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Kritische Justiz   Heft 4/2003
Arbeit
Ausgrenzung und Ausbeutung

Seite 139
 
 

"[...] Wir glauben euch nicht mehr und eurer Waage -
Das Ding hängt schief! Das sehn wir alle Tage.
Die Binde der Justitia - welch ein Bruch!
Steht auf!
Und dies sei euer Urteilsspruch:
Sehn wir euch an, packt uns ein tiefes Graun -
Wir haben zu euch Richtern kein Vertraun!
Im Namen des Volkes -!"

Die in dem Spottlied "Zu einigen dieser Prozesse" von Kurt Tucholsky ausgedrückte Empörung über eine parteiische "Justiz, von einer Klasse über unterjochte Klassen ausgeübt..." teilten in der Geschichte viele kritisch denkende Juristinnen und Juristen. Republikanische RechtsanwältInnen in der Weimarer Republik nutzten ihren Beruf, um in den politischen Prozessen einer unbeirrt kaisertreuen und reaktionären Richterschaft Linke zu verteidigen und Nazis offensiv zu begegnen. Die Auseinandersetzung setzen AnwältInnen in der jungen Bundesrepublik fort, als sie sich in Folge der bereits früh einsetzenden Kommunistenverfolgung erneut den unbehelligt gebliebenen VertreterInnen der NS-Justiz gegenübersahen. Und als in den siebziger Jahren der Staat auf die gesellschaftlichen Konflikte mit einem ausschweifenden Staatsschutzsystem reagierte, fochten fortschrittliche StrafverteidigerInnen in den berüchtigten Terrorismus- und Berufsverbotsprozessen gegen den rapiden Abbau der Grund- und Beschuldigtenrechte an.
Abseits der politischen Strafjustiz vertraten linke Rechtsbeistände ArbeiterInnen in Betriebskämpfen, setzten sich für die Rechte von MigrantInnen und Flüchtlingen ein, kämpften mit linken AktivistInnen und Projekten gegen Maßnahmen der Verwaltungs- und Polizeibehörden und pochten darauf, dass die staatlichen Institutionen zumindest die in der Verfassung vorgegebenen Spielregeln hätten einhalten müssen.
Und ihrer Klage- und Anzeigemöglichkeiten bewusste AdvokatInnen erinnerten die Verantwortlichen in Deutschland unermüdlich daran, dass sie die Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit zu tragen, strafrechtlich zu verfolgen sowie die Opfer angemessen zu entschädigen hätten oder dass es ihnen auch deshalb bei Strafe untersagt sei, Angriffskriege zu planen und zu führen.
Andere emanzipative JuristInnen nutzten ihre Kenntnisse, um mit rechtswissenschaftlicher Methodik das Justizsystem zu analysieren und die Ergebnisse in die marxistischen Gesellschaftsanalyse zu integrieren.

Wir möchten der Erinnerung an diese kritische Justiz mit einer neuen Rubrik ein Forum geben. In den Seiten der Kritischen Justiz soll die Geschichte von rechtlichen Auseinandersetzungen, linken JuristInnen und juristischen Organisationen, Prozessen sowie von Theorien und Analysen nacherzählt werden, um uns und unseren LeserInnen ein Bewusststein dafür zu schaffen, dass wir mit dem Wissen um juristische Verfahrensmöglichkeiten politisch agieren können und müssen.

Redaktion Forum Recht