|
Bereits in den 1970er Jahren wurde die Rasterfahndung zur Terrorbekämpfung
angewandt. Sie führte jedoch zur Verhaftung nur eines RAF-Mitglieds, das
sich in einer durch Rasterfahndung ermittelten Wohnung aufhielt. Nach
dem 11. September 2001 hatte die Rasterfahndung ihr Comeback. Mögliche
"Schläfer" sollten identifiziert werden. 5,2 Millionen Datensätze wurden
auf Verlangen der Landeskriminalämter an diese von Registerbehörden, Ämtern
und Universitäten weitergeleitet. So auch in Nordrhein-Westfalen, das
sich auf § 31 Polizeigesetz von NRW in der Fassung von 1990 (PolG 1990
NRW) stützte. Jedoch wurde kein einziger "Schläfer" gefunden. Gegen diese
Maßnahme hat ein betroffener, in NRW lebender marokkanischer Student bis
vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geklagt - erfolgreich.
Das Urteil schob der so eifrigen Rasterfahndung, die nach der Humanistischen
Union nicht mit einem demokratischen Rechtsstaat zu vereinbaren sei, da
sie ohne Tatverdacht, ohne Tat und ohne konkrete Gefahr auf eine völlig
unbestimmte Anzahl von Bürgern ziele, einen kleinen Riegel vor. Laut BVerfG
verletze die Maßnahme den Studenten in seinem Recht auf informationelle
Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Zwar sei die
Maßnahme auf eine verfassungsmäßige Eingriffsgrundlage gestützt (§31 PolG
1990 NRW); deren zu weite Auslegung sei aber verfassungswidrig: Kann keine
konkrete Gefahr nachgewiesen werden, so sei die Maßnahme und demnach auch
die Eingriffe, die damit einhergingen, nicht gerechtfertigt. Eine Gefahr
könne zwar auch eine Dauergefahr sein, zu deren Feststellung bedürfe es
aber weiterer konkreter Tatsachen, die etwa auf Vorbereitung oder Durchführung
terroristischer Anschläge hindeuten. Eine allgemeine Bedrohungslage, wie
sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001
durchgehend bestanden habe, reicht immerhin nicht aus.
Die Konsequenz, die die anderen Bundesländer aus dem Urteil ziehen müssen,
heißt: Nachbessern! Denn die meisten Länder postulieren in ihren Polizeigesetzen
überhaupt kein Erfordernis einer Gefahr. Somit erleichtern sie die unterschiedslose
Rasterung völlig Unverdächtiger, die schon für eine allgemeine Bedrohungslage,
geschweige denn für eine konkrete Gefahr keinerlei Verantwortung tragen.
So bürgerrechtsfreundlich das Urteil beim Lesen der Argumente klingen
mag, beinhaltet es keine generelle Absage an Vorfeldeingriffe.
Die Rasterfahndung bleibt ein politisch fataler Versuch, auf Kosten von
Minderheiten Stimmung, und hartes Durchgreifen medienwirksam zu machen
und die Öffentlichkeit an rücksichtsloses polizeiliches Vorgehen zu gewöhnen.
Im Rahmen der Rasterfahndung, egal welchen Anforderungen sie entsprechen
muss, ist der Grundrechtsschutz nicht gewährleistet.
Sophie Rotino, Freiburg
|
|