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Todesstrafe: Mexiko vs. USA   Heft 3/2004
Dataismus -
eine Gesellschaft überwacht sich selbst

Seite 104
 
 

Offenkundige Verstöße gegen das Völkerrecht finden sich genug in dieser Welt, gerichtlich festgestellt werden sie selten. Die USA wurden nunmehr jedoch bereits zum zweiten Mal vom Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag wegen zahlreicher Verletzungen der Wiener Konsularrechtskonvention von 1963 (WKRK) verurteilt. Wie schon bei dem auf einer Klage der Bundesrepublik beruhenden Urteil von 2001 (Fall LaGrand) ging es um Todesurteile, die von amerikanischen Gerichten gegen ausländische StaatsbürgerInnen verhängt worden waren. Nach Art. 36 der WKRK sind die Behörden des Gastlandes im Falle der Verhaftung eines fremden Staatsangehörigen verpflichtet, auf dessen Wunsch hin die jeweilige konsularische Vertretung zu informieren, dieser Kontakt zu dem Häftling zu ermöglichen und vor allem den/die BetroffeneN von diesem Recht unverzüglich zu unterrichten.
Diesmal hatte Mexiko gegen die USA geklagt. Es ging um insgesamt 52 seit 1979 verhängte, aber noch nicht vollstreckte Todesurteile gegen mexikanische StaatsbürgerInnen. Der IGH stellte in seinem Urteil vom 31. März 2004 fest, dass die USA ihre völkerrechtliche Pflicht aus Art. 36 WKRK verletzt haben, weil sie die Verurteilten weder während des Strafverfahrens unverzüglich über ihr Recht auf konsularischen Beistand informierten noch Kontakt zu den KonsularbeamtInnen ermöglichten. Als Konsequenz dieses Völkerrechtsverstoßes seien allen Verurteilten Revisionsmöglichkeiten zu gewährleisten, in denen die Auswirkungen der Verfahrensfehler gewürdigt werden können.

Für einen Teil der Betroffenen sind die Möglichkeiten innerstaatlicher Revision jedoch bereits erschöpft. So hatte etwa im Falle des 29-jährigen Osvaldo Torres das Berufungsgericht des Bundesstaates Oklahoma schon vor Verkündigung des IGH-Urteils und entgegen einer einstweiligen Anordnung des Gerichts in Den Haag den Hinrichtungstermin für den 18. Mai festgesetzt. Erst wenige Tage vor diesem Termin wurde das Todesurteil gegen Osvaldo Torres vom Gouverneur von Oklahoma im Gnadenwege auf eine lebenslange Haftstrafe reduziert. Der Gouverneur würdigte bei seiner Entscheidung insbesondere den Völkerrechtsverstoß der USA. Den Vorgaben des IGH-Urteils ist so aber noch nicht Genüge getan. Das Gericht hatte ausdrücklich festgestellt, dass Gnadenentscheidungen allein nicht ausreichen, um die erfolgten Rechtsverletzungen zu würdigen. Vielmehr seien Schuldspruch und Strafzumessung in einem erneuten gerichtlichen Verfahren unter Berücksichtigung des vorhergehenden Verfahrensfehlers zu überprüfen. Es bleibt abzuwarten, ob das amerikanische Rechtssystem sich in den übrigen 51 Fällen als fähig erweist, diese Vorgabe des IGH umzusetzen.

Tobias Lieber, Berlin