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Arbeit als Rache   Heft 2/2004
freie Leere
Bildung für den Wettbewerb

Seite 67
 
 

Nachdem im Juli 1943 der Faschist Mussolini in Italien gestürzt worden war, wurden für Deutschland die ehemaligen Verbündeten zu GegnerInnen. Fast 600.000 italienische Soldaten wurden in der Folge gefangen genommen, nach Deutschland verschleppt und zur Arbeit gezwungen. Auf Befehl Hitlers wurden die Deportierten zunächst als Militärinternierte geführt, um sie schließlich im Sommer 1944 als zivile ZwangsarbeiterInnen in die Kriegsproduktion der deutschen Wirtschaft einzureihen. Somit wurde den italienischen Militärinternierten der Status als Kriegsgefangene nach der Genfer Konvention von 1929 nicht zuerkannt, sie waren ihren AufseherInnen schutzlos ausgeliefert. Mit dem von den Deutschen als "Verrat" betrachteten Umsturz in Rom schlug den so genannten "IMIs" der blanke und enthemmte Volkszorn entgegen. Gepaart mit dem Rassismus gegenüber den "Itakern" und den Frustrationen über die sich häufenden militärischen Niederlagen der Wehrmacht, so erklärt der Freiburger Historiker Ulrich Herbert, entwickelte sich das Motiv zur Zwangsarbeit: Arbeit als Rache. Den ItalienerInnen wurden entsprechend zerstörerische Arbeits- und Lebensbedingungen auferlegt, die über 50.000 Gefangene das Leben kostete.

Unter diesen Umständen schien es selbstverständlich, dass auch die überlebenden ItalienerInnen einen Antrag auf Leistungen nach dem Stiftungsgesetz "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" einreichten, heißt es doch in dessen Leitlinien: "Soweit die [...] Kriterien der Deportation und des Einsatzes zur Zwangsarbeit unter Haftbedingungen erfüllt sind, haben auch Kriegsgefangene, die zwangsweise [...] in den Zivilstatus überführt worden sind, einen Anspruch nach diesem Gesetz." Der Stiftungsvorstand untersagte jedoch Zahlungen an die über 100.000 noch lebenden ehemaligen ZwangsarbeiterInnen aus Italien. Etwa 4.200 von ihnen reichten daraufhin Klage ein; ein erster Präzedenzfall wird seit Februar vor dem Berliner Verwaltungsgericht verhandelt. Die verklagte Bundesrepublik begegnet den Ansprüchen mit einem Gutachten, in dem sich der Berliner Völkerrechtler Christian Tomuschat eines perfiden juristischen Hackentricks bedient: Ganz gleich, ob das NS-Regime den italienischen Militärangehörigen völkerrechtswidrig den Statuts als Kriegsgefangene aberkannt hätte, seien sie heute doch als solche zu betrachten. Kriegsgefangenen stehe allerdings eine Entschädigung nach dem Stiftungsgesetz nicht zu, da sie nach dem Völkerrecht zur Arbeit herangezogen werden durften. Dass durch derlei Rechtsbetrachtungen gleichfalls die vernichtende Intention der Zwangsarbeit ausgeblendet wird, ist ein weiteres Kapitel über die hiesige Auffassung von "moralischer Verantwortung".

Stephen Rehmke, Hamburg