Heft 3 / 2000: Billig und Gerecht? Verfahren zwischen Rechtsstaatlichkeit und Effizienz |
Nina Aselmann | |
Kungelei mit dem Kapital | |
Eine kritische Betrachtung des Kooperationsprinzips im Umweltrecht |
Kooperation ist "in". Das Stichwort vom schlanken Staat ist in aller Munde. Leere Kassen lassen die Idee fruchten, Aufgaben zu privatisieren um Kosten zu sparen. Die Debatte um eine derartige Teilprivatisierung wird von der Wirtschaft und Teilen der Politik mit Forderungen nach Deregulierung und Kooperation begleitet. Der Gedanke der Kooperation Generell wird unter dem Begriff der Kooperation die Zusammenarbeit verschiedener (Wirtschafts-)PartnerInnen verstanden, von denen jedeR einen bestimmten Aufgabenbereich übernimmt. Mit der durch das Kooperationsprinzip angesprochenen Kooperation ist das Zusammenwirken von Staat und Gesellschaft gemeint. Dabei handelt es sich in erster Linie um das Verhältnis von Staat und Wirtschaft.4 Der Gedanke der Kooperation ist nicht neu. So wird bereits im Umweltbericht der Bundesregierung von 1976 die "Mitverantwortung der Betroffenen für den Umweltschutz" hervorgehoben und "eine frühzeitige Beteiligung der gesellschaftlichen Kräfte am umweltpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß gefordert, ohne jeweils den Grundsatz der Regierungsverantwortlichkeit in Frage zu stellen".5 Der Gedanke der Kooperation beinhaltet demnach die kommunikative Beteiligung der Gesetzesadressaten an der Gesetzesauslegung und Gesetzesanwendung, um dadurch eine höhere Akzeptanz zu schaffen. Zudem werden so Gesetze in ihrer abstrakten Form konkretisiert und eine gewisse Transparenz bleibt erhalten. Dabei lassen sich verschiedene Formen der Kooperation benennen. So gibt es z.B. informelle Vorverhandlungen im Vorfelde komplexer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren. Damit sind Gespräche zwischen der Genehmigungsbehörde und dem Vorhabenträger gemeint, in deren Verlauf nicht selten "ausgedealt" wird, unter welchen Voraussetzungen das Vorhaben genehmigungsfähig ist. Auch der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB stellt eine Form der Kooperation dar, ebenso Selbstverpflichtungserklärungen der Industrie zur Reduzierung von Schadstoffemissionen wie zum Beispiel des Treibhausgases FCKW. Im folgenden soll beleuchtet werden, was die Verfahrensvor- und nachteile von Kooperation sind. Die Vorteile kooperativen Handelns Kooperatives Handeln kann insofern vorteilhaft sein, als es zum Abbau von Rechtsunsicherheiten und zur Vermeidung von Rechtstreitigkeiten führen kann. Eine Vielfalt von Gesetzen ist geprägt von unbestimmten Rechtsbegriffen, abstrakten Formulierungen, Abwägungsklauseln etc. Diese lassen eine Verständigung zwischen Verwaltung und Bürgern (Wirtschaft einbezogen) über den gesetzlichen Vollzug aufgrund komplexer Sachverhalte notwendig erscheinen. Frühzeitige Interaktionen können daher zur Eindämmung von Verfahrenkosten führen, da durch Ausbleiben von Prozessen Zeit, Kosten und Verwaltungskräfte eingespart werden. Auch wird immer wieder eine hohe Flexibilität von kooperativen Verträgen betont. So kann durch nachträgliche Vertragsanpassung individueller auf Änderungen der Sachlage reagiert werden. Die Gefahren kooperativen Handelns Den Vorteilen kooperativen Handelns stehen jedoch auch Gefahren gegenüber. Zunächst ist einmal zu bedenken, dass eine auf Konsens gerichtete Verhandlung einen hohen Zeitaufwand mit sich bringt und der Erfolg nicht vorprogrammierbar ist. Ist im Vorfeld schon abzusehen, dass die Positionen zu stark divergieren, rückt ein Kompromiß in weite Ferne. Gerade komplexen Sachverhalten mit einer hohen Anzahl Beteiligter und Betroffener, also einer Vielzahl von Interessen, scheint dieses eigen zu sein. Was als Eindämmung der Verfahrenskosten unter den Vorteilen des kooperativen Handelns aufgelistet wurde, kann im Umkehrschluß auch als Nachteil gewertet werden. Die Komplexität der Sachverhalte birgt eine Fülle an Informationen und Positionen in sich, die die Verhandlungen in die Länge ziehen. Ferner ist zu bedenken, dass kooperatives Verwaltungshandeln nicht immer der Förderung des Allgemeinwohls dienlich ist. So gibt der Gesetzesentwurf der Professoren zum Umweltgesetzbuch zu bedenken, dass der Konsens an und für sich ein interessengerechtes Ergebnis der VerhandlungspartnerInnen wiederspiegeln würde, aber Interessen Dritter, welche nicht an den Verhandlungen beteiligt sind, unberücksichtigt bleiben.6 Fazit
Genau diese Bedenken lassen sich den Entscheidungen des BVerfG entgegenhalten. So wurde in den §§ 3 ff. Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz die Pflicht zur Abfallvermeidung normiert. Indem unter Bezugnahme auf das Kooperationsprinzip die einseitig hoheitlichen Verpackungssteuern für nichtig erklärt werden, werden dem Staat im Fall der Nichterreichung der Abfallvermeidungspflicht die Hände gebunden. Er büßt seine Fähigkeiten ein, den KooperationspartnerInnen klare (gesetzliche) Grenzen zu ziehen. Nina Aselmann studiert Jura und lebt in Hamburg Anmerkungen: 1 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 98, 83 ff. sowie BVerfGE 98, 106 ff.2 BVerfGE 98, 106 (130). 3 BVerfGE 98, 106 (121 f.). 4 Lübbe-Wolff in NuR 1989, 295 (295). 5 Bundestagsdrucksache VII/5684 6 Vergl. hierzu auch den Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommision zum UGB, 1998, 457 ff. 7 Schulze-Fielitz in DVBl. 1994, 657 (659). 8 Vgl. hierzu Kloepfer in Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, 1998, § 7 Rn.5. 9 Lübbe-Wolff in NuR 1989, 295 (301 f.). Literatur:
Michael Kloepfer, in: Hans Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band I, Köln 1998. |