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Nachdem der Konflikt im Kosovo sich im letzten Jahr immer weiter zugespitzt
hat, hat die Nato wiederholt mit Luftangriffen gedroht, um Friedensverhandlungen
zu erzwingen. Diese Strategie ist, abgesehen von einer politischen Bewertung,
auch völkerrechtlich problematisch. In Art. 2 Ziffer 4 der UN-Charta ist
das grundsätzliche Verbot der Anwendung oder Androhung militärischer Gewalt
normiert, solange die Angriffe nicht durch die Charta gerechtfertigt sind.
Eine solche Rechtfertigung findet sich in Kapitel VII der Charta. Hiernach
dürfen zur Friedenssicherung Angriffshandlungen angedroht bzw. durchgeführt
werden, wenn der Sicherheitsrat einen Bruch oder eine Bedrohung des Friedens
feststellt (Art. 39) und daraufhin Militäreinsätze anordnet (Art. 42).
Bezüglich des Kosovo-Konflikts hat der Sicherheitsrat zwar eine dauernde
Bedrohung des Friedens festgestellt, aber von einem Mandat für Militäreinsätze
bisher abgesehen. Folglich war bereits die Androhung der Luftangriffe
ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht.
Um die Existenz einer Völkerrechtsordnung aber nicht völlig zu leugnen
und dennoch die erstrebten Drohgebärden durchführen zu können, wird folgende
Lösung konstruiert:
Mit Hinweis auf die bedrohliche Situation im Kosovo wird ein Notstand
erklärt, aufgrund dessen die Nato, zur Not auch ohne UN-Mandat, zum Handeln
berechtigt sein soll. Mal unter dem Vorbehalt betrachtet, diese sog. "Peacekeeping-Missions"
seien ein notwendiges und geeignetes Mittel, um Krieg zu vermeiden, so
ist es dennoch absurd anzunehmen, die Nato habe eine der Uno übergeordnete
berechtigte Notstandskompetenz. Es ist gerade Sinn und Zweck der Uno,
im Sinne der Friedenssicherung Gewalt zu bannen, indem sie monopolisiert
wird. Darüber hinaus ist die Nato als reines Verteidigungsbündnis wohl
die denkbar schlechteste Instanz, um dieses Monopol zu brechen.
Es ist jedoch nichts Neues, daß die Nato und damit ihr Hauptakteur, die
USA, das Gewaltverbot mißachten und so die Uno entmachten.
Neu ist jedoch, daß sich nun die Bundeswehr an diesen Kampfhandlungen
beteiligt und auch die Grünen, spätestens seit ihrer Regierungsmitgliedschaft,
ihre ehemals grundpazifistische Haltung aufgegeben haben. Eine Rückschau
über das letzte Jahr zeigt, wie rasant sich dieser Wandel vollzogen hat.
Noch im Wahlkampf forderten Grüne den Austritt aus der Nato, um nicht
verpflichtet zu sein, sich an Kampfhandlungen beteiligen zu müssen. Kurz
darauf erklärte die rot-grüne Regierung, es dürfe keine Kampfeinsätze
ohne UN-Mandat geben und sie würde sich aktiv für den Erhalt des Gewaltmonopols
der Uno einsetzen. Aber statt an dieser Absicht festzuhalten, ist sie
nun uneingeschränkt zu Kampfhandlungen im Namen der Nato bereit.
Antje Welke, Köln
Quellen:
Resolutionen des Sicherheitsrates 1160 v. 31.03.1998, 1199 v. 23.09.1998
und 1203 v. 14.10.1998.
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