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In der europäischen Integration hat der Diskriminerungsschutz immer eine
wichtige Rolle gespielt, hauptsächlich, um die freie Entwicklung des Wirtschaftsraumes
zu fördern. Vor dem Hintergrund verschiedener bestehender faktischer Diskriminierungen
wurde schon länger eine weiter gehende Kompetenz der EU zur Regelung des
Diskriminierungsschutzes gefordert und schließlich im Amsterdamer Vertrag
mit Art. 13 EG-Vertrag umgesetzt. Die EU hat mit den Richtlinien (RL)
2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG und zuletzt 2004/113/EG einen verpflichtenden,
europäischen Standard des Diskriminierungsschutzes festgeschrieben. Vor
staatlicher Diskriminierung, also willkürlicher Gleich-/Ungleichbehandlung,
schützt zwar in Deutschland das Grundgesetz (GG) umfassend, im Privatrecht
wirkt es aber nur mittelbar über die zivilrechtlichen Generalklauseln
und die Rechtsanwendung der Gerichte. Weil Gleichheitsgesetzgebung im
einfachen Recht bisher nur in Teilbereichen erfolgte, fehlt es an einem
effektiven, umfassenden Diskriminierungsschutz.
Das Justizministerium hatte 2001 einen Gesetzentwurf zur "Durchsetzung
des Gleichbehandlungsgebotes" vorgestellt, der aber kurz vor den Wahlen
nicht mehr in den Bundestag (BT) eingebracht wurde. Erst jetzt, drei Jahre
später, wurde ein Fraktionsentwurf in den BT eingebracht und nach der
ersten Lesung zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen.
In zahlreichen Stellungnahmen und der öffentlichen Anhörung der Sachverständigen
und Verbände forderten auch BefürworterInnen zu Recht noch Verbesserungen
des ADG-E. KritikerInnen meinen dagegen, der Entwurf weite mit der "großen
Lösung" den Schutz auf Merkmale aus, die in den RL nicht gefordert sind.
Dabei wird häufig übersehen, dass neben den RL auch verfassungsrechtliche
Standards wie das Gebot der Rechtssetzungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1
GG zu beachten sind. Andere sehen mit dem ADG sogar schon die Privatautonomie
in Gefahr. Aber der Schutz der Selbstbestimmtheit, auch gegen private
Macht, dient nicht der Beschränkung der Privatautonomie, sondern soll
ihr universelle Geltung verschaffen.
Besonders emotional wird die Debatte um eine befürchtete Prozessflut geführt.
Doch kann man ein Schutzgesetz kritisieren, weil es besonders wirksam
ist? Wohl kaum, es ist rechtspolitisch gewollt, Benachteiligte zu ermutigen,
Schutz gegen Diskriminierung notfalls auch mit dem "scharfen Schwert"
des Gesetzes zu suchen. Und schließlich kann ein verbesserter Rechtschutz
auch präventiv und damit einer Prozessflut entgegen wirken.
Es bleibt zu hoffen, dass der Entwurf beschlossen wird - nicht zuletzt
wegen des verheerenden Signals, das von einem Vertragsverletzungsverfahren
wegen der abgelaufenen Umsetzungsfrist ausgehen würde.
Lamine Clausnitzer, Berlin
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