Rolf Theißen |
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Die Vorgeschichte zur Geschichte | Heft
2/2004 freie Leere Bildung für den Wettbewerb Seite 58-59 |
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Einige historische Anmerkungen zur Entstehung von Forum Recht |
Etwa Mitte des letzten Jahres erreichte mich die Anfrage, ob ich als
Mitbegründer von Forum Recht Lust hätte, anlässlich des 20-jährigen Bestehens
der Zeitschrift etwas über deren Anfänge zu berichten. Diese Anfrage machte
mir erstmals bewusst, dass Forum Recht nicht nur aktuelle Rechtspolitik
verkörpert, sondern bereits eine eigene Geschichte hat, die auf zahlreiche
Redaktions-Generationen zurückblicken kann. Die Vorgänger: Jura-Initiativen zum Ende der 70er Jahre Etwa Mitte der 70er Jahre bildeten sich an zahlreichen juristischen Fakultäten der Bundesrepublik linksalternative Jura-Initiativen. Die meisten Aktivisten/innen waren gleichzeitig in den sozialen Bewegungen1 engagiert und/oder Teil der undogmatischen Linken2. Von den sonst üblichen Streitigkeiten zwischen den unterschiedlichen linken Strömungen spürte man an den juristischen Fakultäten wenig. Die Jura-Initiativen waren häufig personell verwoben mit außeruniversitären Rechtshilfeläden3, Ermittlungsausschüssen4 (etwa der Anti-AKW-Bewegung), linken Anwaltsbüros oder alternativen Buchläden. Zu den Redaktionen der damals bestehenden linken juristischen Zeitschriften, insbesondere der Kritischen Justiz, der Demokratie und Recht und der Roten Robe, bestanden kaum persönliche Beziehungen; diese Zeitschriften wurden lediglich auf den Büchertischen der Initiativen verkauft. An einigen der größeren juristischen Fakultäten bildeten sich zudem lokale Zeitungsinitiativen, die eigene Blätter erstellten. Eines der bekanntesten Blätter war die Kölner Juristen-Zeitung, die im November 1977 gegründet wurde. Die Kölner Juristen-Zeitung (kurz: KJZ) war ein Sammelbecken der undogmatischen linken Juristen/innen an der Universität Köln. Der Redaktionskreis bestand aus 15 bis 20 Leuten; dazu kamen zahlreiche Arbeitsgruppen, die sich mit Wissenschaftskritik, JuristInnensozialisation oder aktuellen justizpolitischen Themen beschäftigten. Darüber hinaus bildeten wir in allen Semestern Gruppen, die ein alternatives Lernen ermöglichen sollten ("Wie studieren und sich nicht verlieren?"). Unter dem Strich, glaube ich, haben wir intensiver gearbeitet als die
von uns damals als "Subsumtions-Automaten" belächelten Normal-StudentInnen.
Der Vorlesungsbesuch wurde zwar auf das absolut Notwendigste reduziert;
dafür haben wir in unseren Semestergruppen reflektierter gearbeitet. Ziel
war es auch, die Trennung von "examensrelevantem Stoff" und politischen
Inhalten aufzuheben (was nicht immer gelang). Statt Einzelwissen haben
wir uns strukturelles Denken angeeignet. Nach einer Lerngruppe zum Bereichungsrecht
widmete man sich den wichtigeren Dingen, wie etwa der Lektüre von Paschukanis
oder Oskar Negt. Bereits damals entwickelten vier Mitarbeiter/innen der Kölner Juristen-Zeitung
die Idee einer bundesweiten Jura-Gruppen-Zeitung. Neben der organisatorisch-inhaltlichen
Vernetzung der Gruppen sollte eine professionellere Produktionsmöglichkeit
für die bestehenden Zeitungsgruppen geschaffen werden. Hinzu kam, dass
an zahlreichen Orten nur kleine Gruppen existierten, manchmal auch nur
Einzelpersonen, die aus eigener Kraft vor Ort keine Publikation erstellen
konnten. Diesen wäre über die Zeitung die Möglichkeit einer Beteiligung
an der überregionalen Struktur geboten worden. 1983: Gründung von Forum Recht Gemeinsam mit zwei anderen Mitarbeitern der Kölner Juristen-Zeitung gründete
ich in Köln die Lokal-Redaktion der taz und realisierte Anfang der 80er
Jahre ein Buchprojekt. Daher lockerte sich die Bindungen zur Kölner Juristen-Zeitung.
Die Idee einer bundesweiten Jura-Gruppen-Zeitung lebte jedoch in den Köpfen
einzelner Akteure weiter. Die nächste reguläre Ausgabe von Forum Recht erschien im Dezember 1983
mit dem Schwerpunktthema "Strafvollzug". Herausgeber der Zeitung war der
von uns gegründete Arbeitskreis Recht und Gesellschaft beim AStA der Universität
Köln. Die Resonanz auf diese Ausgabe ging weit über den juristischen Ausbildungsbereich
hinaus. Das nächste Heft wurde gemeinsam vom Arbeitskreis und der Jura-Frauen-Initiative
Anfang 1984 zum Schwerpunktthema "Frau und Justiz" veröffentlicht. Durch die Herausgabe einer 150-seitigen Broschüre zum Thema "Sicherheitsgesetze"
gelang es der Redaktion erstmals, eine rechtspolitische Kampagne außerhalb
der Hochschulen (mit) zu initiieren und zu unterstützen. ... und ein Ende ist nicht in Sicht Heute ist Forum Recht 21 Jahre alt. Die Zeitschrift gab und gibt wichtige Impulse für eine emanzipatorische und demokratische Rechtskultur (nicht nur) an den juristischen Fakultäten der Bundesrepublik. Was wir Ende der 70er Jahre vergeblich versucht hatten, ist nun Realität: Mit dem Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen (BAKJ) existiert eine inhaltliche Vernetzung und Koordination fortschriftlicher Initiativen im juristischen Ausbildungsbereich. Ich wünsche allen Akteuren/innen viel Kraft und Spaß für die nächsten 20 Jahre ... Dr. Rolf Theißen Anmerkungen: 1 Der Begriff der "sozialen Bewegungen" wurde erst später geprägt. Gemeint
sind hier insbesondere die Frauenbewegung, die Anti-AKW-Bewegung und -
später - die Friedensbewegung. Daneben gab es in der zweiten Hälfte der
70er Jahre noch zahlreiche andere "Bewegungen" - von den Landkommunen
über die HausbesetzerInnen bis zu den InternationalistInnen. |