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Am 29.06.2006 entschied der U.S. Supreme Court im Fall Hamdan v. Rumsfeld,
dass die von Präsident Bush errichteten Militärkommissionen, welche die
in Camp Delta, Guantánamo, festgehaltenen "feindlichen Kombattanten" aburteilen
sollten, mit US-Militärrecht und den Genfer Konventionen unvereinbar sind.
Als Präjudiz zieht das Urteil zudem die Grenzen der Machtbefugnisse des
Präsidenten im "war on terrorism" deutlich enger als von der Regierung
beansprucht.
Der Guantánamo-Häftling Salim Ahmed Hamdan wurde 2004 der Verschwörung
gegen die USA vor einer Militärkommission angeklagt, deren Rechtsgrundlage
und Verfahrensordnung in Anordnungen des Präsidenten bestanden. Der von
Hamdan eingereichte Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Behandlung
erreichte 2005 das höchste Bundesgericht.
Das Gericht musste sich zunächst Zugang zur Zuständigkeit verschaffen.
Dieser im Wege stand der Detainee Treatment Act vom 30.12.2005, in dem
der Kongress bestimmte, dass kein Gericht habeas-corpus-Anträge aus Camp
Delta prüfen darf. Ob die nach der Verfassung bedingt mögliche Suspendierung
des Grundrechts auch materiell Bestand hat, wurde nicht geprüft. Die Richtermehrheit
entschied nur, dass das Gesetz die bereits anhängigen Verfahren gar nicht
berührt. Diese Verneinung einer vom Gesetzgeber möglicherweise gewollten
Rückwirkung ist der Schwerpunkt der Kritik in den Sondervoten, die eine
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit emphatisch ablehnen.
Somit in der Sache zuständig sprachen die die Entscheidung tragenden fünf
Gerichtsmitglieder dem Präsidenten zwar nicht die Befugnis ab, im Kriegszustand
mittels Militärkommissionen eine Art Standgerichtsbarkeit auszuüben. Auch
seien diese "war powers" durch die Kongress-Resolution "Authorization
for Use of Military Force" (AUMF, 18.09.2001) aktiviert worden. Jedoch
sei die Ermächtigung zu unbestimmt um bestehendes Gesetzesrecht zu verdrängen.
So legt der Uniform Code of Military Justice (UCMJ) fest, dass Verfahrensgrundsätze
der Militärgerichtsbarkeit soweit wie praktisch möglich auch für Militärkommissionen
gelten. Insbesondere da vor Guantánamo-Kommissionen die gegen die Beschuldigten
vorgebrachten Beweise der Verteidigung vorenthalten werden können und
die Berufungsmöglichkeit an zivile Gerichte beschränkt ist, sah der Supreme
Court eine Verletzung des UCMJ. Aus jenen Gründen mangelt es den Kommissionen
auch an den in Artikel 3 der Genfer Konventionen zugesagten "unerlässlichen
Rechtsgarantien".
Die neue Entscheidung wird wohl auch für die Beurteilung anderer "war
on terror"-Maßnahmen maßgebend: So findet zum Beispiel die umfassende
Überwachung aller Auslandstelefonate durch die National Security Agency
entgegen ausdrücklichem Gesetzeswortlaut statt - ebenfalls unter Berufung
auf die AUMF-Sondervollmachten.
Michael J. Zeder, Nürnberg
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