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Sammelsurium   Heft 3/2004
Dataismus -
eine Gesellschaft überwacht sich selbst

Seite 107
 
 

Erfolg und Misserfolg

Ähnlich wie eine Reihe anderer Bundesländer hatte auch Nordrhein-Westfalen im Jahr 2003 Langzeitstudiengebühren eingeführt. Nach Überschreitung der anderthalbfachen Regelstudienzeit ist nunmehr eine Gebühr von 650 Euro pro Semester fällig. Dagegen richtete sich eine vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) und vom Landesastentag (LAT) initiierte Musterklage vor dem Verwaltungsgericht Köln, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu einem teilweisen Erfolg führte. Das Gericht erklärte zwar in seinem Beschluss von 26. April 2004 die Gebührenerhebung grundsätzlich für rechtmäßig, gab aber der Klage einer Studentin statt, die noch vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach zwei Semestern ihren Studiengang gewechselt hatte. Ein solcher Fachwechsel vor dem dritten Semester führt nach der neuen Rechtslage dazu, dass erneut ein volles Studienguthaben gewährt wird. Das Gericht stellte entgegen der vom Wissenschaftsministerium und den Universitäten vertretenen Rechtsauffassung fest, dass diese Regelung auch rückwirkend anzuwenden sei. ABS und LAT geht dieser Beschluss zwar nicht weit genug, sie hoffen aber auf Erfolge in weiteren Verfahren und fordern alle betroffenen Studierenden auf, die gezahlten Studiengebühren zurückzufordern.

Grundrechte-Report vorgestellt

Am 9. Juni 2004 wurde in Karlsruhe der Grundrechte-Report 2004 vorgestellt (Fischer Taschenbuch Verlag, 222 Seiten, € 9,90). Bereits zum achten Mal ist dieser "alternative Verfassungsschutzbericht" erschienen, der vom BAKJ gemeinsam mit einer Reihe anderer Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben wird und es sich zum Ziel gesetzt hat, die zunehmende Einschränkung der Grundrechte deutlich zu machen. In 39 kurzen Einzelaufsätzen werden die relevanten Problemkonstellationen des letzten Jahres - gegliedert nach den einschlägigen Artikeln des Grundgesetzes - aufgearbeitet und in einen Gesamtkontext gestellt. Thematisch liegt der Schwerpunkt auf den verschiedenen Formen staatlicher Überwachung und Beeinträchtigung der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung - von der Erfassung biometrischer Daten über die von TollCollect erstellten Bewegungsprofile und das Ende des Briefgeheimnisses für Strafgefangene bis hin zum neuen Schengener Informationssystem. Daneben geht es aber etwa auch um die Infragestellung des Folterverbots, um die Auswirkungen der Agenda 2010, das Kopftuchverbot oder die Neuausrichtung der Bundeswehr.

Armer Cicero

Man/Frau stelle sich folgendes Szenario vor: Der Springer-Verlag, in Deutschland Herausgeber der Bild-Zeitung, erkennt in seiner Produktpalette ein intellektuelles Defizit und in einem Nachbarland, sagen wir in Österreich, eine Marktlücke. Er beschließt daraufhin die Gründung einer neuen Monatszeitschrift als "Magazin für politische Kultur" und benennt sie - bitte keine falsche Bescheidenheit - nach dem berühmtesten Redner des klassischen Roms. Frei erfunden? Nicht ganz. Im Juni diesen Jahres erschien die dritte Ausgabe des neuen Magazins namens Cicero, initiiert vom Schweizer Ringier-Konzern, der bisher vor allem die EidgenossInnen mit dem Boulevardblatt Blick versorgt hat. Nun soll es also das politisch interessierte Publikum der Bundesrepublik sein, Marktsegment "Autorenmagazin", mit anderen Worten: Je berühmter der Name, der über dem Artikel steht, desto belangloser kann der Inhalt sein. So reicht denn auch das Spektrum der AutorInnen von Donald Rumsfeld bis Edelgard Bulmahn und von Reinhard Mey über Norbert Blüm und Kardinal Ratzinger bis Wladimir Kaminer. Bei 150 Seiten Gesamtumfang und zahllosen einseitigen Photos resultiert dies in einer durchschnittlichen Artikellänge von etwa zwei Seiten. Aber die haben es in sich: Das Interview mit Guido Westerwelle hat eigentlich nur das Ziel, endlich ein Bekenntnis zu seiner sexuellen Orientierung aus ihm heraus zu locken. Bildungsministerin Bulmahn braucht gar nur eine Seite um festzustellen, dass wir von tatsächlicher Gleichberechtigung immer noch weit entfernt sind. Und Donald Rumsfelds Rechtfertigung eines globalen Krieges gegen den Terror steht in ihrer ganzen Banalität derart unkommentiert da, dass man/frau vor Ärger fast vergisst, dass der Artikel als Nachdruck aus der Washington Post bereits ein dreiviertel Jahr alt ist. Der Gewinn für die deutsche Presselandschaft? Lesbar allenfalls auf dem Zahnarztstuhl. Am Kiosk bitte weglegen. (tli)