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"Mit ENFOPOL wird den Sicherheitsbehörden prinzipiell die Möglichkeit
jeglicher Manipulation elektronischer Kommunikation eröffnet", kritisiert
Ute Bernhardt vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
Verantwortung (FIfF). Gemeint sind Beschlußvorlagen der Arbeitsgruppe
"ENFOPOL" der europäischen Innen- und Justizminister zur EU-weit einheitlichen
Überwachung elektronischer Kommunikation aller Art.
Diese internen Papiere wurden in den letzten Wochen vom Internet-Magazin
Telepolis veröffentlicht. Sie sehen unter anderem einen Zugriff der Sicherheitsbehörden
auf Paßwörter, PINs und andere Zugangscodes sowie auf Kontoverbindungs-
und Gebührendaten vor. Diese Daten sind laut FIfF für die reine Überwachung
nicht erforderlich, ermöglichen aber die Manipulation der Kommunikation.
Die Begehrlichkeit der LauscherInnen gilt darüber hinaus allen Kommunikationsschnittstellen,
sie fordern den technisch extrem aufwendigen sekundenschnellen Zugriff
auf alle Internetknoten und (Mobil-)Telefonvermittlungen.
Der SPD-Internetexperte Jörg Tauss spricht von "Lauschangriff hoch zehn"
und bezeichnet den Entwurf als rechtsstaatlich und wirtschaftlich fahrlässig.
Den zuständigen Beamten attestiert er teilweise "ein Steinzeitverständnis
neuer Technologie", man wolle ohne genaue Kenntnisse die Überwachungsmöglichkeiten
herkömmlicher Telefonverbindungen einfach auf Datennetze übertragen. Englische
Provider warnen vor "astronomischen Kosten" der Pläne, die dann auf die
Kunden zurückfielen. Ein Beschluß des Entschließungsentwurfs durch den
Rat der Innen- und JustizministerInnen wäre zwar nur eine nicht rechtsverbindliche
"politische Willenserklärung", beruhigen PressesprecherInnen bei EU-Kommission
und Innenministerium. Faktisch folgte ähnlichen Entschließungen in den
letzten Jahren aber häufig sofort die zügige Umsetzung in nationales Recht.
Anders als bei den klassisch für den EU-Ministerrat vorgesehenen Entscheidungsformen
entfällt so die Beteiligung des EU-Parlaments und - sofern die nationalen
Regierungen per Verordnung handeln können - auch die der nationalen Legislative.
Telepolis vermutet, daß der Entwurf noch im Frühjahr verabschiedet wird,
ebenso deuten die Pressemitteilungen der Europäischen Kommission auf eine
zügige Verabschiedung. Die nächste Sitzung fand nach Redaktionsschluß,
wahrscheinlich am 12. März, in Brüssel statt. Die Initiative "Freedom
for Links" ruft zu Protestschreiben an Innenministerium und EU-Stellen
auf.
Tillmann Schmidt, Bremen
Quellen:
www.telepolis.de; www.fiff.de; www.freedomforlinks.de/Pages/enfopol.html;
www.poptel.org.uk/statewatch.
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