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Flirten, Lästern, Tratschen. Und niemand hört mit.
"Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und
ihre näheren Umstände [...]"
§ 85 Telekommunikationsgesetz, beschlossen vom Deutschen Bundestag.
Entscheidungen für die Freiheit. Deutscher Bundestag
Mit diesem Slogan hat der Deutsche Bundestag Ende Mai 2002 eine Anzeigen-
und Plakat-Kampagne zur Imagewerbung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
gestartet. Abgesehen von einer etwas kruden Vorstellung von den Kommunikationsinhalten
junger Menschen beinhaltet die Anzeige eine drastische Fehlinformation.
Die Möglichkeiten des Staates, den Telekommunikationsverkehr der Bevölkerung
zu überwachen, d.h. mitzuschneiden, zu speichern oder sonstige Auskünfte
von den Telekommunikationsunternehmen einzuholen, sind vielfältig und
werden zudem ständig erweitert.
Gesetzlich zur Telekommunikationsüberwachung ermächtigte Sicherheitsbehörden
sind die Strafverfolgungsbehörden, also Staatsanwaltschaft und Polizei,
und die Geheimdienste, also das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz,
der Bundesnachrichtendienst (BND, Inlandsgeheimdienst) und der Militärische
Abschirmdienst (MAD, Auslandsgeheimdienst). Sie können Telekommunikationsdaten
der BürgerInnen unter bestimmten Voraussetzungen in drei unterschiedlich
intensiven Stufen ausforschen. Zunächst kann von den Telekommunikationsunternehmen
Auskunft über Name, Adresse und Rufnummer bzw. E-Mail-Adresse einer bestimmten
Person verlangt werden. Die nächste Stufe ist die Herausgabe der so genannten
Verbindungsdaten (Wann wurde wie lange mit welcher anderen Rufnummer telefoniert?
Wann wurde an welche andere E-Mail-Adresse geschrieben? Zu welchem Zeitpunkt
befand sich ein Mobiltelefon in welcher Funkzelle, also an welchem Standort?)
durch die Telekommunikationsunternehmen. Schließlich kann der gesamte
Telekommunikationsverkehr bestimmter Personen mitgehört, mitgeschnitten
bzw. bei E-Mail und WWW vollständig gespeichert werden.
Neben diesen Eingriffen wird derzeit der Einsatz des so genannten IMSI-Catchers
viel diskutiert. Mit diesem mobilen Gerät können die Gerätekennungen von
Mobiltelefonen in einem bestimmten Umkreis "eingefangen" werden, um anhand
der Kennung z.B. eine Abhörmaßnahme einleiten zu können. Umgekehrt kann
auch der Standort von Mobiltelefonen festgestellt werden, deren Gerätekennung
bekannt ist.
Alle können betroffen sein
Nun ließe sich vielleicht ein beruhigender Einwand nach dem Prinzip "es
wird schon die richtigen treffen, ich lasse mir ja nichts zu Schulden
kommen" erheben. Doch das ist zu kurz gedacht.
Zunächst ist es gar nicht mal so schwer, in das Blickfeld der Staatsmacht
zu geraten. Gerade im Bereich der politischen Arbeit gibt es ganz erstaunliche
Beispiele der umfassenden Überwachung z.B. von Antifa-Gruppen oder auch
CASTOR-GegnerInnen. Dazu kommt aber, dass Telekommunikationsüberwachung
schon per Definition immer auch völlig Unbeteiligte trifft, denn zur Kommunikation
gehören nun mal immer mindestens zwei Personen, d.h. bei Überwachungsmaßnahmen
werden völlig zufällig auf den Plan tretende Menschen notwendigerweise
mitbelauscht oder es wird z.B. registriert, dass sie eine E-Mail von der
eigentlich überwachten Person bekommen haben.
Eine noch weitergehende Betroffenheit von Unbeteiligten wäre die Folge,
wenn - wie von einigen VerfechterInnen der "Inneren Sicherheit" gefordert
- demnächst die Telekommunikationsunternehmen verpflichtet werden, die
Verbindungsdaten aller NutzerInnen über eine bestimmte Zeit, z.B. ein
halbes Jahr oder mehr, zu speichern. Das würde bedeuten, dass riesige
Bestände persönlicher Daten angelegt würden, aus denen hervorgeht, mit
wem jedeR im letzten halben Jahr telefoniert hat, mit wem E-Mails ausgetauscht
wurden, vielleicht sogar welche WWW-Seiten in dieser Zeit besucht wurden
und durch welche Funkzellen das Mobiltelefon bewegt wurde.
Ich hab doch nix zu verbergen
... behaupten an dieser Stelle viele. Auch über diese Aussage sollte
man gründlich nachdenken. Letztlich gibt es wohl niemanden, der oder die
von sich ernsthaft behaupten kann, es gäbe nichts, was eigentlich niemand
oder zumindest nur bestimmte ausgesuchte Menschen über die eigene Person
erfahren sollen. Was dieser lohnende Selbsttest gefühlsmäßig zeigt, lässt
sich rechtlich folgendermaßen umschreiben: Zur Würde eines Menschen zählt
insbesondere auch das Selbstbestimmungsrecht. Tritt nun aber der Fall
ein, dass der oder die BürgerIn weiß, dass ein Großteil der eigenen Verhaltensweisen
dem Staat bekannt werden wird oder dass zumindest höchst aufschlussreiche
Datenbestände irgendwo gespeichert werden, wird dies die Verhaltensweisen
der Menschen beeinflussen. Sie werden versuchen, möglichst wenig von der
(wie auch immer bestimmten) Norm abzuweichen, um nicht aufzufallen und
nicht anzuecken. Durch dieses Vermeidungsverhalten wird das für das demokratische
Zusammenleben so wichtige Selbstbestimmungsrecht der Menschen untergraben,
das auch im Grundgesetz (GG) (Schutz des Fernmeldegeheimnisses, Artikel
10 GG / Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Artikel 2 Abs.
1 GG i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG) seinen Niederschlag gefunden hat. Davon
ist jedoch wie gesehen nicht viel übrig geblieben.
Was ist also zu tun, um dem etwas entgegenzusetzen? Im großen, gesellschaftlichen
Rahmen gilt es, sich politisch gegen den ständigen Ausbau von Überwachungsmöglichkeiten
der Sicherheitsbehörden zu engagieren. Im Kleinen, im persönlichen Bereich
ist vor allem wichtig, sich immer bewusst zu machen, wo man Datenspuren
hinterlässt und diese, wo das machbar ist, auch möglichst zu verwischen.
Gerade im Bereich der Internetkommunikation sind die technischen Möglichkeiten
dazu vorhanden. Sie müssen nur verbreitet und angewendet werden.
Jan Gehrken lebt und studiert in Hamburg.
Literatur:
allgemein:
Funk, Albrecht, Cybercrime. Die Zukunft elektronischer Überwachung,
in: Bürgerrechte & Polizei (CILIP) 1/2002, 6 ff.
(und die weiteren Artikel in CILIP 1/2002).
Verschlüsselung und Anonymisierung im Internet:
http://www.datenschutzzentrum.de.
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