Sybille Müller |
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Offene Vermögensfragen | Heft
2/2004 freie Leere Bildung für den Wettbewerb Seite 67 |
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Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat im Januar 2004 die aktuelle Bedeutung von Grundeigentumsrechten, die ursprünglich durch Zuteilungen im Rahmen der Bodenreform von 1945 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone entstanden waren, zurecht gerückt. Diese Rechtspositionen unterlagen zu DDR-Zeiten öffentlich-rechtlichen Verfügungsbeschränkungen: Das Land sollte von den neuen EigentümerInnen, den sog. Neubauern, als Existenzgrundlage in der Nachkriegszeit genutzt und bewirtschaftet werden. Es durfte weder geteilt noch verkauft, verpachtet oder verpfändet, sondern nur vererbt werden und sollte im Falle des Zuwiderhandelns an die staatlichen Bodenfonds zurückfallen. Im März 1990 wurden diese Verfügungsbeschränkungen durch das Modrow-Gesetz aufgehoben. Die Betroffenen erhielten die vollen Eigentumsrechte an ihren Grundstücken, wodurch der DDR-Gesetzgeber im ländlichen Bereich die notwendigen Voraussetzungen für marktwirtschaftliche Strukturen schaffen wollte. Die ErbInnen der Neubauern hatten jedoch nur kurz Grund zur Freude, denn
bereits 1992 wurde gesetzlich festgelegt, dass Bodenreformgrundstücke
entschädigungslos an den Fiskus des jeweiligen Bundeslandes abgetreten
werden sollten, wenn ihre EigentümerInnen im März 1990 oder in den vorherigen
zehn Jahren nicht Land-, Forst- oder Lebensmittelwirtschaft betrieben
hatten. Ebenso waren unter gleichen Bedingungen etwaige Pachteinnahmen
und Verkaufserlöse an selber Stelle abzuliefern. Die Rechtmäßigkeit des
Eigentumserwerbs nach dem Modrow-Gesetz wurde so nachträglich von der
Einhaltung der Verfügungsbeschränkungen abhängig gemacht, die mit demselben
Gesetz abgeschafft werden sollten. Sybille Müller, Münster |