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Das Bild ging um die Welt: Eine unscharfe Gestalt in einem, wie es schien,
schwarzen Kapuzenmantel, auf einer Kiste stehend, die Arme ausgestreckt,
mit von den Händen herabhängenden Kabeln. Doch der letztlich Hauptverantwortliche
für Folter und Misshandlung im irakischen Gefängnis Abu Ghraib wird vorerst
nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Zumindest nicht in Deutschland.
Am 10. Februar 2005 hat Generalbundesanwalt Kay Nehm entschieden, kein
Ermittlungsverfahren gegen Donald Rumsfeld zu eröffnen.
Angezeigt hatte die Menschenrechtsorganisation "Center for Constitutional
Rights" (CCR) den amerikanischen Verteidigungsminister zusammen mit einigen
seiner Untergebenen wegen der Beteiligung an Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch
(VStGB). Nach dem Anzeigentext sind in Abu Ghraib zwischen dem 15. September
2003 und dem 8. Januar 2004 eine Reihe von Gefangenen geschlagen und getreten
worden. Ein Häftling sei dabei gestorben. Inhaftierte seien massiv sexuell
belästigt und in einem Fall auch vergewaltigt worden. Man habe den Gefangenen
die Kleidung weggenommen, sie in sonstiger Weise bewusst erniedrigend
behandelt und zu ihrer Einschüchterung Hunde eingesetzt. Häftlinge seien
für längere Zeit in so genannten Stresspositionen gefesselt gewesen, Isolationshaft
sei den Gefangenen angedroht und an einigen von ihnen vollzogen worden.
Das CCR wirft den Angezeigten vor, sich als zivile und militärische Vorgesetzte
der unmittelbar Handelnden nach den §§ 4, 13, 14 VStGB strafbar gemacht
zu haben. Sie sollen ihren Untergebenen die Behandlung der Gefangenen
betreffende Anweisungen gegeben haben, die gegen international geltende
Schutzvorschriften wie die UN-Folterkonvention verstießen. Trotz ihrer
Kenntnis von den Misshandlungen hätten sie keine Schritte zur Verhinderung
weiterer Übergriffe und zur Ahndung der bereits begangenen Misshandlungen
unternommen.
Ausschlaggebend für die Entscheidung des Generalbundesanwalts war folgende
Überlegung: Zwar gelte für die im VStGB unter Strafandrohung gestellten
Verbrechen das Weltrechtsprinzip, nach dem die Straftat keinerlei Inlandsbezug
aufweisen müsse. Dieses Prinzip legitimiere jedoch nicht ohne weiteres
eine uneingeschränkte Strafverfolgung. Ziel des VStGB sei es, Strafbarkeits-
und Strafbarkeitsverfolgungslücken zu schließen. Hier bestünden jedoch
keine Anhaltspunkte, dass die Behörden und Gerichte der Vereinigten Staaten
von Amerika wegen der geschilderten Übergriffe von strafrechtlichen Maßnahmen
Abstand genommen hätten. So seien wegen der Vorgänge von Abu Ghraib bereits
mehrere Verfahren gegen Tatbeteiligte durchgeführt worden. Dass es sich
dabei jedoch ausschließlich um "kleine Fische" gehandelt hatte, hält Nehm
nicht für erwähnenswert.
Constanze Oehlrich, Berlin
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