Philipp Heinz |
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Verbandsklage und Verbandsbeteiligung | Heft
3/2003 nachhaltig gestört Das ökologisch-ökonomische Gleichgewicht Seite 87-89 |
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Effizientes Umweltrecht oder Beruhigungspille? |
Hier werden einige Begriffe erklärt! Nach wie vor stehen Umwelt und Natur bei der Genehmigung von Bauprojekten regelmäßig hinten an. Das liegt nicht unbedingt an einer unzureichenden Umweltgesetzgebung, vielmehr fehlt es an ihrer konsequenten Anwendung. Ein Grund hierfür ist die mangelhafte gerichtliche Kontrollmöglichkeit der Behörden: Die Natur selbst kann selbstverständlich nicht klagen, aber auch private Dritte können die Rechte der Natur nicht stellvertretend geltend machen. Hier soll die Verbandsklage Abhilfe schaffen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre kann sie dem - trotz eines guten Ansatzes - nur teilweise gerecht werden. Doch bevor hierauf im einzelnen eingegangen wird, ein Beispiel: Brückenbau und Freizeitkapitäne In einem Brandenburger Großschutzgebiet, dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, liegen zwei große Seen, die durch einen Kanal miteinander verbunden sind. Bei der Unterschutzstellung ist der Motorbootverkehr auf einem der Seen und dem Verbindungskanal untersagt worden. Dennoch erteilten die Behörden rund 300 Ausnahmegenehmigungen für Motorboote. Ökologisch besonders sensibel ist der Verbindungskanal, er führt durch einen der größten Schilfwälder Deutschlands und ist Rückzugsgebiet vieler vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Er ist daher zusätzlich durch das strengste Schutzregime, das Naturschutzgebiet1, geschützt. Aufgrund einer niedrigen Straßenbrücke war das Befahren des Kanals mit größeren Booten bisher nicht möglich. Nachdem die Brücke marode geworden war und ersetzt werden musste, sprach sich eine lautstarke Lobby von Freizeitkapitänen dafür aus, die Brücke zu erhöhen, um zukünftig einen Bootsverkehr zwischen den Seen zu ermöglichen. In der Hoffnung, so den Tourismus fördern zu können, griff die Baubehörde diesen Vorschlag auf. In der Genehmigung erklärte sie freimütig, dass durch den Neubau verbotswidrig Natur zerstört und aufgrund der nun notwendigen Anrampung Flächen des Naturschutzgebietes verloren gingen. Mit den konkreten und vor allem den dauerhaften Folgen des Eingriffs für das Schutzgebiet beschäftigte sie sich mit keinem Wort - obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet war und ein Naturschutzverband auf die Probleme detailliert hingewiesen hatte. Stattdessen stellte sie pauschal fest, dass die Gründe für den Eingriff wegen möglicher positiver Effekte auf den Tourismus überwiegen würden. Rechtliches zur Verbandsklage Dieser reale Fall zeigt zweierlei: Zum einen führt er vor Augen, was
juristisch als "Vollzugsdefizit im Umweltrecht" bezeichnet wird. Die Regelungen
zum Schutz der Natur sind vorhanden, die Behörde, die in diesem Fall gleichzeitig
die Antragstellerin und Genehmigungsbehörde war, wendet sie aber nicht
an. Eine Befreiung von den Verboten zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt
ist nämlich nur denkbar bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse.
Die Behörde hat nicht erkannt, dass die Ermöglichung des Motorbootverkehrs
zumindest so lange kein öffentliches Interesse sein kann, wie er in dem
betreffenden Abschnitt schlicht verboten ist. Vor allem aber hätte sie
ein überwiegendes öffentliches Interesse nur im Rahmen einer Abwägung
feststellen können. Sachlogisch ist eine Abwägung aber nur möglich, wenn
die Konsequenzen der Umsetzung des Vorhabens bekannt sind. Diesbezüglich
lagen der Behörde weder Erkenntnisse vor noch war sie zu Untersuchungen
bereit. Voraussetzungen einer Verbandsklage Damit Umweltverbände im Rahmen von Verbandsklagen tatsächlich die Interessen
der Allgemeinheit an der Erhaltung der Umwelt geltend machen können, müssen
einige Voraussetzungen erfüllt werden, die je nach Bundesland variieren
können. Zum einen muss der Verein als Umweltverband durch eine bestimmte
staatliche Stelle (meist das Umweltministerium) anerkannt sein. Zum anderen
muss er in dem gesamten Verwaltungsverfahren aktiv mitgewirkt haben und
im Einzelfall tatsächlich klagebefugt sein. Letzteres entscheidet sich
anhand des konkreten Sachverhalts. Genehmigung und Klage In der zweiten Phase werden die Planungen konkretisiert, d.h. aufgetretene
Probleme werden mit den Betroffenen erörtert, mögliche Alternativen werden
abgewogen. Am Ende steht dann entweder die Genehmigung (meistens, wenn
auch regelmäßig mit Auflagen) oder aber die Ablehnung des Vorhabens (selten).
Unter der Voraussetzung, dass das Verfahren unter den noch zu erörternden
Klagekatalog fällt, kann der Naturschutzverband nun Widerspruch gegen
die Genehmigung einlegen. In einigen Fällen ist ein Widerspruchsverfahren
nicht erforderlich, nämlich im Falle eines Planfeststellungsverfahrens
bzw. einer Plangenehmigung; hier kann sofort geklagt werden. In allen
anderen Fällen ist das Widerspruchsverfahren zwingende Voraussetzung für
eine spätere Klageerhebung. Erfolge und Misserfolge In einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 2001 wurden die Verbandsklagen
der Jahre 1997-1999 erfasst.4 In diesem
Zeitraum haben die Gerichte 92 Entscheidungen aufgrund von Verbandsklagen
getroffen. Allein anhand dieser Zahl lässt sich feststellen, dass das
Argument der VerbandsklagegegnerInnen, die Umweltverbände würden sinnlos
jedes Vorhaben blockieren und damit auch noch die Gerichte übermäßig belasten,
nicht den Tatsachen entspricht. Etwa ein Drittel der Verbandsklagen endete
mit einem Erfolg bzw. Teilerfolg für die Verbände. Damit liegt die Erfolgsquote
erheblich höher als in den durchschnittlichen verwaltungsgerichtlichen
Verfahren.5 Besonders hoch liegt die
Quote der (Teil-)Erfolge bei Befreiungen von Ver- und Geboten in Schutzgebieten,
nämlich bei ca. 60 %. Bei dieser Bilanz ist zu berücksichtigen, dass bei
ca. 1/5 der Verfahren von vornherein ein Unterliegen der Verbände absehbar
war, die Verbände sich aber aus umweltpolitischen Gründen (Brisanz der
Vorhaben, Glaubwürdigkeit der Verbände, Verzögerungstaktik mit der Hoffnung
auf Änderung der politischen Konstellationen, Klage als Teil der Öffentlichkeitsarbeit)
dennoch zur Klageeinreichung durchgerungen haben. Wenn man das berücksichtigt,
liegt die eigentliche Erfolgsquote noch höher. Defizite Sehr auffällig ist die kleine Anzahl der geführten Verfahren. Die Gründe hierfür liegen in der mangelhaften Ausgestaltung der Verbandsklage: Ein Anlass ist das zu hohe Kostenrisiko. Als Streitwert werden bei Verbandsklagen 10.000 EUR empfohlen.7 Selbst das hiermit verbundene Kostenrisiko wird von den Verbänden regelmäßig als zu hoch eingeschätzt. Kürzlich hat das BVerwG in einer bahnrechtlichen Entscheidung den Streitwert einer Verbandsklage auf 25.000 EUR festgesetzt. Das bedeutet im konkreten Fall ein Kostenrisiko von ca. 6.000 EUR. Angesichts der für diesen Zweck sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bleibt den Verbänden gar nichts anderes übrig, als sich auf die Überprüfung besonders relevanter Fälle zu beschränken. Wichtigster Grund dürfte aber die lückenhafte Ausgestaltung der Verbandsklagebefugnis
sein: In vielen Fällen kommt sie mangels Aufnahme in den Klagekatalog
schlicht nicht in Betracht. Nicht zugelassen ist sie in den meisten Bundesländern
und auf Bundesebene bei Eingriffen in einzelne Biotope, die allein aufgrund
ihres natürlichen Wertes geschützt sind oder bei Befreiungen von Verboten
in Landschaftsschutzgebieten und Naturparken. Auch die Aufstellung von
Bebauungsplänen kann im Rahmen der Verbandsklage nicht angefochten werden,
obwohl gerade diese Pläne die Grundlage für spätere Eingriffe in Natur
und Landschaft schaffen. Ebenfalls müssen die Verbände meistens machtlos
zusehen, wenn Behörden Gebiete einfach nicht als Schutzgebiet ausweisen,
obwohl das fachlich mehr als gerechtfertigt wäre. Besonders gern gehen
Behörden natürlich so vor, wenn auf diesen Flächen zukünftig kritische
Projekte verwirklicht werden sollen. Gutes Instrument, mangelhafte Umsetzung Die Verbandsklage ist ein sehr begrüßenswertes Instrument des Umweltrechts.
In der Mehrzahl der Fälle eröffnet sie überhaupt erst die Möglichkeit
einer gerichtlichen Kontrolle. Sie hat Einiges zur Beseitigung von Rechtsunsicherheiten
beigetragen, was sich durchaus positiv auf die Beteiligungsintensität
der Verbände im Planungsverfahren und auch bei der Prüfung und Abwägung
durch die Behörden auswirkt. Auch nicht zu unterschätzen ist der "Droheffekt"
der Möglichkeit einer Verbandsklage auf die Behörde. Im übrigen werden
die Behörden, die die naturschutzrechtlichen Vorschriften ernst nehmen,
in ihrer Argumentation gestützt, denn diese haben immer Schwierigkeiten,
sich gegenüber wirtschaftlichen Interessen zu behaupten. Nicht zuletzt
haben die Verbände die Möglichkeit, die Verbandsklage in die eigene Öffentlichkeitsarbeit
einzubauen und auch zur verbandsinternen Mobilisierung zu nutzen. Philipp Heinz ist Rechtsanwalt in Berlin. Anmerkungen: 1 siehe Kasten nächste Seite. |