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Die Bundesrepublik Deutschland nimmt laut Artikel 20 Grundgesetz für
sich in Anspruch, ein "sozialer" Bundesstaat zu sein. Zum Kernbereich
dieses so genannten Sozialstaatsprinzips gehört die soziale Absicherung
im Fall der Erwerbsunfähigkeit durch Alter, Krankheit, Invalidität und
im Fall der Arbeitslosigkeit. Die Finanzierung dieses Sozialversicherungssystems
ist aber schon seit längerer Zeit in akute Bedrängnis geraten. Mit der
"Agenda 2010", die auch das Hartz-Konzept umfasst, versucht die Bundesregierung
Abhilfe zu schaffen. Der diesem Umbau zugrunde liegende Trend ist deutlich:
Sozialleistungen werden immer weiter eingeschränkt, Arme und Kranke unter
Druck gesetzt.
Die möglichen Folgen einer solchen Politik sind abzusehen: Der neueste
Armutsbericht der Bundesregierung belegt, dass schon jetzt die Armen ärmer
und die Reichen reicher werden. "Während die unteren 50 Prozent der Haushalte
nur über etwas weniger als 4 Prozent des gesamten Nettovermögens verfügen,
entfallen auf die vermögendsten 10 Prozent der Haushalte knapp 47 Prozent."
Der Anteil des obersten Zehntels sei bis 2003 gegenüber 1998 um gut 2
Prozent gestiegen. Die jüngsten Reformen wurden dabei noch nicht berücksichtigt.
Eine der Hauptursachen für Armut und soziale Ausgrenzung ist die Arbeitslosigkeit.
Sozial gerechte Politik muss sich deshalb vorrangig an der Schaffung von
Arbeitsplätzen und der Integration Erwerbsloser in den Arbeitsmarkt orientieren.
Diesem Anspruch wird das vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt ("Hartz IV") jedoch in keiner Weise gerecht.
Hauptbestandteil des Gesetzes ist eine Kürzung der staatlichen Leistungen
in Gestalt der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Das bisherige
Arbeitslosengeld, die Leistung zum Lebensunterhalt aus der Arbeitslosenversicherung,
erhalten Arbeitslose nur noch maximal ein Jahr lang ("Arbeitslosengeld
I"). Danach sinkt die staatliche Unterstützung auf Sozialhilfeniveau ("Arbeitslosengeld
II"). Weitere Kürzungen drohen, wenn bei der Arbeitsagentur der Eindruck
entsteht, die oder der Arbeitssuchende wolle die ihr oder ihm angebotene
Arbeit nicht annehmen. Als zumutbar wird dabei grundsätzlich jede Arbeit
angesehen.
Die neuen Regelungen im Sozialgesetzbuch II führen die Arbeitslosigkeit
letztlich auf das persönliche Verschulden der Arbeitslosen zurück. Ein
Blick in die Gesetzesbegründung bestätigt diesen Eindruck: Zentrale Forderung
des neuen Leistungssystems ist "die Eigenverantwortung des Erwerbsfähigen,
der alle Möglichkeiten nutzen und seine Arbeitskraft einsetzen muss, um
seinen Lebensunterhalt zu bestreiten". Das aber ist angesichts der miesen
Wirtschaftslage nicht nur unredlich, sondern auch verantwortungslos.
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