. Immer wieder
wurde die Ansicht, die sich auf mehrere Gutachten stützt, als Staatsverunglimpfung
strafrechtlich verfolgt. Putativnotwehr Die Abwehr von neonazistischen Strukturen ist niedriger Beweggrund genug,
um bei gewalttätigen Auseinandersetzungen Mord oder Mordversuch annehmen
zu können. So urteilte am 11. Juli 2003 der Bundesgerichtshof (BGH) über
einen Vorfall, der sich in Siegburg abspielte. Dort wollte eine Gruppe
von Jugendlichen migrantischen Hintergrunds neonazistische Skinheads vertreiben.
Als einer der Skins sich mit zwei Gaspistolen zur Wehr setzen wollte,
schlugen die Jugendlichen eine härtere Gangart ein und verprügelten einen
der Skinheads solange, bis der regungslos am Boden liegen blieb. Nachbarn Die staatsanwaltschaftliche Abteilung des Instituts für das Nationale Gedenken (IPN) in Warschau hat die Ermittlungen über die im Juli 1941 begangene Ermordung der jüdischen EinwohnerInnen der ostpolnischen Kleinstadt Jedwabne abgeschlossen. Dabei konnte sie keine noch lebenden einheimischen TäterInnen ausmachen, die nicht bereits 1949 rechtskräftig verurteilt worden waren. Die IPN hatte im September 2000 die Ermittlungen aufgenommen, nachdem in Polen durch das Buch "Nachbarn" des us-amerikanischen Politologen Jan T. Gross eine Debatte über die Tatbeteiligung von PolInnen an der Shoa entfacht worden war. Die IPN kam bei ihrer Untersuchung zu der Erkenntnis, dass ein unter dem Befehl des Hauptsturmführers Hermann Schaper agierendes SS-Kommando die Einheimischen sowohl in Jedwabne als auch in etwa 30 weiteren Orten zu Pogromen gegen ihre jüdischen MitbürgerInnen aufstachelte und auch selbst Massenerschießungen vornahm. Der 91 Jahre alte Schaper lebt heute in München. 1976 wurde er bereits wegen ähnlicher Verbrechen in Mittelpolen vom Landgericht Gießen verurteilt. Der BGH hob jedoch das Strafurteil wegen eines Formfehlers auf. Zu einem neuem Prozess wird es aufgrund einer Erkrankung, die den SS-Soldaten verhandlungsfähig mache, nicht kommen. |