Heft 3 / 2000:
Billig und Gerecht?
Verfahren zwischen Rechtsstaatlichkeit und Effizienz
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Politische Justiz
 

129a - Verfahren gegen angebliche DHKP-C- Funktionärin

Gegen die 35-jährige Bremer Türkin Hüsniye S. ist Mitte Mai von der Bundesanwaltschaft Anklage wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erhoben worden. Ihr wird vorgeworfen, seit 1996 in Bremen und ab 1998 in Ulm als örtliche Parteileiterin der in Deutschland verbotenen türkischen linksradikalen Organisation DHKP-C tätig gewesen zu sein. Unter anderem wird ihr vorgeworfen, in dieser Funktion gewaltsam Spenden eingetrieben zu haben.
Die seit 1998 in Deutschland verbotene DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der türkischen Organisation Devrimci Sol ("Revolutionäre Linke"), die ihrerseits bereits 1983 vom Bundesinnenministerium verboten wurde.
Die deutsche Führungsspitze der Organisation soll Brandanschläge auf türkische Einrichtungen angeordnet und sich bewaffnete Auseinandersetzungen mit einem verfeindeten Flügel der Organisation geliefert haben. Allerdings gab der Generalsekretär der Organisation, Dursun Karatas, im Februar 1999 eine Erklärung ab, wonach die DHKP-C von weiteren Gewaltaktionen in Deutschland absehe.
Das Verfahren soll am 18.9. vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg beginnen.
Das anstehende Verfahren ist nicht das erste gegen die Organisation: direkt nach dem Verbot wurden verschiedene DHKP-C-FunktionärInnen verhaftet und zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Nach Informationen der Rote-Hilfe-Zeitung (2/2000) wurde ihnen teilweise medizinische Hilfe versagt, und mehrere Häftlinge wurden in Isolationshaft verlegt, weshalb ab November letzten Jahres einige der Häftlinge in Hungerstreik traten, um gegen die ihnen auferlegten Haftbedingungen zu protestieren. Daraufhin wurden die Haftbedingungen verbessert und die Isolationshaft aufgehoben.

Weitere Prozesse gegen UnterzeichnerInnen von Desertionsaufrufen

Die Urteile gegen die UnterzeichnerInnen des am 21.4. 99 in der taz veröffentlichten Aufrufs zur Befehlsverweigerung und Entfernung von der Truppe (vgl. FoR 1/00, 34; hier auch näheres zu den Urteilsbegründungen) fallen nach wie vor unterschiedlich aus.
Nachdem gegen 40 Personen Anklage erhoben wurde und noch einige Verfahren anstehen, kam es in den bisher verhandelten Fällen zu 28 Freisprüchen. Sechs Personen wurden zur Zahlung von zwischen 20 bis 70 Tagessätzen verurteilt. Nachdem sowohl die Verurteilten als auch die Staatsanwaltschaft angekündigt haben, in die Berufung zu gehen, gehen ProzeßbeobachterInnen davon aus daß die Verfahren in letzter Instanz vor das Bundesverfassungsgericht gehen werden.
Weitere Informationen unter www.kampagne.de.

Kunzelmann wieder unterwegs.....

Dieter Kunzelmann (60), Berliner Altkommunarde, ist seit Mai wieder auf freiem Fuß. Kunzelmann, der wegen der Werfens von Eiern auf Berlins Regierenden Oberbürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) eine zehnmonatige Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel hatte absitzen müssen, gab gleich nach seiner Entlassung einen Kommentar zu den dortigen Haftbedingungen ab, indem er drei Eier auf die stählernen Gefängnistore warf: eins für den Gefängnisdirektor, eins für Eberhard Diepgen und eins für Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Er werde es sich auch in Zukunft nicht nehmen lassen, so Kunzelmann, gegen die unmenschlichen Haftbedingungen im "Scheißhaus von Tegel" (Kunzelmann) zu protestieren.

129a-Verfahren gegen Kurdistan-AktivistInnen

Nachdem es im Januar diesen Jahres in Hamburg, Köln und De Haan (Belgien) zu Hausdurchsuchungen bei AktivistInnen aus der Kurdistan-Solidaritätsbewegung gekommen war (vgl. FoR 1/ 00, 34), wurden nun nähere Gründe für die Aktion bekannt. Hintergrund der Durchsuchungen ist ein laufendes Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Strafgesetzbuch) gegen mehrere InternationalistInnen, die in der Solidaritätsbewegung aktiv sind. Nach Aussagen des Ermittlungsrichters am BGH bestünden zureichende Anhaltspunkte dafür, daß die Beschuldigten einer von der PKK unterstützten, in Deutschland agierenden Gruppe angehörten. Ihr Ziel sei die Aufnahme des bewaffneten Kampfes in Deutschland. Dabei geht der Ermittlungsrichter von einer militanten Kerngruppe aus, die durch die bundesweit organisierten Kurdistan-Solidaritätsgruppen unterstützt werden solle.
Die Beschuldigten wiesen die Anschuldigungen als absurd zurück: ihnen sei es um eine inhaltliche Auseinandersetzung und Solidarisierung mit der Befreiungsbewegung in Kurdistan gegangen, so einer der Beschuldigten. Den bewaffneten Kampf aber hätten sie auf verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen als Perspektive für politische Arbeit in Deutschland abgelehnt, was auch aus den bei ihnen gefundenen Unterlagen klar hervorginge.
Ihrer Ansicht nah diene die Einleitung des Verfahrens einmal mehr der politischen Repression, um eine Solidarisierung von Deutschen mit politisch aktiven MigrantInnen zu verhindern und zu kriminalisieren.