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  David Zechmeister   Forum Recht Home

Der Drogenkrieg   Heft 2/2003
Ohne Substanz
Drogenpolitik

Seite 48/49
Kolumbien und der Plan Colombia  
 

Die Strategie des Drogenkriegs ist vor allem von den USA in den 80er Jahren entwickelt worden. Diese möchten durch die Vernichtung von Drogenanbaugebieten die Grundlage für die Herstellung von Drogen zerstören. Die Drogenanbaugebiete befinden sich allerdings ausschließlich in Ländern, in denen die staatliche Souveränität umkämpft und unstabil ist. Da die Drogenanbaugebiete sich nicht in den Konsumentenländern befinden, kann diese Drogenpolitik nur Erfolg haben, wenn in den Anbauländern der Anbau verboten und illegaler Anbau unterbunden wird. Diese Form der Drogenpolitik wurde bisher nicht international umgesetzt, sondern nahezu ausschließlich von den USA in Lateinamerika, dort vor allem in Kolumbien praktiziert.

Der Bürgerkrieg

Kolumbien ist der Hauptschauplatz im Drogenkrieg, denn neben dem Anbau der Kokapflanze, dem Grundbestandteil des Kokains, werden in Kolumbien die Vorprodukte, die aus den Nachbarstaaten geliefert werden, zum Endprodukt Kokain verarbeitet. Der seit 40 Jahren tobende Bürgerkrieg bietet hierfür ideale Bedingungen. Über 40% des Landes sind nicht unter der Kontrolle der Regierung in Bogota. Ein Land, in dem die staatliche Souveränität von diversen Gruppierungen angefochten wird, bietet beste Grundlagen für die Entstehung von Drogenkriminalität. Zudem finanzieren sich die Bürgerkriegsparteien zumindest teilweise aus dem Drogengeschäft - allen voran die rechtsgerichteten Paramilitärs der AUC. Auch wenn ihr Anführer neuerdings beteuert, keinen Drogenhandel innerhalb der AUC zu dulden, ist diese Ankündigung bisher folgenlos geblieben. Die marxistische Guerilla toleriert den Kokaanbau in den von ihnen kontrollierten Gebieten. Die größte Gruppe, die FARC, besteuert zudem traditionell alle Anbauenden in den von ihnen verwalteten Gebieten, zu denen auch die Koka-Anbauenden gehören. Die zweitgrößte Guerilla, die ELN, lehnt öffentlich jede Verbindung zum Drogenhandel ab. Beide Guerillagruppen bieten den Koka-Anbauenden, wie allen Anbauenden in den von ihnen verwalteten Gebieten, einen gewissen militärischen Schutz. Das Geschäft mit den Drogen ist somit Teil des Bürgerkriegs geworden und ist neben der großen Unterstützung durch Teile der Bevölkerung einer der Gründe, warum der Krieg für die substaatlichen AkteurInnen so lange durchzuhalten ist.

Der Plan Colombia

1998 wurde der konservative Präsident Andrés Pastrana mit knapper Mehrheit zum Präsidenten Kolumbiens gewählt. Pastrana trat mit dem Versprechen an, Frieden zu schließen und das Verhältnis zu den USA neu zu beleben. Einen Friedenschluß herbeizuführen, gelang Pastrana nicht, aber 1999 entwickelte er einen von den USA unterstützten Plan, den sogenannten Plan Colombia. Der Plan geriet bereits früh in die Kritik und wurde als Plan der USA für Kolumbien gegeißelt. Dies nicht zu unrecht, denn der Plan erlaubt es den USA, sich erheblich in die nationale Politik Kolumbiens einzumischen. Durch den Plan wird Kolumbien gezwungen, die aggressive Drogenpolitik der USA umzusetzen und somit gibt die USA die politische Richtung im innerstaatlichen Konflikt vor. Der Plan sieht vor, daß Kolumbien vor allem seine Anstrengungen im Drogenkrieg mit militärischen und chemisch-biologischen Mitteln verstärkt. Zwar sieht der Plan auch Mittel für die Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeit vor, aber die Summen hierfür sind nur ein sehr geringer Teil des 7,5 Milliarden Dollar schweren Planes. Der Schwerpunkt des Plan Colombia liegt im militärischen und drogenpolitischen Bereich. Die kolumbianische Regierung soll vor allem das Besprühen von Kokafeldern mit chemischen oder biologischen Mitteln verstärken, sowie einen Teil der Streitkräfte zu einer effizienten Drogenpolizei ausbauen. Die militärischen Maßnahmen mögen zunächst sinnvoll erscheinen, wenn man sich vor Augen führt, daß die mit Drogen Handelnden selber über Waffen aller Art verfügen und sich die Drogenanbaugebiete in Gebieten befinden, die unter der Kontrolle der Guerilla oder der Paramilitärs stehen. Somit müssen die Sprühflugzeuge bei der Vernichtung der Kokafelder durch militärische Maßnahmen geschützt werden. Diese Strategie führt natürlich zu einer direkten Konfrontation mit den Koka-Anbauenden und ihren "Beschützern". Bereits bei der Bekanntmachung des Plan Colombia wurden Befürchtungen laut, daß sich die Drogenbekämpfungsmaßnahmen fast ausschließlich gegen Drogenanbaugebiete in den von der Guerilla kontrollierten Gebieten richten werden und somit auch der militärischen Bekämpfung der Guerilla dient. Die Praxis bestätigt dies, die Maßnahmen des Plan Colombia richten sich nahezu ausschließlich gegen die Gebiete der FARC. Der Plan erwähnt die Bekämpfung des Drogengeschäfts der AUC nur nebenbei, obwohl diese eng verflochten ist mit den großen Drogenkartellen. Dies verwundert nicht, denn die Paramilitärs der AUC genießen beim kolumbianischen Militär und der Regierung Sympathien und werden von diesen protegiert.

Das Hauptproblem liegt allerdings darin, daß mit den Besprühungen nur der Anbau betroffen ist, dadurch der Preis für Kokain in die Höhe getrieben wird, aber nicht der Drogenhandel zum Erliegen kommt. Den Drogenhandel trifft die Maßnahme nicht, lediglich die betroffenen Koka-Anbauenden werden in den Ruin getrieben. Zusätzlich soll durch die Vernichtung der Drogenanbaugebiete der FARC deren Geldmittel zur Fortsetzung ihres Kampfes entzogen werden. Es wird geschätzt, daß die Steuern, die von den Koka-Anbauenden genommen werden, etwa 30% des Gesamteinkommens der FARC darstellen. Dies stellt die Frage auf, ob die FARC wirklich den Kampf aufgeben wird, wenn diese Einnahmen wegfallen. Der Hauptanreiz, den Kampf weiterzuführen, besteht schließlich in der großen Unterstützung der Guerilla in der Landbevölkerung. Es ist eher wahrscheinlich, daß die FARC-Guerilla nach anderen Einkommensquellen Ausschau halten wird.
Die Besprühungen verkennen daher die Ökonomie des Drogenhandels. Die Vernichtung von Kokafeldern wird das Kokain nur verteuern. Selbst mit einer Perfektionierung der Sprühtechniken und der Verstärkung der militärischen Maßnahmen wird es nicht gelingen können, sämtliche Drogenanbaugebiete zu vernichten. Denn ein vernichtetes Kokafeld ist schnell zu ersetzen, da der Kokastrauch nahezu überall in Kolumbien wächst und vier Ernten im Jahr bringt. Zum anderen kann die Strategie nicht aufgehen, solange die Drogenanbaugebiete in den von der AUC kontrollierten Gebieten unangetastet bleiben.

Die Begleitschäden der Besprühungen sind nicht gering. Sie richten einen erheblichen Schaden in der Umwelt an und gefährden den Lebensraum der indigenen Bevölkerung Kolumbiens. Die Kokapflanze ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Kultur und das Kokakauen ist bis heute ein Bestandteil im Alltagsleben der Indios. Das Kokakauen, welches nicht gesundheitsschädlich ist, erleichtert den Indios das Leben und Arbeiten in den sauerstoffarmen Hochtälern der Anden.
Auch soziale Schäden sind die Folge des Plan Colombia. An der Kokaproduktion, zu der es aufgrund hoher Arbeitslosigkeit, niedriger Löhne und Unterbeschäftigung kaum eine Alternative gibt, hängt die Existenz etlicher Kleinbauern/-bäuerinnen. Mit der Vernichtung ihrer Existenzgrundlage wird ihr soziales Elend nur vergrößert. Solange sich das Anbauen von Kokapflanzen lohnt, wird die breite Unterschicht eine unerschöpfliche Quelle neuer KokapflanzerInnen bleiben. Ohne alternative Einkommensquelle für diese Kleinbauern/-bäuerinnen ist selbst mit den repressivsten Maßnahmen der Anbau von Koka nicht zu unterbinden.
Zudem ist durch die Antidrogenmaßnahmen, die zunehmend einen ausschließlichen militärischen Charakter annehmen, der Bürgerkrieg eskaliert und fordert einen immer höheren Blutzoll. Nach dem 11. September wurden sowohl die Guerilla als auch die AUC als terroristische Gruppen eingestuft, gegen die sich der von den USA propagierte Krieg gegen den Terror zu richten habe. Diese Gruppierungen werden in Verkennung der Realitäten als "Narco-Terrorists" in einen Topf geworfen. Diese Einstufung macht einen Verhandlungsfrieden praktisch unmöglich und ist ein Versuch, diesen Gruppierungen ihre partielle völkerrechtliche Legitimität zu nehmen.
Mit der Wahl des Präsidenten Alvaro Uribe begann eine neue militärische Kampagne gegen die FARC und ihre protegierten Drogenanbaugebiete, die von Seiten der Guerilla mit Racheaktionen beantwortet wurden, dennoch ist eine Entscheidung des Krieges kaum zu erwarten und ein Frieden in weite Ferne gerückt.

Fazit

Der Fall Kolumbien zeigt, daß eine auf Einmischung in nationale Angelegenheiten gerichtete Drogenpolitik mit Unterstützung durch militärische Maßnahmen keinen Erfolg haben kann. Eine Drogenpolitik, die versucht, durch militärische Mittel die Drogenproduktion zu unterbinden, wird nur den internen Gesellschaftskonflikt verstärken und zu einer Eskalation des Konflikts führen. Die durch den Drogenkrieg entstehenden sozialen und kulturellen Schäden sind in ihren sowieso immens hohen Kosten nicht miteinberechnet, genausowenig wie die humanitären Folgen einer Eskalation des Bürgerkriegs. Eine Drogenbekämpfung ohne eine Ausweitung des Bürgerkrieges ist aufgrund seiner engen Verknüpfung kaum denkbar. Selbst wenn es gelingen sollte, die Guerilla mit den Drogenbekämpfungsmaßnahmen militärisch und ökonomisch zu treffen, lösen sich die sozialen Probleme in Kolumbien nicht, sie werden dadurch noch aufgrund der sozialen und kulturellen Schädigungen vergrößert, was wiederum eine gewaltbereite Opposition gegen eine solche Politik schafft. Zudem zeigt das Beispiel Kolumbien, wie leicht sich diese Drogenstrategie einseitig von der Regierung im internen Konflikt mißbrauchen läßt. Mit der Vernichtung von Drogenanbaugebieten wird lediglich der Preis der Droge in den Konsumentenländern erhöht, nicht aber das Drogenproblem selbst gelöst.

Es stellt sich daher die Frage, wie eine alternative internationale Drogenpolitik aussehen sollte. Zum einen ist es einseitig, das eigentliche Drogenproblem in den Anbauländern zu sehen. Gelingt es, die Zahl der DrogenkonsumentInnen in den Absatzländern zu senken, setzt man am eigentlichen Hebel der Drogenökonomie an. Ohne Nachfrage kein Angebot. Natürlich wird es nicht gelingen, den Drogenkonsum vollkommen zu stoppen, aber der Drogenkrieg muß vor allem an dieser Front geführt werden. Zum anderen kann man den Anbau von Drogenpflanzen vor allem dann verhindern, wenn man den Anbauenden entsprechende Alternativen gibt. Die Koka-Anbauenden würden sicherlich lieber legal Bananen anbauen, als illegal Koka, wenn sie damit ihre Existenz sichern könnten. Um diese Alternativen möglich zu machen, sollten die Gelder, die in den Drogenkrieg fließen, stattdessen Alternativ-Projekten zugute kommen. Diese haben aber nur Sinn, wenn die Nachfrage in den Konsumentenländern sinkt, da ansonsten durch die Verringerung der Produktion von Drogenpflanzen der Preis für diese steigen wird, was wiederum neue Anreize für den Drogenanbau schafft. Letztlich könnte auch eine Legalisierung des Anbaus von Drogenpflanzen in den Anbauländern eine Lösung sein. Denn gerade die Vernichtung von Kokafeldern verschafft den mit Drogen Handelnden auch große Gewinne. Eine Überproduktion von Drogenpflanzen würde einen Preiszusammenbruch mit sich bringen, welcher wiederum eine optimale Grundlage für das Umsetzen von alternativen Anbau-Projekten wäre, die sich dann auch für die jeweiligen Anbauenden lohnen würden. Letztlich wird man nicht völlig auf eine polizeiliche oder gar militärische Unterstützung verzichten können, wenn es darum geht, schwer bewaffnete Drogenhandels-Kartelle auszuheben, aber eine weitsichtige Drogenpolitik sollte diese Maßnahmen nicht in den Vordergrund stellen. Eine solche Drogenpolitik ist nur denkbar, wenn sie auf internationaler Ebene ausgehandelt wird und die beschlossenen Maßnahmen auch international umgesetzt werden. Nur ein internationaler Konsens, der das Drogenproblem nicht als ein nationales, sondern globales erkennt, hätte die Chance, den Drogenkrieg zu gewinnen.

David Zechmeister, Hamburg.

Literatur:

Fischer, Thomas, Durch Mehr Krieg zum Frieden? Die USA und der Plan Colombia, in: Kurtenbach, Sabine (Hrsg.), Kolumbien zwischen Gewalteskalation und Friedenssuche: Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme externer Akteure, 2001, 206-227.
Hoffmann, Karl-Dieter, Kokain - "Schnee" aus den Anden, in: Kriminalistik 1998, 702-705.
Löwenheim, Oded, Transnational criminal organizations and security, in: International Journal, Autumn 2002, 513-536.
Mittermayer, Maria, Drogengeschäft und Drogenkrieg, 1998.
Suhner, Stephan, Wie der 11. September den Drogenkrieg neu rechtfertigt, in: Kolumbien Monatsbericht Nr.10/2001.