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Migrationspolitik   Heft 4/2004
unmenschlich -
Migrationspolitik

Seite 110
 
 

Migration findet statt! Im Widerspruch zu diesem Faktum steht die europäische und deutsche Migrations- und Asylpolitik. Sie verfolgt in erster Linie die Bekämpfung von Flucht und Migration: Die Grenzen der EU werden hoch gerüstet. Eine europäische Grenzschutzagentur wird errichtet. Transit- und Herkunftsländer werden in die Flucht- und Migrationskontrolle einbezogen. Die Fingerabdruck-Datei EURODAC soll die Prüfung von Asylanträgen effizienter regeln. Dem gleichen Zweck dient auch die neue Visa-Verordnung mit nunmehr 130 visumpflichtigen Ländern. Der Beschluss der Asylverfahrensrichtlinie zur Harmonisierung des europäischen Asylrechts weicht zwar in einigen Punkten positiv von der rigiden deutschen Asylrechtslage ab, z.B. bei der Drittstaatenregelung, dennoch bietet die Richtlinie zahlreiche Ansatzpunkte, Asyl zu verhindern statt zu gewähren.
Trotz aller rechtlichen und tatsächlichen Beschränkungen gelingt MigrantInnen der Eintritt, Verbleib und das Reisen in Europa. Denn die Gründe, die Menschen zur Migration veranlassen, wie beispielsweise kriegerische Auseinandersetzung, Armut und Gewalt, bestehen fort. Die Notwendigkeit, das Herkunftsland zu verlassen, um sich in einem anderen Land eine Existenz aufzubauen, wird dadurch nicht weniger dringend, dass die EU Migration erschwert und Fluchtwege versperrt. Diese Strategien führen lediglich dazu, dass sich MigrantInnen unter Menschen verachtenden und lebensgefährlichen Bedingungen auf den Weg nach Europa machen müssen. Die Zahl derjenigen, die beim Versuch der Einreise in die EU ums Leben kommen, wächst beständig. Jährlich sterben mehrere hundert Menschen an den Außengrenzen der EU. Anstatt Menschen in ausweglosen Situationen ein Zufluchtsort zu sein und den Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention nachzukommen, bedrohen die EU-Mitgliedsstaaten selbst das Leben der Flüchtlinge.
Ist MigrantInnen der Weg in die EU geglückt, bleiben viele von ihnen weiterhin Zielscheibe staatlicher Diskriminierungspolitik. Nur wenige MigrantInnen erhalten von Anfang an unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. AsylbewerberInnen wird in der BRD nur in seltenen Fällen Asyl gewährt. Sie dürfen erst nach einem Jahr Sperrfrist und auch dann nur nachrangig arbeiten, bekommen gegenüber der Sozialhilfe abgesenkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und sind in ihrer Bewegungsfreiheit aufgrund der Residenzpflicht eingeschränkt. Bei negativer Bescheidung ihres Antrags sind sie jederzeit von Abschiebung bedroht. Ausreisepflichtige Personen können bei Fluchtgefahr in den Abschiebeknast wandern. In einigen Bundesländern wurden bereits so genannte Ausreisezentren eingerichtet, in denen Flüchtlinge und MigrantInnen, die aufgrund fehlender Papiere nicht abgeschoben werden können, kaserniert werden, um sie zur "freiwilligen" Ausreise zu bewegen. Insofern wundert es nicht, dass es eine beträchtliche Anzahl von Menschen gibt, die sich dem staatlichen Zugriff entziehen und in der "Illegalität" leben, ohne Garantie die jedem Menschen innewohnenden Menschenrechte jederzeit wahrnehmen zu können. Eine menschliche Migrationspolitik sieht anders aus...