Thilo Scholle |
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Demokratische Rechtsanwälte in der Weimarer Republik | Heft
3/2004 Dataismus - eine Gesellschaft überwacht sich selbst Seite 102-103 |
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Max Alsberg und Rudolf Olden |
Das Bild der Justiz zur Zeit der Weimarer Republik war im Allgemeinen
traurig. RichterInnen und StaatsanwältInnen unterschieden sich in ihrer
politischen Grundeinstellung nicht von anderen bürgerlichen Funktionseliten,
die im Kaiserreich sozialisiert worden waren. Ihre Haltung war national-konservativ,
oft auch offen anti-republikanisch. Für die übergroße Mehrheit der deutschen
JuristInnen und für ihre Standesorganisationen stellte auch die Machtübernahme
der Nationalsozialisten 1933 kein Problem dar. Proteste gegen die Verfolgung
von KollegInnen aus rassischen und/oder politischen Gründen wurden kaum
laut. Max Alsberg gilt als einer der "Stars" unter den RechtsanwältInnen der
Weimarer Republik. Geboren im Jahr 1877, praktiziert er zwischen 1906
und 1933 in Berlin, und macht sich mit rechtswissenschaftlichen Arbeiten
und als Honorarprofessor an der Universität Berlin einen Namen. Sein Buch
"Der Beweisantrag im Strafprozess" gehört bis heute zu den Klassikern
der strafprozessrechtlichen Literatur. Daneben schreibt Alsberg auch Theaterstücke. Rudolf Olden wird 1885 geboren, und wächst in großbürgerlichen Verhältnissen
auf. Er studiert Jura und nimmt als Offizier am 1. Weltkrieg teil. 1919
zieht er nach Wien, wo er für verschiedene Zeitungen zu schreiben beginnt.
Anfang der 1920er verpflichtet ihn das liberale "Berliner Tageblatt" als
Leitartikler. Neben seiner Tätigkeit für das Tageblatt beginnt Olden,
auch für pazifistische Blätter wie die "Weltbühne" zu schreiben und sich
in der Liga für Menschenrechte sowie für die Abschaffung der Todesstrafe
zu engagieren. Engagement im Weltbühnenprozess Im Jahr 1931 gehören Max Alsberg und Rudolf Olden zu der Gruppe von Verteidigern,
die von Ossietzky im sogenannten "Weltbühnenprozess" vor dem Reichsgericht
in Leipzig verteidigen. Von Ossietzky ist angeklagt wegen Landesverrats.
Hintergrund des Verfahrens ist ein in der "Weltbühne" erschienener Artikel,
in dem auf nach dem Versailler Vertrag und damit auch nach der Weimarer
Reichsverfassung verbotene Luftfahrtaktivitäten der Reichswehr aufmerksam
gemacht wird. Diese Tatsache ist an sich für die interessierte Öffentlichkeit
nichts Neues. Wer es wissen wollte, hatte Zugang zu den Informationen.
Trotz dieser klaren Rechtslage wird von Ossietzky zu einer 18-monatigen
Freiheitsstrafe verurteilt. Das Skandalurteil gilt als eines der eindrücklichsten
Beispiele für das krass dem geltenden Recht widersprechende Vorgehen der
Gerichte gegen PazifistInnen und andere GegnerInnen der Wiederaufrüstung
des Deutschen Reiches. Nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 muss Max Alsberg Deutschland verlassen, an eine Fortsetzung seiner Anwaltstätigkeit in Berlin ist aufgrund seiner Verteidigung von entschiedenen GegnerInnen der Nazis in politischen Prozessen nicht zu denken. Für das Selbstverständnis und den eigenen Lebensmut wohl noch schwerer wiegt ein anderer Anknüpfungspunkt für die Verfolgung durch die Nazis: Max Alsbergs Eltern waren Juden. Der religiöse Hintergrund seines Elternhauses hat für Alsberg bis dato offensichtlich keine Rolle gespielt, er ist nicht praktizierender Jude. Die politische Verfolgung führt schnell auch zur Ächtung durch Private: Der Heymanns Verlag lehnt den Druck seines bereits abgeschlossenen letzten Buches ab. Binnen weniger Wochen bricht die gesamte Welt, in der der Anwalt Alsberg lebt, zusammen. An seinem Zufluchtsort Zürich erleidet er einen totalen Nervenzusammenbruch und nimmt sich am 14. September 1933 in einem Sanatorium das Leben. Exil In der Reichstagsbrandnacht wird Olden vor seiner Verhaftung gewarnt.
Trotzdem tritt er noch am 28. Februar 1933 vor einem Amtsgericht in Berlin
auf - wohl sein Glück, denn die Häscher des neuen Regimes warten auf ihn
vor dem Landgericht. Auf Skiern flieht Olden über die winterliche Grenze
in die Tschechoslowakei, seine Frau folgt kurze Zeit später nach. Thilo Scholle studiert Jura in Münster. Literatur: Jungfer, Gerhard, Max Alsberg (1877 - 1933) - Verteidigung als
ethische Mission, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Streitbare Juristen. Eine
andere Tradition, 1988. |