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Kurt Eisner gesucht
--> Antifaschismus. München ist einmal mehr Schauplatz eines in
mehrfacher Hinsicht geschichtsvergessenen Strafverfahrens. Dort ist der
Aktionskünstler und Vorsitzende der Kurt-Eisner-Kulturstiftung Wolfram
Kastner verwarnt worden, weil er zum Allerheiligen am 1. November in Salzburg
eine Banderole der "Kameradschaft IV" mit der Aufschrift "Unseren gefallenen
Kameraden der Waffen-SS" abgeschnitten hatte. Die Schleife hatte Kastner
dann dem österreichischen Bundespräsidenten mit der Bitte geschickt, dem
seit 1954 alljährlich stattfindendem Gedenken der braunen Kameraden endlich
ein Ende zu bereiten.
Zuvor hatte Richterin Berneder vom Landgericht Salzburg in Deutschland
um Amtshilfe gebeten. Immerhin hatte der Verein der Alt-Nazis einen Schaden
von etwa 20 Euro zu beklagen und Strafanzeige gegen Kastner gestellt,
der sich auf Flugblättern namentlich als Mitglied der Kurt-Eisner-Kulturstiftung
zu der Aktion bekannt hatte. Die Richterin grüßte das Amtsgericht München
mit dem Ausdruck "vorzüglicher Hochachtung" und bat um "Ausforschung und
Einvernahme von Wolfram Kastner" sowie "Kurt Eisner".
Das Strafverfahren gegen den Namenspatron der Stiftung musste im Sande
verlaufen. Der Revolutionär Kurt Eisner, der im November 1918 den republikanischen
Freistaat Bayern ausrief und dessen erster Ministerpräsident war, wurde
am 21. Januar 1919 in München vom rechtsextremen Graf von Arco ermordet.
Arco wurde seinerzeit nach vier Jahren "Festungshaft" entlassen, er habe
"aus glühender Liebe zum Vaterland" gehandelt, urteilte damals das Gericht.
Während Richterin Berneder für ihr Anliegen jenen Eisner vernehmen zu
lassen, entsprechenden Spott erntete, fand sie in dem Verfahren gegen
den Künstler Kastner einen willigen Verbündeten in dem Münchener Staatsanwalt
Hoffmann. Dieser hielt "wegen des besonderen öffentlichen Interesses an
der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten" und stellte
Strafantrag gegen Kastner.
Dieser entgegnete: "Offenbar hat der Mann verschlafen, dass der Anschluss
Österreichs von 1938 nicht mehr rechtsgültig ist"; und bemerkte, dass
die Waffen-SS im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zu einer "verbrecherischen
Organisation" erklärt worden ist, nach deutschem Recht also "die demonstrative
öffentliche Ehrung der Waffen-SS und nicht das Entfernen einer Banderole
mit der Aufschrift ‚Waffen-SS' als Rechtsverstoß zu werten" sei. Kastner
will gegen die Verwarnung unter Strafvorbehalt in Revision gehen.
Demo online
--> Demonstrationsrecht. Vor dem Amtsgericht Frankfurt a.M. hat
der Prozess gegen die Initiatoren der bundesweit ersten "Online-Demo"
begonnen. Im Juni 2001 hatten über 13 000 TeilnehmerInnen mit einer virtuellen
Blockade die Internetseite der Fluggesellschaft Lufthansa zeitweise lahmgelegt.
Der Protest richtete sich gegen das lukrative Abschiebegeschäft des Konzerns.
Mit den Maschinen der Lufthansa werden jährlich mehrere tausend Menschen
abgeschoben, häufiger kam es zu Misshandlungen von Flüchtlingen und auch
zu Todesfällen.
Aus Protest gegen diese Abschiebepraxis hatten die antirassistischen Initiativen
Kein Mensch ist illegal und Libertad! im Rahmen ihrer "stop deportation.class"-Kampagne
zur Online-Aktion aufgerufen, die beim Kölner Ordnungsamt und der Polizei
formgerecht als Demonstration angemeldet worden war. Die Behörden unternahmen
nichts, um der Aktion Beschränkungen aufzuerlegen oder sie gänzlich zu
verbieten. Auch wenn die Homepage des Unternehmens während ihrer Aktionärsversammlung
kurzeitig blockiert wurde, konnte die Lufthansa AG keinen Schaden beziffern
und hat dementsprechend auf zivilrechtliche Schritte verzichtet.
Gleichwohl fanden im Oktober 2001 Hausdurchsuchungen des polizeilichen
Staatsschutzes im Frankfurter Büro von Libertad! und in den Wohnräumen
des Anmelders ihrer Internet-Domain statt. Mehrere Computer und Datenträger
wurden beschlagnahmt. Im Dezember letzten Jahres erhob die Staatsanwaltschaft
Anklage wegen "Nötigung" und der "öffentlichen Aufforderung zu Straftaten".
(s. Forum Recht 2005, 69). (www.libertad.de)
Lebenslang für Waffen-SS
--> Nationalsozialismus. Im Juni sind im italienischen La Spezia
zehn frühere Mitglieder der SS, darunter die Offiziere Gerhard Sommer,
Ludwig Sonntag und Alfred Schönenberg, in Abwesenheit zu lebenslanger
Haft verurteilt wurden. Am 12. August 1944 überfielen sie mit 400 anderen
Soldaten der 16. SS-Panzergrenadierdivision "Reichsführer-SS" das toskanische
Bergdorf Sant'Anna di Stazzema und töteten mit aller Grausamkeit 560 Menschen.
In der Region sind von der Waffen-SS und anderen Wehrmachtseinheiten insgesamt
etwa 10.000 italienische ZivilistInnen getötet wurden (s. Forum Recht
2004, 142).
Die Strafverfolgung der Täter setzte erst über ein halbes Jahrhundert
später ein. In Italien wurden die dokumentierten Verbrechen lange Zeit
in dem so genannten "Schrank der Schande" unter Verschluss gehalten, u.a.
um die Wiederbewaffnung des westdeutschen Bündnispartners nicht zu gefährden.
Die Täter wurden nicht nach Italien ausgeliefert. Die deutschen Ermittlungsbehörden
führen derweil ein eigenes Strafverfahren gegen die hochbetagten SS-Männer,
das sich aber gegen mehr als zehn Verdächtige richte und sich wegen des
Nachweises der einzelnen Tatbeiträge "problematisch" gestalte.
Beugehaft
--> §129a StGB. Vor dem Oberlandesgericht Halle hat das Revisionsverfahren
gegen den linken Aktivisten Daniel W. mit Beugehaft gegen einzelne Zeugen
begonnen. Daniel W. war vor zwei Jahren zusammen mit Marco H. und Carsten
S. wegen "Bildung einer terroristischen Vereinigung" nach §129a Strafgesetzbuch
angeklagt worden. Später wurde dieser Vorwurf zwar fallengelassen, Daniel
W. und Marco H. wurden jedoch in einem höchst fragwürdigen Indizienprozess
u.a. wegen Brandstiftung zu mehreren Monaten Haft verurteilt, Christian
S. wurde freigesprochen (s. Forum Recht 2004, 70). Marco H. und Christian
S. sollten nun in dem neuen Verfahren gegen ihren Genossen als Zeugen
aussagen. Dazu erklärten sie: "Wir werden auf keinen Fall Aussagen in
diesem Verfahren machen, da wir dies nicht mit unserem Gewissen und unserer
politischen Identität vereinbaren können". Die konsequente Aussageverweigerung
sei ein Versuch diesem politischen Verfahren offensiv entgegenzutreten.
(www.soligruppe.de)
(str)
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