Heft 1 / 2002: könnte besser sein Sozialrecht |
Annelie Jaschinski | |
Dürfen DatenschützerInnen Verstöße öffentlich anprangern? | |
Was ein ordentlicher Datenschützer ist, der seine Aufgabe ernst nimmt und seine Verpflichtungen gewissenhaft erfüllt, das bewies der sächsische Datenschützer Thomas Giesen (CDU). Giesen ist überzeugt davon, daß seine "Kontrollfunktion eine öffentliche ist, sonst wäre er (womöglich) ein Wachhund der nicht bellen darf !". So veröffentlichte Giesen Aktenvermerke des Ex -Justizministers Steffen Heitmann (CDU). Diese zeigten auf, daß Heitmann (CDU) 1997 auf Bitten eines Parteifreundes, der innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen war, Informationen über laufende Ermittlungen gegen einen Görlitzer CDU-Kommunalpolitiker einholte. Heitmann hatte verfügt, auf die Behandlung der Ermittlungen beschleunigend einzuwirken. Hintergrund dieses Vorgehens waren CDU-interne Streitigkeiten in Görlitz, die der inzwischen abgewählte Oberbürgermeister der Stadt, der auch den Datenschützer Giesen auf den Fall aufmerksam gemacht hatte, als "Komplott" gegen sich bezeichnete. Nach den Veröffentlichungen der Aktenvermerke durch Giesen, wobei er auch handschriftliche Notizen des Ministers zitierte, trat Heitmann von seinem Amt zurück. Am 27. September 2001 kam es zu einem Prozeß gegen Giesen vor dem Dresdner Landgericht wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen gemäß § 353 b Strafgesetzbuch (StGB). Nach § 353 b StGB begeht eine Verletzung von Dienstgeheimnissen derjenige, der ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger bekanntgeworden ist, "unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet". Welche öffentlichen Interessen gefährdet worden sein sollen, ist hierbei mehr als fraglich. Für die Staatsanwaltschaft allerdings nicht. Sie sah eine Gefährdung öffentlicher Interessen, weil Giesen billigend in Kauf genommen habe, daß das Vertrauen der Öffentlichkeit in die sächsische Verwaltung Schaden nehmen könne. Giesen wies diesen Vorwurf zurück und betonte, daß es zu seinen Pflichten als Datenschützer gehöre, die Öffentlichkeit über "exemplarisches Fehlverhalten" zu unterrichten. Am 7. November 2001 wurde Giesen freigesprochen. Der Vorsitzende Richter erklärte, das Wächteramt des Datenschutzbeauftragten über die Gewaltenteilung und das kritische öffentliche Interesse hätten die Geheimhaltungspflichten überwogen. Ein "Freispruch erster Klasse" meint Giesen. Und uns ist nun klar, daß ein Wachhund über Verstöße öffentlich bellen darf . Annelie Jaschinski, Berlin.
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