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Gesetzentwürfe zur Sicherungsverwahrung   Heft 3/2004
Dataismus -
eine Gesellschaft überwacht sich selbst

Seite 104
 
 

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die landesgesetzlichen Bestimmungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung (SV) im wesentlichen aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenz für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. Forum Recht 2004, 66), haben die Bundesregierung und der Bundesrat zwei sich weitgehend entsprechende Gesetzentwürfe zur Einführung der nachträglichen SV ins Strafgesetzbuch (StGB) vorgelegt. Gemäß § 66b StGB-E-Bundesregierung kann die nachträgliche SV angeordnet werden, wenn nach einer Verurteilung aufgrund bestimmter Straftaten vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des/der Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Anders als die bisherigen landesgesetzlichen Regelungen soll für diese Kriminalprognose - wie auch vom BVerfG gefordert - auf eine "Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Vollzugs" zurückgegriffen werden. Praktisch wird dem Vollzugsverhalten aber auch nach den Entwürfen die Hauptbedeutung zukommen, weil das für die Anordnung der Freiheitsstrafe ursprünglich verantwortliche Gericht die Anordnung der "einfachen" oder vorbehaltenen SV aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Tatsachenlage ja verneint hat.

Die von KritikerInnen geltend gemachten rechtsstaatlichen Bedenken gegen die nachträgliche SV bleiben bestehen. Weiterhin wird die nachträgliche SV im wesentlichen auf das Vollzugsverhalten gestützt, das von (kritischen) StrafrechtswissenschaftlerInnen für weit gehend nicht aussagefähig gehalten wird. Es ist mit einer die Therapie erschwerenden Scheinanpassung der Gefangenen zu rechnen. Hilfsbedürftige Gefangene werden sich aus Angst vor der nachträglichen SV scheuen, therapeutische Hilfe einzufordern. Aus kriminalprognostischen und kriminalpolitischen Gründen ist die in beiden Gesetzentwürfen vorgesehene nachträgliche SV für Heranwachsende, auf die Erwachsenenstrafrecht angewandt wird, zu kritisieren. Bei derart jungen TäterInnen sind langfristige Kriminalprognosen ausgesprochen unzuverlässig. Die Anordnung der SV gegenüber Heranwachsenden bedeutet, diese jungen Menschen bereits dauerhaft für ein Leben in Freiheit abzuschreiben.
Beide Entwürfe setzen einseitig auf die Sicherungskarte und verkennen, dass absolute Sicherheit nicht möglich ist und (bisher) vermeintlich bestehende Lücken im Strafrecht oftmals Ausdruck rechtsstaatlicher Grundprinzipien sind. Anstatt einseitig auf negative Spezialprävention zu setzen, sollte eine verantwortungsvolle Kriminal- und Gesellschaftspolitik den TäterInnen und Opfern schwerer Straftaten konkrete Hilfe zur Verfügung stellen.

Tobias Mushoff, Bielefeld