Kai Bammann |
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Zur sozialen und rechtlichen Konstruktion der Droge/n | Heft
2/2003 Ohne Substanz Drogenpolitik Seite 42/43 |
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Nach heutigem Verständnis ist der Begriff der "Droge" im Alltagssprachgebrauch
in der Regel negativ besetzt. "Drogen" sind gemeinhin zu einer Bezeichnung
für Rauschgifte (bzw. im jur. Sprachgebrauch für "Betäubungsmittel") geworden.
Gerade diese Alltagsvorstellung macht es schwierig, vorurteilsfrei von
Drogen zu sprechen, auch wenn WissenschaftlerInnen z.B. nicht müde werden,
zwischen legalen (Nikotin, Kaffee, Tee) und illegalen, harten (Kokain,
Heroin, Ecstacy, LSD) und weichen (Cannabis) Drogen zu unterscheiden und
sogar Substanzen benennen, die gar nicht als Drogen angesehen werden,
aber ähnlich wirken (Betelnuß, Muskat, Schokolade). Die historische Konstruktion der Droge/n Nicht immer waren dieselben Substanzen verboten: was heute legal ist,
war zeitweilig illegal; was heute illegal ist, war früher frei zugänglich,
oder wurde gar als wichtiges Heilmittel angesehen. Tabak, seit seinem
Aufkommen in Europa als Genußmittel verwendet, durchlebte eine Zeit des
Verbots; ebenso der Alkohol (man denke an die Prohibition in den USA).
Andere heute bekannte "Drogen", wie z.B. das Heroin, aber auch LSD wurden
ursprünglich als Medikamente entwickelt, bis aus ihnen illegalisierte
Substanzen wurden. Die gegenwärtige Konstuktion der Droge/n In Deutschland wird von weichen, harten, legalen, illegalen, Einstiegs-Drogen
gesprochen; (objektiv gültige) Begründungen für diese Einordnung gibt
es indes nicht. Am Ehesten kann man diese Kategorisierung noch an der
Gefährlichkeit, also den Nebenwirkungen, aber auch der Gefahr der Abhängigkeit
festmachen. Daß dies als Grundlage einer Zuordnung jedoch nicht immer
zutreffend ist, zeigt ein Blick auf den Tabakkonsum, der allgemein als
sehr viel gefährlicher angesehen wird als z.B. der Genuß von Cannabis.
Legale Drogen werden oft als Genußmittel angesehen, wie Kaffee, Alkohol
oder Tabak. Aus diesem Grunde wird z.B. auch von einem "Recht auf Rausch"
bzw. von "Drogen als Genußmittel" (Schmidt-Semisch)2
gesprochen. Beides betont, daß es sich im Grunde um eine höchst willkürliche
Kategorisierung in legal/ illegal handelt. Die rechtliche Konstruktion der Droge/n Drogendelikte sind zunächst einmal "opferlose" Straftaten, da sich ein/e
(täterfremde/r) Geschädigte/r, anders als bei anderen Straftaten auf den
ersten Blick nicht ausmachen läßt. Unter Strafe steht nicht nur das Herstellen,
Einführen und der Handel mit Drogen, sondern auch der Besitz (der Konsum
ist straflos, indes läßt sich Konsum ohne Besitz nur schwer vorstellen).
Hierdurch werden alle zu TäterInnen gemacht, die in irgendeiner Form mit
Drogen (bewußt) in Kontakt kommen. Es betrifft nicht nur die HändlerInnen,
die einen Gewinn erzielen wollen, sondern auch die KonsumentInnen, die
oftmals nicht anders können. Letztere sind dann auch die eigentlichen
Opfer, die vom Staat in der Sucht oftmals allein gelassen und entweder
direkt mit der Sucht oder als Folge der Sucht (sog. Beschaffungskriminalität)
strafrechtlich verfolgt werden. In erster Linie kann sich vor dem Angesicht des Feindbildes die Kriminalpolitik profilieren. In markigen Worten hat der damalige US-Präsident Reagan vor vielen Jahren den (noch andauernden) "war on drugs" ausgerufen. Hartes Durchgreifen gegen die als illegal konstruierten Drogen symbolisiert Handlungsfähigkeit. Daß es ein "Krieg" ist, der nicht zu gewinnen ist, interessiert nicht3. Es geht vielmehr um den symbolischen Gehalt: jeder Schlag gegen einen Drogenring wird in der Öffentlichkeit als Erfolg dargestellt. Nicht zuletzt dieser Krieg gegen die Drogen war es, der zu einer grundlegenden Veränderung in der US-amerikanischen und - etwas später - auch in der europäischen Kriminalpolitik geführt hat. Die Folge harten Durchgreifens gegen jede/n, der/die mit Drogen zu tun hatte, war jedoch kein Sinken der Kriminalitätsrate, sondern ein beständiger Anstieg der Inhaftierungszahlen. US-amerikanische Haftanstalten sind insbesondere aufgrund der hohen Zahl inhaftierter DrogenhändlerInnen und DrogengebraucherInnen überfüllt. Mit dem unerbittlich geführten Kampf gegen die Drogen geht auch ein wichtiger Gesichtspunkt verloren: viele heute illegale Drogen haben durchaus wertvolle Wirkungen und/oder Inhaltsstoffe, die in der heutigen Welt durchaus ihren Platz haben könnten. Cannabis gilt vielen MedizinerInnen4 als wirkungsvolles Heil-, Schlaf- und Schmerzmittel, das aufgrund dessen, daß es verboten ist, nicht verschrieben werden darf. Viele PatientInnen, denen auf diese Weise geholfen werden könnte, müssen mit Schmerzen leben - oder mit Medikamenten, die weit schädlichere Nebenwirkungen haben. Hanf gehört im übrigen auch zu jenen Pflanzen, die bei vergleichsweise geringem Nährstoffbedarf einen großen Ertrag bringen. Es war zu früheren Zeiten einer der wichtigsten Rohstoffe für die Seil- aber auch die Bekleidungsherstellung und bietet in einer Zeit, in der selbst nachwachsende Rohstoffe immer knapper werden, eine wichtige, jedoch fast vergessene Alternative. Schlußbetrachtung Als Fazit nach diesem knappen Überblick bleibt festzuhalten: der Begriff
der illegalen Droge ist ein auf den ersten Blick willkürlicher. Die Wahl
dessen, was illegale Drogen sind, und was legale, ist nur durch historische
Entwicklung zu klären. Kai Bammann ist Diplom-Kriminologe und Jurist. Zur Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Kriminologie. Anmerkungen 1 Duden 7, Herkunftswörterbuch, 3.
Auflage 2001, 157. Literatur: Bammann, Kai, Zur sozialen Konstruktion von Kriminalität und Strafrecht,
in: Forum Recht 2002, 40-43. |