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Politische Justiz   Heft 2/2003
Ohne Substanz
Drogenpolitik

Seite 66
 
 

Arbeit als Rache

Nachdem im Juli 1943 der faschistische Führer Mussolini in Italien gestürzt worden war, wurden für Deutschland die ehemaligen Verbündeten zu Gegnern. Fast 600.000 ItalienerInnen wurden in der Folge nach Deutschland verschleppt und zur Arbeit gezwungen. 3/4 von ihnen waren Kriegsgefangene. Formell entsprach der Status der italienischen Militärinternierten dem günstigeren der westlichen Kriegsgefangenen, doch tatsächlich glichen die ihnen auferlegten üblen und oft tödlichen Arbeits- und Lebensbedingungen denen der als "Untermenschen" bewerteten Gefangenen aus der Sowjetunion und Polen. Die italienische Bevölkerung stand schon seit jeher in der Hierarchie des populären Rassismus weit unten. Doch mit dem von den Deutschen als "Verrat" betrachteten Umsturz in Rom schlug den italienischen Gefangenen der blanke und enthemmte Volkszorn entgegen. Gepaart mit Frustrationen und Wut über die sich häufenden militärischen Niederlagen der Wehrmacht, so erklärt der Freiburger Historiker Ulrich Herbert [Fremdarbeiter, Bonn 1999], entwickelte sich das Motiv zur Zwangsarbeit: Arbeit als Rache.
Einen Anspruch auf Entschädigung nach dem deutschen Stiftungsgesetz "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" ergibt sich daraus jedoch nicht, urteilte jetzt das Verwaltungsgericht Berlin. Nach dem Gesetz seien festgehaltene Soldaten von sämtlichen Entschädigungsregelungen ausgenommen. Stützen konnte sich das Gericht dabei auf ein Rechtsgutachten des Hausjuristen der rot-grünen Bundesregierung, Christian Tomuschat. Danach sei der bis zum Mai 1945 geltende formelle Statuts als Kriegsgefangene entscheidend, nicht der Zwang zur Arbeit.

Mit Sicherheit Krieg

Auch wenn sich Friedensdemonstrationen in Deutschland derzeit ganz gut in das Regierungsgeschäft der äußeren Angelegenheiten einfügen lassen, bleiben nicht alle Proteste gegen den Krieg ohne staatliche Repression. Während sich anlässlich der im Februar tagenden NATO-Sicherheitskonferenz in München GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen und Pfaffenleute ungestört und ungehemmt gegen den Feldzug der USA im Irak aussprechen konnten, wurden die DemonstrantInnen des "Bündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz", das sich auch explizit gegen die kriegsvorbereitenden Inhalte dieser Tagung richtete, von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet und behindert. Bereits im Vorfeld der Kundgebungen wurden allerorts Personenkontrollen durchgeführt und Platzverweise erteilt. 300 PolizistInnen stürmten zudem das Convergence Center, die Koordinationsstelle der antimilitaristischen Proteste, und nahmen dort mehrere Personen in Gewahrsam (ausführlich: Recht Kurz in diesem Heft). Verhaftet wurde auch Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI), der in seiner Rede auf die Völkerrechts- und Verfassungswidrigkeit der deutschen Kriegsunterstützung im bevorstehenden Irakkrieg hinwies und die Bundeswehrsoldaten deshalb aufrief, den Kriegsdienst zu verweigern oder zu desertieren. So weit geht die deutsche Friedensliebe dann wohl doch nicht, als dass sie auf vorteilhafte Ergebnisse von Kriegen verzichten wollte (näheres unter: www.rote-hilfe.de/no-nato und www.imi-online.de).

Rote Armee Fraktion

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft und des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof hat sich durch eine DNA-Analyse der Verdacht erhärtet, dass die ehemalige RAF-Angehörige Andrea Klump 1991 einen Anschlag auf russische Jüdinnen und Juden in Budapest zu verantworten hat. Fünf Personen wurden verletzt. Die jüdische Gruppe befand sich seinerzeit auf der Ausreise nach Israel. Nach Angaben der Strafverfolgungsbehörden handelte Klump im Auftrag einer palästinensischen Organisation, die sich als "Bewegung zur Befreiung Jerusalems" zu dem Anschlag bekannt hatte. Noch im diesen Jahr werde Anklage erhoben. Andrea Klump ist bereits wegen anderer Delikte zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Derweil hat sich Anfang März Sabine Callsen der Bundesanwaltschaft gestellt. Dem im Dezember 1985 ausgestellten Haftbefehl zufolge soll sich an Sprengstoffanschlägen an Unternehmen aus der Rüstungsindustrie beteiligt haben. Personen sind damals nicht zu Schaden gekommen. Nach ihrer Vernehmung wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.

Phase 2

Anfang Dezember vergangenen Jahres wurde die gesamte Auflage der in der Tschechischen Republik gedruckten sechsten Ausgabe der Zeitschrift Phase 2 wegen des Verdachts auf "verfassungswidrige Inhalte" und Steuervergehen beschlagnahmt und zur Begutachtung einbehalten. Die Publikation wird vom Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V. für die Gruppen Bündnis gegen Rechts aus Leipzig, die ehemalige Antifaschistische Aktion Berlin und die Autonome Antifa/M aus Göttingen herausgegeben und bemüht sich nach eigenen Angaben offensiv um eine linksradikale Organisierung. Als erste Gegenmaßnahme wurde das Heft mit dem Themenschwerpunkt "Gefangen im Kapitalismus - Bürgerlichkeit, Staat, Glückseligkeit" ins Internet gestellt (www.phase-zwei.org) und eine zweite Auflage gedruckt. Gleichwohl bedeutet die faktische Konfiskation erhebliche finanzielle Belastungen für das Projekt. Spenden können da Abhilfe leisten: Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e.V.; Stichwort Gebt das Heft frei!; Sparkasse Göttingen, BLZ 260 500 01, Konto 11 777 70.

Cornelius Yufanyi

In Jena ist Cornelius Yufanyi von PolizeibeamtInnen während einer Personenkontrolle schwer misshandelt worden. In seinem Gedächtnisprotokoll schildert Yufanyi, dass auf seinen Heimweg ein schwarzes Auto neben ihm und seiner Begleiterin hielt und drei Personen auf sie zukamen. Sie hatten sich als PolizistInnen ausgegeben und nach seinen Ausweispapieren gefragt. Als er sie im Gegenzug um ihre Dienstausweise bat, wurden die BeamtInnen aggressiv und verhafteten nach einem kurzen Wortwechsel Yufanyi. Dabei gingen die PolizistInnen äußerst brutal vor, sie fügten ihm mehrere Verletzungen zu und belegten ihn unentwegt mit rassistischen Sprüchen. Auch auf der Wache setzten sich die Repressalien fort. Auf Yufanyis Ankündigung, er werde seine PeinigerInnen anzeigen, reagierten diese in der üblichen Art und Weise: sie erstatteten Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Cornelius Yufanyi ist Aktivist der MigrantInnenorganisation "The Voice", die sich insbesondere gegen die diskriminierenden Auswirkungen der sogenannten Residenzpflicht engagiert (näheres unter: www.umbruch-bildarchiv.de).