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Über 7,3 Millionen MigrantInnen leben in der BRD1. Sie leben hier, und
sie arbeiten hier. Dabei geht es zunächst um die Möglichkeit, den eigenen
Lebensunterhalt zu finanzieren. In einer kapitalistisch organisierten
Gesellschaft wird die Chance zur Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit
darüberhinaus aber auch zum wesentlichen Faktor für das Selbstwertgefühl
des einzelnen Menschen - und somit für MigrantInnen zur wichtigen Meßlatte
für die persönliche Integration. Aber auch für diejenigen, die sich von
diesem Denken emanzipieren können, kann Arbeit Ausdruck gesellschaftlicher
Teilhabe sein: Jedenfalls stellt die Möglichkeit, sich zwischen der Aufnahme
und der Nichtaufnahme von Erwerbsarbeit zu entscheiden, einen gewichtigen
Aspekt ihrer persönlichen Freiheit dar. Die Nichteinräumung dieser Wahlchance
signalisiert demgegenüber eine tiefe Kluft zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft.
Denn dieses Integrationsangebot wird den MigrantInnen von der deutschen
Gesellschaft vielfach verweigert. Gesetzgebung und Verwaltung werfen ihnen
Knüppel zwischen die Beine und drängen sie in die Illegalität. "Deutsche
Arbeitsplätze zuerst für Deutsche", ist die Maxime - und weder von den
Interessenverbänden der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, noch von
den politischen Parteien, gleich, welcher Couleur, wird sie ernsthaft
in Frage gestellt. Die hohen Schranken vor dem bundesrepublikanischen
Arbeitsmarkt wurden von keiner Bundesregierung seit den 70er Jahren angetastet.
Die Gründe hierfür liegen trotz einer gewissen arbeitsmarktpolitischen
Verbrämung erkennbar im Bereich der Migrationspolitik: Insbesondere Flüchtlinge
und ArmutsmigrantInnen sollen von dem - als "Asylmißbrauch" diffamierten
- Versuch abgeschreckt werden, sich in Deutschland eine wirtschaftliche
Existenz aufzubauen.
Zur Erörterung arbeitsgenehmigungsrechtlicher Restriktionen bedarf es
allerdings einer Eingrenzung. Denn die Gruppe der MigrantInnen ist keineswegs
homogen, und ebensowenig ist es ihre Behandlung durch das deutsche Recht.
Als relativ Privilegierte können dabei neben Eingebürgerten und EG-Mitgliedstaatsangehörigen
die InhaberInnen einer Aufenthaltsberechtigung oder einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis, etwa Asylberechtigte oder Kontingentflüchtlinge
nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz2, gelten. Sie erhalten immerhin formal
gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt - was sie vor ausländerInnenfeindlicher
Diskriminierung im Einzelfall freilich nicht schützt.
Eine zweite Gruppe bilden InhaberInnen sonstiger Aufenthaltsgenehmigungen,
Asylsuchende im Verfahren sowie geduldete Flüchtlinge: Bei ihnen greift
das "Nachrangigkeitsprinzip" voll - einen Arbeitsplatz erhalten sie nur,
wenn für diesen keinE vergleichbar qualifizierteR DeutscheR zu finden
ist. Damit sind sie vom ganz überwiegenden Teil des Arbeitsmarkts faktisch
ausgeschlossen.
Illegalisierten als dritter Gruppe wird in Deutschland keinerlei Möglichkeit
einer legalen Erwerbstätigkeit eingeräumt. Das Problem der Illegalisierung
ist mit Mitteln des Arbeitsgenehmigungsrechts allein nicht zu lösen. Umgekehrt
werden die Angehörigen der ersten Gruppe durch die einschlägigen Vorschriften
wenigstens formal nicht benachteiligt. Das Hauptaugenmerk wird hier daher
auf den Zugangsbeschränkungen liegen, denen sich die Angehörigen der zweiten
genannten Gruppe ausgesetzt sehen, wobei Sonderbestimmungen, z. B. für
Angehörige von in Deutschland lebenden AusländerInnen oder "Green Card"-AspirantInnen
unbeachtet bleiben, um das Verständnis zu erleichtern. Zunächtst werden
die Normen und ihre Auswirkungen bedrachtet, dann sollen Chancen, Nutzen
und Grenzen existierender Durchbrechungsversuche erörtert werden.
Keine Arbeit ohne Genehmigung
Die Logik des deutschen Arbeitsgenehmigungsrechts ist - im Gegensatz
zu seiner komplexen, über mehrere Gesetze und Verordnungen verstreuten
Verschriftlichung - simpel: Arbeiten dürfen sollen grundsätzlich nur die
"guten" AusländerInnen, d. h. jene, die nach den repressiven Bestimmungen
des Aufenthaltsrechts eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland
haben.
Dementsprechend wird die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 284 Abs.
1 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III vom Vorliegen einer Arbeitsgenehmigung
abhängig gemacht, deren Erteilung nur gewährt wird, wenn die/der AntragstellerIn
eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 Ausländergesetz besitzt (Aufenthaltserlaubnis,
-bewilligung oder -befugnis). Zusätzlich darf die Erwerbstätigkeit nicht
durch ein individuelles Arbeitsverbot in Gestalt einer ausländerbehördlichen
Auflage zur Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen sein (§ 284 Abs. 5 SGB
III).
Befreit von der Genehmigungspflicht sind lediglich EG-AusländerInnen sowie
InhaberInnen einer Aufenthaltsberechtigung oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Sie sind rechtlich den InländerInnen gleichgestellt und können auf dem
Arbeitsmarkt jede Beschäftigung annehmen. Der Kreis der so Privilegierten
wird von § 9 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) auf weitere streng eingegrenzte
Personengruppen und Tätigkeiten ausgeweitet, darunter z. B. Beschäftigte
ausländischer Speditionsfirmen, KünstlerInnen, StudentInnen und wissenschaftliches
Lehrpersonal, aber auch leitende Angestellte.
Asylsuchende, Geduldete und Illegalisierte sind somit nach der Logik des
Gesetzes grundsätzlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Ob es die späte
Einsicht war, daß dieser Zustand einen unhaltbaren Verstoß gegen die Menschenwürde
darstellte, oder ob hier handfeste ökonomische Interessen im Spiel waren
- Fakt ist, daß im Zuge zahlreicher Änderungen der 1971 erlassenen Arbeitserlaubnisverordnung
(AEVO) Ausnahmen vom Arbeitsverbot zugunsten Asylsuchender und Geduldeter
gemacht wurden.
Diese finden sich heute - neben Ausnahmen für weitere Gruppen mit speziellem
Aufenthaltsstatus - in § 5 ArGV. Allerdings macht § 3 Nr. 1 ArGV die Erteilung
der Arbeitserlaubnis für die Betroffenen zusätzlich von einer einjährigen
Wartefrist abhängig, während derer die AntragstellerInnen sich erlaubt
oder geduldet im Inland aufgehalten haben müssen.
Illegalisierten wird dagegen weiterhin die Aufnahme jeder legalen Erwerbstätigkeit
verweigert.
Die Vorrangprüfung
Aber auch wer die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung
der Arbeitserlaubnis erfüllt, d. h. einen der "richtigen"
Aufenthaltstitel besitzt bzw. geduldet ist, ist noch lange nicht am Ziel
der Arbeitsgenehmigung angelangt. Vielmehr wird diese gem. § 285
Abs. 1 Nr. 1 u. 2 SGB III nur (erstmalig) erteilt, sofern "sich durch
die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf
den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur,
der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben [und] für die
Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen
hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, nicht
zur Verfügung stehen."
Hinter diesen Worten verbirgt sich die zweite höchst effektive Hürde
für MigrantInnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt: die sogenannte "Vorrangprüfung".
Sie erfolgt nämlich in zwei Schritten zum einen global, zum anderen individuell.
Bei der globalen Vorrangprüfung wird davon ausgegangen, daß es bestimmte
Berufe und Wirtschaftszweige gibt, für die statistisch generell kein Bedarf
an Arbeitskräften besteht. Zu diesem Zweck führen die Arbeitsämter regelmäßig
aktualisierte "Berufsverbotslisten". Ist die angestrebte Beschäftigung
einem solchen Beruf zuzurechnen, verweigert das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis.
In der Flüchtlingsberatung wird darum teilweise mit alternativen Positivlisten
gearbeitet, die "erlaubte" Berufe in verwandten Bereichen aufführen, also
z. B. GebäudereinigerIn statt RaumpflegerIn.
Die individuelle Vorrangprüfung hat gemäß eines Erlasses der Bundesanstalt
für Arbeit (BA) vom 5. März 1993 "in jedem Einzelfall besonders sorgfältig"
zu erfolgen, wofür die BA damals eine Mindestprüffrist von 4 Wochen für
erforderlich hielt. In der Praxis sind eher 6 Wochen die Regel. Erst wenn
sich während dieser Zeit keinE bevorrechtigtE ArbeitnehmerIn findet, erteilt
das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis.
Auch von diesen Bestimmungen läßt die ArGV jedoch eine Ausnahme zu: Gemäß
§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ArGV kann die Arbeitserlaubnis ohne vorherige Vorrangprüfung
erteilt werden, wenn ihre Versagung unter Berücksichtigung der besonderen
Verhältnisse des Falles eine besondere Härte bedeuten würde. Auf die Bedeutung
dieses unbestimmten Rechtsbegriffs und seine Auslegung in der sozialgerichtlichen
Praxis seit Inkrafttreten der Regelung am 15. Dezember 2000 wird unter
dem Gesichtspunkt der Durchbrechungsversuche näher einzugehen sein.
Hürde in der Praxis: Formale Qualifikationen
Eine weitere, nicht direkt im AusländerInnen- und Arbeitsmarktrecht angelegte
Erschwernis für MigrantInnen liegt in der hochgradigen Fixierung des deutschen
Arbeitsmarktes auf formal nachweisbare Qualifikationen. Schul-, Hochschul-
und Berufsabschlüsse existieren in vielen Ländern nicht in der gleichen
Dichte und Differenziertheit wie in Deutschland. Gerade berufliche Qualifikationen
im handwerklichen Bereich werden oft per "learning by doing" erworben
und durch kein Zertifikat dokumentiert. Verfügt einE MigrantIn dennoch
über entsprechende Nachweise, so ist deren Anerkennung in Deutschland
unsicher und erfolgt oft willkürlich, teils erkennbar motiviert durch
den Schutz bestimmter Berufsgruppen vor Konkurrenz.
In besonderem Maße sind von dieser Barriere Flüchtlinge betroffen, die
zum Nachweis geeignete Dokumente auf einer Odyssee um die halbe Welt verloren
haben und praktisch nicht wiederbeschaffen können. Unter diesen wiederum
sind es überproportional häufig Frauen, deren - oft außerhalb normierter
Systeme erworbene - Qualifikationen nicht anerkannt werden.
Die verquere Situation des deutschen Arbeitsgenehmigungsrechts fordert
zu Durchbrechungsversuchen heraus. Auf einige der wichtigsten soll im
Folgenden exemplarisch eingegangen werden.
Begrenzte Hilfe vor Gericht
Angeregt durch viele Einzelschicksale aus der anwaltlichen und der sonstigen
Beratungspraxis, hatte sich die Rechtsprechung wiederholt mit den Unzulänglichkeiten
des Arbeitsgenehmigungsrechts befaßt. Dabei waren aus der Sicht der Betroffenen
durchaus einige Erfolge zu verzeichnen: So wurde etwa in Einzelfällen
festgestellt, daß die vom Arbeitsamt vorgenommene globale Arbeitsmarktprüfung
das Recht des arbeitsuchenden Menschen auf individuelle Prüfung seiner
besonderen Situation vernachlässige3.
Vor allem die Härtefallregelung, in wechselnder Formulierung in der ArGV
und zuvor im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) enthalten, bildete einen Ansatzpunkt
zur Korrektur repressiver Verwaltungsentscheidungen. Ausgangspunkt war
dabei stets die Überlegung, daß es einen nicht hinnehmbaren Eingriff in
die Menschenwürde bedeute, eineR MigrantIn die Möglichkeit der Integration
in die Gesellschaft des Aufnahmelands mittels Erwerbstätigkeit vorzuenthalten
und sie/ihn stattdessen zur Deckung des Lebensbedarfs langfristig auf
den Bezug von Sozialleistungen zu verweisen4.
Der Integrationsbedarf kann jedoch nach Auffassung der Sozialgerichte
regelmäßig nur dann zur Erteilung einer Härtefall-Arbeitserlaubnis führen,
wenn die Rückkehr ins Herkunftland auf absehbare Zeit nicht möglich oder
zumutbar ist und bei Verweigerung der Arbeitserlaubnis die dauerhafte
Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge droht5. Eine - nach dem alten AFG
noch erforderliche - bereits erfolgte Eingliederung ins Arbeitsleben wird
dagegen nach dem geltenden Recht nicht mehr verlangt.
Wichtige Fallgestaltungen, bei denen die Rückkehr ins Herkunftland als
unzumutbar gilt, können nach Ansicht der RichterInnen z. B. eine langfristige
Bleibeperspektive wegen Erziehungsgemeinschaft mit einem in Deutschland
lebenden Kind6 oder - zumindest bis zum Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes
- wegen Bestehens einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft7 sein.
Wiederholt wurden auch Härtefall-Arbeitsgenehmigungen in Fällen sogenannter
"Zirkularität" zugesprochen, wenn die Erteilung der Arbeitsgenehmigung
vom Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung abhing, diese wiederum die
Beendigung des Sozialhilfebezugs voraussetzte8. Schließlich konnten auch
Abschiebehindernisse nach §§ 51, 53 AuslG und bürgerkriegsbedingte Traumatisierung
die erforderliche langfristige Bleibeperspektive begründen9.
Mögen alle diese Entscheidungen zwar in Einzelfällen in begrüßenswerter
Weise zur Abwendung besonderer Härten geführt haben, so ist der Pferdefuß
der Härtefallregelung doch evident: Solange sie von der Verstetigung des
Aufenthalts in Deutschland abhängig gemacht wird, sitzt die Arbeitsverwaltung
hier im Zweifel am längeren Hebel, wenn sie darauf verweisen kann, der
Aufenthalt deR BetroffeneN sei ja so sicher nicht. Dies ist um so bedenklicher,
als bei deutschen Ausländerbehörden derzeit zunehmende Versuche zu beobachten
sind, Flüchtlinge auch nach Jahren des Aufenthalts in Deutschland und
weitgehend erfolgreicher Integration dennoch abzuschieben, sobald sich
im Herkunftsland der flüchtige Schatten einer Normalisierung der Verhältnisse
abzeichnet. Der Integration gerade von MigrantInnen mit unsicherem Aufenthaltsstatus
ist damit jedenfalls wenig gedient.
Europäische Integration versus deutsche Ausgrenzung
Neue Wege zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Ungleichheiten auf
dem Arbeitsmarkt zu suchen, ist Ziel der EU-Gemeinschaftsinitiative "Equal".
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von Angeboten, mit denen
es Asylsuchenden erleichtert werden soll, ihre beruflichen Fertigkeiten
zu verbessern, um so auch deren Integration zu fördern. "Equal", vom Europäischen
Sozialfonds mitfinanziert, arbeitet in Form sogenannter "Entwicklungspartnerschaften"
(EP) mit lokalen und regionalen TrägerInnen. Gemeinschaftsweit existieren
1500 EPs, davon 109 in der BRD, von denen sich wiederum acht schwerpunktmäßig
der Integration von Asylsuchenden widmen10.
In den EPs wurde ein umfangreiches Programm an Integrationsmaßnahmen erarbeitet.
Im Fall der regionalen EP "Equal Hamburg" gehören dazu beispielsweise
sprachliche und schulische Qualifizierung ebenso wie berufliche Förderung
und Ausbildung, aber auch die psychologische und psychotherapeutische
Betreuung von Traumatisierten. Schwerpunkte werden dabei u. a. auf die
Förderung von Frauen sowie auf die Ermittlung und Dokumentierung informeller
Qualifikationen gelegt.
Im Grundsatz also ein vielversprechendes Projekt - wäre da nicht jener
kleine Zusatz in der Projektbeschreibung: Die Qualifizierung der Asylsuchenden
soll mit dem Ziel geschehen, ihre Integration in ihre Heimatländer zu
verbessern. Nun mag sich einE aufmerksameR BeobachterIn zum einen fragen,
wer sich denn in seine Heimat integrieren müsse, und zum anderen, ob bei
einem Land, aus dem Menschen fliehen, um anderswo Schutz zu suchen, von
"Heimat" gesprochen werden kann.
Dennoch bietet equal derzeit die wohl weitgehendste Möglichkeit, der Zielgruppe
- Asylsuchende, Geduldete, InhaberInnen einer Aufenthaltsbefugnis sowie
deren Angehörigen - eine Perspektive zur Integration auch auf dem deutschen
Arbeitsmarkt zu öffnen, und dies obendrein mit staatlicher Förderung.
Diese Chance haben auch die MitarbeiterInnen der teilnehmenden Organisationen
erkannt und den Behörden einige entscheidende Vorteile für ProjektteilnehmerInnen
abgetrotzt. So wird in Hamburg für die Teilnahme an Fördermaßnahmen im
Rahmen von "Equal" keine Arbeitserlaubnis benötigt, solange die Dauer
der Maßnahme sechs Monate nicht übersteigt. Für längere Maßnahmen hat
das Arbeitsamt die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen ohne Vorrangprüfung
zugesagt, da die Programme auf die Zielgruppe zugeschnitten seien und
generell Deutschen nicht offenstünden.
Zum Zankapfel ist dabei geworden, wer ProjektteilnehmerIn und was überhaupt
eine "Equal"-Maßnahme ist: Die TrägerInnen wollen hier den Rahmen möglichst
weit stecken. Sie verweisen darauf, daß z. B. ausbildungsvorbereitende
Maßnahmen für Jugendliche keinen Sinn machten, wenn den Geförderten hinterher
keine Arbeitsgenehmigung für eine betriebliche Ausbildung gegeben werde
- zumal mit den entsprechenden Ausbildungsbetrieben von vornherein strategische
Partnerschaften geschlossen wurden. Das Arbeitsamt will dagegen Arbeitserlaubnisse
ohne Vorrangprüfung nur für eine Beschäftigung bei den TrägerInnen selbst
ausgeben.
Teilweise ergeben sich in dieser Auseinandersetzung durchaus überraschende
Bündnisse: So empörte sich ein Unternehmer bei einer Auswertungsrunde
in der Hamburger Handelskammer, er lasse sich doch nicht von den Behörden
vorschreiben, welchen Jugendlichen er einstelle. Der Ausgang der Kontroverse
war bei Redaktionsschluß noch ungewiß.
Das Zuwanderungsgesetz - hilfreiche Perspektive?
Das vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterte Zuwanderungsgesetz
sah die vollständige Abschaffung der Arbeitsgenehmigung vor und schien
somit eine alte integrationspolitische Forderung zu erfüllen: Mit dem
gesicherten Aufenthaltstitel sollte regelmäßig auch die Möglichkeit verbunden
sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Konterkariert wurde dieser Ansatz allerdings durch eine geplante Mitwirkung
der Arbeitsverwaltung bei der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung: Letztlich
sollte die altvertraute Vorrangprüfung somit aus dem separaten Arbeitsgenehmigungs-
ins Aufenthaltsgenehmigungsverfahren verlagert werden. Den Betroffenen
wäre durch diese Gestaltung wenig geholfen worden: Statt gegen die Verweigerung
der Arbeitsgenehmigung hätten sie sich in Zukunft gegen eine Auflage zur
Aufenthaltsgenehmigung in Gestalt eines vollständigen oder berufsgruppenbezogenen
Arbeitsverbots wehren müssen. Insofern muß auch in dieser Hinsicht dem
Zuwanderungsgesetz aus integrationspolitischer Sicht keine Träne nachgeweint
werden.
Informelle Beschäftigung
Wo alle legalen Wege sich verschlossen zeigen, findet im extralegalen
Bereich zusammen, was zusammenstrebt: MigrantInnen, die verzweifelt genug
sind, jede Tätigkeit zu jeden Konditionen anzunehmen, und ArbeitgeberInnen,
die Beschäftigte suchen für Tätigkeiten, die so risikoreich, belastend
oder schlecht bezahlt sind, daß sich auf dem normalen Arbeitsmarkt keinE
BewerberIn dafür findet.
Die Motive können unterschiedlich sein und auf seiten der MigrantInnen
in der wirtschaftlichen Aushungerung durch das Asylbewerberleistungsgesetz
ebenso liegen wie in finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Familie
im Herkunftsland, aber auch gegenüber FluchthelferInnen bzw. "SchleuserInnen".
Die Ergebnisse sind immer wieder die gleichen: Arbeitsverhältnisse, die
durch inadäquate Entlohnung, fehlende Absicherung durch Sozial- und Unfallversicherungen
und behördliche Verfolgung gekennzeichnet sind.
Dabei tragen die arbeitsuchenden MigrantInnen das weitaus höhere Risiko:
Ihnen drohen im Fall einer Entdeckung Abschiebehaft und Abschiebung, also
nicht nur der Verlust jeglicher selbständig erwirtschafteten Lebensgrundlage,
sondern - im Extremfall - Folter und Mord im Herkunftsland.
Schlußfolgerungen
Das derzeit geltende Recht schließt große Gruppen arbeitsbereiter und
arbeitsuchender Menschen vom deutschen Arbeitsmarkt aus. Dies bedeutet
für die Betroffenen eine erhebliche psychosoziale wie wirtschaftliche
Belastung und Gefährdung des Integrationserfolgs. Damit werden ihre Rechte
auf gesellschaftliche Teilhabe eklatant mißachtet - und wer sich dem widersetzt,
wird illegalisiert.
Das Nachrangigkeitsprinzip muß daher fallen - besser noch das ganze System
der Arbeitsgenehmigungen. Allen in der BRD lebenden Menschen ist gleichberechtigter
Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Ein angestrebter (und in seiner Legitimität
höchst zweifelhafter) migrationspolitischer Abschreckungseffekt darf nicht
länger der notwendigen Integration der hier lebenden MigrantInnen im Weg
stehen.
Sofern eine generelle, mit jedem legalen Aufenthaltsstatus verbundene
Arbeitserlaubnis nicht zu erreichen ist, muß mindestens eine Arbeitsgenehmigung
für jeden Menschen, dessen Aufenthalt in der BRD erkennbar auf Dauer angelegt
ist, gefordert werden. Davon wird z. B. bei einer Duldung für mehr als
drei Jahre auszugehen sein.
Mit der Legalisierung der Beschäftigungsverhältnisse wäre zugleich der
sogenannte "Schwarzarbeit" der Boden entzogen. Damit wäre der Weg offen
für die Festlegung und Kontrolle von Mindeststandards, was Arbeitsschutz
und soziale Absicherung der Beschäftigten angeht, gegebenenfalls auch
um den Preis einer Lohnstruktur am unteren Rand des tariflich Erträglichen.
Damit soll keineswegs einer generellen Beschäftigung von MigrantInnen
in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen das Wort geredet werden. Aber
auch schlechtbezahlte Jobs können Trittbretter für einen (wenn auch bescheidenen)
Aufstieg sein, sofern die Grundvoraussetzung eines nach oben durchlässigen
Arbeitsmarkts gegeben ist - und sie werden von den Betroffenen auch durchaus
so verstanden.
Heiko Habe studiert Jura in Hamburg und ist in einem ehrenamtlichen
Projekt in der Rechtsberatung von MigrantInnen tätig.
Anmerkungen:
1 Statistisches Bundesamt, Stand 2001, Quelle: www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab7.htm,
Stand: 2. April 2003. Nicht eingerechnet sind ca. 178 000 Eingebürgerte.
2 Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene
Flüchtlinge v. 22. Juli 1980, BGBl. I 1980, 1057, zuletzt geändert durch
Art. 3 d. Gesetzes v. 29. Oktober 1997, BGBl. I 1997, 2584; das Gesetz
sollte durch das Zuwanderungsgesetz m. W. v. 1.1.2003 aufgehoben werden.
3 Vgl. BayLSG, InfAuslR 2000, S. 350 ff.; SG Münster, InfAuslR
2000, S. 90 f.; SG Augsburg, InfAuslR 2000, S. 121 f.
4 Vgl. BSG SozR 4100 § 19 Nr. 22, S. 82; SG Berlin S 51 AL 1830/96 v.
26.2.99, 3. Leitsatz
5 Vgl. BSG Urt. v. 8.6.89 - 7 RAr 114/88, S. 15.
6 Vgl. BSG - 7 RAr 92/81, S. 13.
7 SächsLSG, InfAuslR 1997, S. 414 f.; anders LSG NRW, Urt. v. 8.6.2000
- L 9 AL 196/99; LSG Berlin, Beschluß v. 26.5.2000 - L10 B 84/00 ER.
8 Vgl. LSG Berlin, InfAuslR 1995, S. 164 f.
9 Vgl. VG Karlsruhe, NVwZ/Beilage 1998, S. 111; VG Berlin - 35
F 20.99; VGH Kassel, NVwZ/Beilage 99, 44.
10 Informationen zu equal unter http://www.equal-de.de/.
Literatur
Classen, Georg: Neue Entscheidungen zum Flüchtlingssozialrecht,
www.dim-net.de/site/html/downloads.htm
Geiger, Udo: Die Härtefall-Arbeitserlaubnis nach dem SGB III, InfAuslR
1999, S. 356-359
Geiger, Udo: Arbeitsgenehmigungsrecht - Aktuelle Entwicklung und
Rechtsprechung, InfAuslR 2001, S. 142-146
Hügel, Volker-Maria: Das Arbeitsgenehmigungsverfahren für Flüchtlinge,
www.proasyl.de/texte/mappe/2001/43/1.pdf
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