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Schwere Zeiten für alternative Wohn- und Lebensformen: In Hamburg und
Berlin müssen BauwagenbewohnerInnen nach einer neuen Bleibe suchen.
Die Berliner Wagenburg "Kultur- und Wohnprojekt Schwarzer Kanal e.V."
muss nach zwölf Jahren ihren Platz im Stadtteil Friedrichshain aufgeben,
denn auf diesem Grundstück plant die Baufirma Hochtief, trotz der zahlreichen
leerstehenden Büroräume in der Umgebung, ein Bürogebäude. Hier soll die
Bundeszentrale der Gewerkschaft Verdi im Sommer 2004 einziehen.
Nach Gesprächen mit BewohnerInnen des Schwarzen Kanals, VertreterInnen
von Verdi, der Firma Hochtief und der Berliner Senatsverwaltung bot Hochtief
den WagenburgbewohnerInnen für zweieinhalb Jahre ein Ersatzgrundstück
an. Dieses Angebot sollte die von Verdi gefürchtete schlechte Presse bei
einer gewaltsamen Räumung verhindern und vor Allem einen Zeitverlust durch
ein vom Schwarzen Kanal angedrohtes, gerichtliches Verfahren gegen eine
Räumung vermeiden.
Beim Umzug der Wagenburg kam es jedoch zu massivem Widerstand der neuen
Nachbarn, dem Deutschen Architektur Zentrum (DAZ). Diese klagten erfolgreich
vor dem Verwaltungsgericht gegen die Zuweisung des Platzes durch die Behörde.
Die ArchitektInnen fürchten eine "Verslumung". Das Gericht bestätigte
sie in ihrer Furcht vor einer "wertmindernden Wohnform" in der Nachbarschaft.
Bis April 2003 muss der Schwarze Kanal nun den neuen Platz räumen. Laut
Gericht seien Wohn- und Bauwagen zum dauernden Wohnen ungeeignet und keine
Gebäude im Sinne der Baunutzungsverordnung.
Anders in Hamburg: Dort sind Wohnwagen, laut Hamburgischem Wohnwagengesetz
von 1999, auf zugelassenen Wohnwagenstandplätzen, Wohnungen im Sinne des
Hamburgischen Meldegesetzes. Auf Antrag kann die Behörde solche Plätze
zulassen, soweit die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet
ist. Diese Gefahr sieht Hamburgs Innensenator Schill (Partei Rechtsstaatlicher
Offensive) von allen Bauwagenplätzen ausgehen, da es sich hier "um rechtsfreie
Räume handelt, die es zu beseitigen gilt". Dieser Politik sind in den
letzten Wochen bereits Bauwagenplätze zum Opfer gefallen.
Starke Proteste von DemonstrantInnen gegen die Vertreibung der Bauwagen
formierten sich nach der Räumung des Bauwagenplatzes "Bambule" im Hamburger
Karolinenviertel. Der Hamburger Senat reagierte auf die Proteste mit massivstem
Polizeiaufgebot aus dem gesamten Bundesgebiet. Friedliche DemonstrantInnen
wurden verprügelt, stundenlang eingekesselt und zahlreich verhaftet. Schill
will seinen Eskalationskurs weiter fahren, da "Deeskalation wie in früheren
Zeiten, diesen Menschen nur Lust auf Gewalt macht". Ein gerichtliches
Verfahren gegen das polizeiliche Eingreifen ist anhängig.
Maja Kreßin, Hamburg
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