xxx

  Forum Recht Redaktion   Forum Recht Home

 

Schwerpunkt   Heft 2/2005
mehr Theorie wagen
Ansätze der Rechtskritik

Seite 38
Ansätze der Rechtskritik  
 

Für die politische Linke war das Recht schon immer ein Phänomen, das nicht nur nach aktivem politischen Handeln verlangte, sondern auch theoretisch erfasst werden wollte. Die Reflektion darüber, ob rechtsförmig ausgeübte Herrschaft nur eine andere Form gesellschaftlicher Unterdrückung oder aber zumindest potentiell einen Gewinn an Rationalität und individueller Freiheit darstellt, ist für das praktische politische Engagement immer relevant. In der Auseinandersetzung mit dieser Frage überschneiden sich vielfach marxistische mit liberalen Denktraditionen zu widersprüchlichen oder Gewinn bringenden Perspektiven. So erscheint das Recht auch innerhalb linker Debatten zugleich als Instrument kapitalistischen Gewinnstrebens und als Mittel zur sozialstaatlichen Bändigung des Marktes, als Produkt demokratischer Verfahren und als Schutz des Individuums vor tyrannischen Mehrheiten, als Machtmittel imperialer westlicher Weltgeltung und als einziger Weg zur Sicherung eines gewaltfreien Friedens.
Dieser Stellenwert der Theorie ist heute ungebrochen. Gerade das Verständnis und die Bewertung schneller gesellschaftlicher sowie politischer Veränderungen setzt die Möglichkeit des Rückgriffs auf einen theoretischen Erklärungsrahmen voraus. Deshalb ist die Theoriegeschichte auch immer daraufhin zu befragen, welche Antworten sie für den Umgang mit aktuellen Problemen bietet - etwa mit der Beschreibung der Globalisierung, dem Um- bzw. Rückbau des Sozialstaats oder der Bewahrung von Demokratie auf nationaler und supranationaler Ebene. Um solche Phänomene zu verstehen, ist Beschäftigung mit Theorie gerade im Studium von großer Bedeutung.
Dieses Heft versucht, einen kleinen Ausschnitt der großen Vielfalt theoretischer Ansätze einer kritischen Rechtswissenschaft darzustellen. Es beginnt seinen Bogen in der aus den Vereinigten Staaten stammenden Bewegung der Critical Legal Studies, deren theoretische Debatten zwar immer auch von europäischem Gedankengut beeinflusst waren, gleichwohl aber eine ganz eigene Charakteristik entwickelt haben. Dabei lässt sich etwa in der akademischen Auseinandersetzung mit den Kategorien Geschlecht und Rasse eine viel breitere und intensivere Diskussion feststellen als in der hinsichtlich solcher Thematiken wenig offenen deutschen Wissenschaft. Zugleich werden die vielfältigen Einflüsse der postmodernen Philosophie aufgegriffen und für rechtliche Fragestellungen verarbeitet. Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen zu Sinn und Bedeutung juristischer Grundlagenarbeit öffnet die Auseinandersetzung mit spieltheoretischen Deutungen des Rechts eine häufig provokante aber dadurch manchmal auch Gewinn bringende Perspektive auf ganz konkrete rechtliche Probleme. Mit den theoretischen Grundlagen der praktischen Rechtsanwendung schließlich befasst sich auch der letzte Beitrag unseres Schwerpunkts, der am Beispiel der Justiziabilität wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte die Frage des Umgangs mit unbestimmten Rechtsnormen aufwirft.