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Politische Justiz | Heft
2/2004 freie Leere Bildung für den Wettbewerb Seite 70 |
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Verbrechensbekämpfung Nationalsozialismus. Am 17. Juni 1944 wies Generalfeldmarschall Kesselring die Wehrmachtstruppen an: "Wo Banden in größerer Zahl auftreten, ist der in diesem Bezirk wohnende, jeweils zu bestimmende Prozentsatz der männlichen Bevölkerung festzunehmen und bei vorkommenden Gewalttätigkeiten zu erschießen. [...] Werden Soldaten usw. aus Ortschaften beschossen, so ist die Ortschaft niederzubrennen. Täter oder Rädelsführer sind öffentlich aufzuhängen." Der Oberbefehlshaber über das besetzte Italien setzte damit den so genannten "Bandenbekämpfungsbefehl" Adolf Hitlers vom 16.12.1942 um, der ursprünglich zur Bekämpfung der PartisanInnen an der Ostfront erlassen worden war. Der Führerbefehl beinhaltete die Anweisung, "ohne Einschränkungen auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg" führe und sicherte den Soldaten Straffreiheit zu. Für die verheerenden Folgen, die jene Art der deutschen Verbrechensbekämpfung auf die Zivilbevölkerung hatte, stehen gut 250 italienische Ortsnamen, in denen teilweise die gesamte Dorfbevölkerung massakriert wurde. Die Zahl der zivilen Opfer wird auf 10.000 geschätzt. Dem Versprechen, die Täter von einer Strafverfolgung zu verschonen, blieben die deutschen Behörden auch nach Ende des Vernichtungskrieges im wesentlichen treu. Auch die italienischen Behörden verzichteten jahrzehntelang auf eine
intensivere Strafverfolgung, um die bundesdeutsche Wiederbewaffnung nicht
zu stören. Erst Mitte der 1990er Jahre wurden verschiedene Stellen in
Italien aktiv und baten in etwa 100 Fällen deutsche Behörden um Amtshilfe.
Die jedoch blockten in mindestens 25 Fällen bis zum Fristablauf die Ersuchen
ab. In anderen Fällen ermittelten die deutschen Behörden selbst, mit viel
sagendem Ergebnis: So verurteilte am 4. Juli 2002 das Hamburger Landgericht
den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Friedrich Engel zu sieben Jahren
Haft wegen des Mordes an 59 Gefangenen 1944 am Turchino-Pass bei Genua.
Bislang ist der 94-Jährige für seine Verbrechen allerdings nicht zur Verantwortung
gezogen worden. Engel, der über Jahrzehnte unbehelligt in Hamburg lebte,
wird vom Gericht für haftunfähig gehalten, außerdem hat er gegen das Urteil
Revision eingelegt. Zu dem als "letzten großen Kriegsverbrecherprozess"
bezeichneten Hauptverfahren kam es erst, nachdem Engel in Italien 1999
in Abwesenheit wegen 246-fachen Mordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt
worden war. Kollektive Haft § 129a StGB. Eine Batterie, eine Fahrradglühbirne und Reste von Feuerwerkskörpern sowie Hinweise auf die politische Gesinnung der Angeklagten reichten dem Oberlandesgericht Naumburg aus, um Marco und Daniel zu zweieinhalb Jahren Haft bzw. zwei Jahren Jugendstrafe zu verurteilen. Der Erste Strafsenat sah es als erwiesen an, dass die beiden Magdeburger unter wechselnden Gruppenbezeichnungen vier Brandanschläge verübt hätten. Die fragwürdigen Indizien resultierten aus einem Ermittlungsverfahren, das ursprünglich wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Strafgesetzbuch eröffnet worden war. Das Gericht sprach die Angeklagten von diesem Vorwurf frei. Der als verfassungswidrig kritisierte Kollektivtatbestand ermöglichte es den Strafverfolgungsbehörden, gesonderte Ermittlungsbefugnisse wahrzunehmen, mit deren Hilfe offensichtlich die örtliche linke Szene kriminalisiert werden soll (Forum Recht 1/2004). Bezeichnender Weise hat die Bundesanwaltschaft mittlerweile weitere Ermittlungsverfahren nach dem Anti-Terror-Gesetz gegen das Umfeld der Betroffenen eingeleitet. Ärger im Revier Polizei. In zwei unabhängig voneinander erhobenen Studien haben
die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International (ai) und Aktion
Courage ein deutliches Bild über die Brutalität hiesiger Polizeieinsätze
gezeichnet. Danach seien in den vergangenen Jahren zahlreiche Menschen
Opfer unverhältnismäßiger Gewalt durch PolizeibeamtInnen geworden. Die
Studien dokumentieren diverse exemplarische Fälle, bei denen PolizistInnen
Grundrechte verletzt und Gefangene willkürlich misshandelt hätten. Viele
Betroffene der Zwangsmaßnahmen wurden dabei schwer verletzt, für einige
hätten sie sogar tödliche Folgen gehabt. Zudem seien vor allem Menschen
nichtdeutscher Herkunft Opfer von Polizeigewalt. Anklage Rote Armee Fraktion. Gegen Andrea Klump ist Anklage vor dem Oberlandesgericht Stuttgart erhoben wurden. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft habe sich der Verdacht erhärtet, dass die ehemalige RAF-Angehörige 1991 einen Anschlag auf russische Juden und Jüdinnen in Budapest zu verantworten hat. Fünf Personen wurden verletzt. Die Gruppe aus der Sowjetunion befand sich seinerzeit auf der Ausreise nach Israel. Nach Angaben der Strafverfolgungsbehörden handelte Klump im Auftrag einer palästinensischen Organisation, die sich als "Bewegung zur Befreiung Jerusalems" zu dem Anschlag bekannt hatte. Andrea Klump ist bereits wegen anderer Delikte zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. |