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Gewalt gegen Frauen und das pakistanische Rechtssystem   Heft 4/2005
It's the equality, stupid!
Mit Recht gegen Diskriminierung

Seite 128
Das Beispiel der Frauenverbrennung  
 

Gewalt gegen Frauen ist in Pakistan in den verschiedensten Ausprägungen, vor allem in häuslicher Umgebung, aber auch am Arbeitsplatz und sonst in der Gesellschaft weit verbreitet. Gerade in diesem Jahr haben einige Fälle Pakistan bewegt und auch in der Weltöffentlichkeit Aufsehen erregt.1 Eine besonders grausame Form der Gewalt ist dabei das Anzünden oder Übergießen mit ätzender Säure. 181 solcher Verbrennungsopfer registrierte die Human Rights Commission of Pakistan für das Jahr 2004, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Auch wenn die Opfer oder ihre Familien oft angeben, sie hätten sich bei Explosionen des Ofens verletzt oder weil ihre Kleidung beim Kochen Feuer fing, handelt es sich in der überwiegenden Zahl der Fälle um häusliche Gewalt gegen Frauen, zumeist verübt durch den Ehemann oder die angeheiratete Familie. Wie kann es sein, dass solche Verbrennungen zuhauf begangen werden? Was macht das Recht, ganz abgesehen von Politik und Moral, falsch?
Nehmen wir Sumaira als Beispiel. Sie ist 20 Jahre alt, zu 70 % verbrannt, fast ihr ganzer Körper entstellt. Vor drei Tagen, so erzählt sie durch ihre Atemmaske, war sie allein zuhause, als ihre Nachbarn, mit denen ihre Familie schon länger im Konflikt stand, in ihr Haus eindrangen, sie mit Kerosin übergossen und anzündeten. Sumairas Familie, die sie im Krankenhaus beim Sterben begleitet, will auf jeden Fall ein Gerichtsverfahren anstrengen. Dass dies nicht einfach wird, ist ihnen sicherlich klar. Schon am Tag des Verbrechens hat Sumaira der Polizei die Namen der vermeintlichen Täter genannt und doch sind weder ihre Aussage auf Tonband aufgenommen noch die Beschuldigten verhört oder gar festgenommen worden.

Diskriminierende Gesetze

Tatsächlich ist vieles am pakistanischen Rechtssystem zu kritisieren: Die veralteten, noch aus britischen Kolonialzeiten übernommenen Gesetze und Strukturen, das Fehlen rechtsstaatlicher Verfahren, die extreme Überlastung der Gerichte, Korruption und Ineffizienz... Die Erlangung von Recht ist daher für alle Menschen schwierig. Selbstredend trifft dies insbesondere alle sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Was Frauen (neben religiösen Minderheiten) jedoch zusätzlich belastet und ihre Lage von der in anderen Entwicklungsländern unterscheidet, ist die Tatsache, dass insbesondere im Strafrecht Frauen diskriminierende Gesetze bestehen.
Beispiel dafür sind die Qisas und Diyat laws von 1990 bzw. 1997, die mangels speziellerer Gesetze auch in Fällen der Frauenverbrennung einschlägig sind. Sie stehen hinter den Hudood Laws von 1979, die u.a. die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung behandeln, und dem Beweisrecht (Law of Evidence, Qanoon-e-Shahadat) von 1984 in Kritik. Die Qisas und Diyat laws entstammen dem islamischen Recht und regeln die Strafbarkeit von Taten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Qisas, die Vergeltung, und Diyat, die Entschädigung, stellen dabei Strafformen dar.
Rolle der Opfer oder der Erben des Opfers ist es, eine der Strafformen zu fordern oder dem Täter zu vergeben. Wird auf Vergeltung verzichtet oder ist diese ggf. rechtlich nicht zulässig, so steht die Bestrafung gewöhnlich im Ermessen des Richters. Unter diesen Umständen hat der Richter nicht nur über das Strafmaß zu entscheiden, sondern auch darüber, ob überhaupt zu bestrafen ist. Das weite Ermessen des Richters stellt jedoch Einbruchstellen für seine Normvorstellungen dar. Unabhängig davon, ob diese Gesetze theoretisch sinnvoll sind, ergeben sie daher zusammen mit den im Justizsystem vorherrschenden religiösen Vorstellungen und Vorurteilen gegen Frauen eine Bedrohungslage für das weibliche Opfer. In Anbetracht dessen, dass Frauenverbrennungen meist familienintern stattfinden, werden das Opfer oder seine Erben dem Druck durch die anderen Familienangehörigen ausgesetzt, sich nicht zu hart, wenn überhaupt, gegen den Täter zu wenden. Darüber hinaus macht monetäre Kompensation auch keinen Sinn, wenn das Geld in der Familie bleibt und daher nur theoretisch ein Täter-Opfer-Ausgleich stattfindet.
Letztlich ist die Bestrafung derer, die Sumaira töteten, die Entscheidung ihrer Familie. Bei den praktischen Belastungen und den Vorurteilen gegen Frauen im pakistanischen Justizsystem ist es fraglich, ob die Angehörigen die Hoffnung auf ein gerechtes staatliches Urteil behalten werden und die Kraft und den Willen finden, das Gerichtsverfahren bis zu einem Urteil voranzutreiben. Den Staat trifft aber die Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bevölkerung. Eine solche Privatisierung des Strafrechts darf es daher nicht geben.

Sabiha Beg studiert Jura und lebt in Hamburg.

Anmerkungen:

1 Vgl. www.peacewomen.org/news/Pakistan/news.html.

Literatur:

Ahmad, Eqbal, War on Women, in: Ahmad, Dohra/ Ahmad, Iftikhar/ Mian, Zia (Hrsg.), Between Past and Future - Selected Essays on South Asia by Eqbal Ahmad, Oxford University Press/ Karachi (Pakistan) 2004, 235-238.
Jahangir, Asma/ Jilani, Hina, The Hudood Ordinances - A divine sanction?, Sang-e-Meel Publications, Lahore (Pakistan) 2003.
Sardar Ali, Shaheen, Gender and human rights in Islam and international law: equal before Allah, unequal before man?, Kluwer Law International, Den Haag 2002.
Human Rights Commission of Pakistan, State of Human Rights in 2004, 2005, http://www.hrcp-web.org/ar_2004.cfm.
Human Rights Watch: Crime or Custom? - Violence against Women in Pakistan, 1999, http://www.hrw.org/reports/1999/pakistan.
Shirkat Gah Women's Resource Centre (Hrsg.), Towards a Better Tomorrow - Report of the Commission of Inquiry for Women, 1997.