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Frauenrechte unter Vorbehalt   Heft 2/2005
mehr Theorie wagen
Ansätze der Rechtskritik

Seite 66
 
 

Der Hamburger Senat kürzt drastisch die Fördermittel für Frauenhäuser. Wurden im Jahr 2003 noch rund 2,4 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, sind für das Jahr 2006 nur noch 1,85 Mio. Euro im Haushalt veranschlagt. Infolgedessen sollte das erste Hamburger Frauenhaus ursprünglich zum ersten Januar 2005 schließen, womit 44 von 207 Frauenhausplätzen in Hamburg ersatzlos gestrichen wären.1
Nun ist es jedoch nicht so, dass die Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen zurückgegangen wäre. Eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend2 beweist das Gegenteil. 37 % aller Befragten gaben an, seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche Gewalt erlebt zu haben. 13 % der befragten Frauen, also fast jede siebte Frau, wurden Opfer sexueller Gewalt. Gewalt gegen Frauen findet überwiegend im häuslichen Bereich statt und wird zum Großteil von meist männlichen Beziehungspartnern ausgeübt. Diese theoretischen Erkenntnisse stützt auch die Praxis in Hamburg: die Frauenhäuser - Fluchtstätte in solchen Situationen - sind zu über 100 % ausgelastet.
Dennoch sieht Sozialsenatorin Schnieber-Jastram in diesem Bereich Kürzungspotential. Die Reduzierung der Frauenhausplätze legitimiert sie unter anderem mit den veränderten Rahmenbedingungen aufgrund des Gewaltschutzgesetzes und der Einrichtung der "Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt - pro aktiv". Mit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes gibt es die Möglichkeit, gegen Täter einen Platzverweis auszusprechen. Die Interventionsstelle kann daher betroffenen Frauen helfen, einen Platzverweis zu erreichen, damit sie nicht in ein Frauenhaus flüchten müssen, sondern ihre Wohnung behalten können. Erfahrungen mit dem Gewaltschutzgesetz in Österreich sowie Ergebnisse der Modellversuche in einigen Bundesländern zeigen jedoch, dass das Gewaltschutzgesetz das Frauenhausangebot ergänzt und nicht ersetzt. Viele der betroffenen Frauen fühlen sich in der ehemals gemeinsamen Wohnung nicht sicher genug und wollen nicht dort bleiben. Außerdem werden die gesetzlichen Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes von einer anderen Gruppe Frauen in Anspruch genommen, als von jenen, die gewöhnlich im Frauenhaus Zuflucht suchen. Diese Erkenntnisse wurden schlicht ignoriert.

Migrantinnen aus Hamburger Frauenhäusern verbannt

Die Sozialbehörde begründet die Mittelkürzung ferner damit, dass Duldungs- und Gestattungsinhaberinnen künftig vom Frauenhausangebot ausgegrenzt werden. Gestattungsinhaberinnen im Asylverfahren seien ohnehin öffentlich untergebracht.
Flüchtlings-Frauen, die lediglich eine Duldung besitzen, sind grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet. Daher sei es den Migrantinnen zuzumuten, im Falle häuslicher Gewalt Schutzangebote im Rahmen der öffentlichen Unterkunft wahrzunehmen. Dazu werden keine speziellen Unterkünfte bereit gehalten. Vielmehr stehen laut Auskunft des Senats alle öffentlich-rechtlichen Zuwanderungsunterkünfte in Hamburg zur Verfügung, um den Schutz und die Anonymität der misshandelten Frauen und Kinder zu gewährleisten.3
Angesichts des Todes einer 27-jährigen Asylbewerberin, die in Hamburg von ihrem Ehemann erstochen wurde, mutet diese Begründung mehr als zynisch an. Die Afghanin lebte von ihrem Mann getrennt. Sie fühlte sich von ihm verfolgt und bedroht. Das war dem Träger der Flüchtlingsunterkunft "pflegen & wohnen" auch bekannt. Dennoch wurde ihr nicht empfohlen, ins Frauenhaus zu gehen, obwohl bekannt war, dass die öffentliche Unterkunft keine vergleichbare Sicherheit bieten kann. Anders als im Frauenhaus sind die Türen unverriegelt und auch Männer leben dort. Maßgeblich war allein die Tatsache, dass die Frau lediglich über eine Duldung verfügte und damit zu jener Gruppe der Frauen zählte, die dem Willen des Hamburger Senats zufolge aus Kostengründen nicht mehr in Frauenhäusern untergebracht werden sollte.
Da nach Erkenntnis der Frauenhäuser die Gruppe der vom Frauenhausangebot ausgegrenzten Migrantinnen nur ca. ein Prozent der Bewohnerinnen in Hamburger Frauenhäusern ausmacht, kann vermutet werden, dass hier reine Ausgrenzungspolitik betrieben wird, da der Spareffekt minimal ist. Vorgeschobene Sparpolitik und rassistische Motive kreuzen sich zu einer tödlichen Mischung. Das Grund- und Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie die daraus resultierenden staatlichen Schutzpflichten werden einfach missachtet.
Ein Antrag auf einstweilige Anordnung, mit dem der Trägerverein des von Schließung bedrohten Frauenhauses Frauen helfen Frauen e.V. vor den Verwaltungsgerichten4 die weitere Förderung sowie die Aufhebung der Ausgrenzung von geduldeten Frauen erstreiten wollte, wurde abgelehnt. Der Antrag scheiterte der Begründung der Gerichte zufolge im Wesentlichen daran, dass die Kürzung der Fördermittel und die Ausgrenzung von Migrantinnen mit Duldungsstatus den Trägerverein nicht in eigenen Rechten verletzen und er daher auch nicht klagebefugt ist. Eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Politik des Senats die Rechte betroffener Frauen verletzt, würde also nur dann erfolgen, wenn eine betroffene Frau selbst klagt. Die 27-jährige Afghanin kann das nicht mehr...

Lena Dammann promoviert in Hamburg

Anmerkungen

1 Bis Ende März 2005 konnte der Sozialbehörde eine weitere Förderung abgerungen werden.
2 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland, 2004.
3 Bürgerschaftsdrucksache der Freien und Hansestadt Hamburg 18/1286 v. 30.11.2004.
4 Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg, v. 09.11.2004, Az 13 E 4099/04; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Hamburg, 1 Bs 535/04.