Tanja Nitschke |
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Verbrechen Privatkopie | Heft
3/2004 Dataismus - eine Gesellschaft überwacht sich selbst Seite 85-87 |
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Zur Diskussion um die Urheberrechtsreform |
"Raubkopierer sind Verbrecher" - so behauptet eine Kampagne der Filmindustrie1,
die seit Herbst 2003 bei KinobesucherInnen Verwunderung, Amüsement oder
Buhrufe hervorruft. Hintergrund dieser Einschüchterungskampagne ist das
zum 1. September 2003 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung des Urheberrechts
in der Informationsgesellschaft, welches das Urheberrechtsgesetz novelliert.
Es beinhaltet einschneidende Änderungen am Recht auf Privatkopie und sanktioniert
die Umgehung technischer Kopierschutzmechanismen. Damit zielt das Gesetz
in erster Linie auf Tauschbörsen für Musik und digitale Filme im Internet,
die von der Musik- und Filmindustrie heftig bekämpft wurden und werden.
Recht auf Privatkopie Um die Tragweite der beiden Urheberrechtsnovellen zu erschließen, bedarf
es einiger grundsätzlicher Überlegungen zum Recht auf Privatkopie. Nach
§ 53 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) in der vor dem 1. September 2003
geltenden Fassung bedeutete das Privatkopierrecht das Recht, einzelne
Kopien eines urheberrechtlich geschützten Werkes für den privaten Gebrauch
anzufertigen. Es stellt damit eine Schranke zu dem ansonsten bestehenden
ausschließlichen Verwertungsrecht der UrheberInnen an ihrem Werk dar,
oder anders gesagt eine gesetzliche Lizenz für die private Vervielfältigung
von Werken. Grund für die gesetzliche Normierung des Privatkopierrechts waren allerdings nicht die skizzierten normativen Überlegungen, sondern wirtschaftlich-technische: Geschaffen wurde § 53 UrhG im Rahmen der Urheberrechtsreform 1965, weil mit der wachsenden Verbreitung von Fotokopierern, Videorekordern u.ä. die massenhafte Vervielfältigung immer einfacher wurde und damit eine Kontrolle der UrheberInnen über die Nutzung ihrer Werke, d.h. eine Durchsetzung ihrer Vergütungsansprüche, kaum mehr möglich war. Als Ausgleich dafür wurde ein pauschales Vergütungssystem in Form von Abgaben geschaffen, die auf Vervielfältigungsgeräte und seit 1985 auch auf Leerdatenträger erhoben werden.4 Diese Abgaben werden durch Verwertungsgesellschaften (z.B. die Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte, besser bekannt als GEMA) an die UrheberInnen verteilt. Napster & Co. Die technischen Innovationen insb. seit Mitte der 1990er Jahre ließen
dieses System des Privatkopierrechts gegen Pauschalvergütung jedoch ins
Wanken geraten: Mittels moderner Computertechnologie können schnell und
einfach Kopien erstellt werden, die qualitativ nicht vom Originalwerk
unterscheidbar sind. Zudem verbreiteten sich im Zuge des Internetbooms
Filesharing-Börsen wie Napster, Gnutella oder jüngst Kazaa, über die digitale
Kopien von Musikstücken oder Filmen weltweit ausgetauscht werden können.
Internationale Verflechtung Als Reaktion hierauf schuf die World Intellectual Property Organisation
(WIPO, Weltorganisation für geistiges Eigentum) ein ausschließliches Verwertungsrecht
von UrheberInnen an ihren Werken - d.h. das alleinige Recht, Werke im
Internet zum Download anzubieten - sowie ein Verbot der Umgehung technischer
Kopierschutzmaßnahmen, die im WIPO Copyright Treaty und im WIPO Performances
and Phonograms Treaty niedergelegt sind.6 Da sämtliche Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union (EU) Mitglieder der WIPO sind, mussten die beiden
Verträge in nationales Recht umgesetzt werden. Um die einheitliche Umsetzung
der WIPO-Vorgaben in der EU zu gewährleisten, wurden diese in der Richtlinie
zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft7 für die EU-Mitgliedsstaaten
verbindlich konkretisiert. Privatkopie light Der neu gefasste § 53 Abs. 1 UrhG gestattet NutzerInnen die Anfertigung
einzelner Kopien zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, soweit
diese nicht von einer offensichtlich rechtswidrigen Vorlage erstellt werden.
Auf den ersten Blick scheint der Unterschied zur bisherigen Fassung der
Vorschrift9 marginal. Erfreulich ist zwar die ausdrückliche Klarstellung,
dass das Privatkopierrecht sich auch auf die Anfertigung digitaler Kopien
erstreckt - dies war auch erklärtes Ziel des Gesetzgebers.10 Bei genauerer
Betrachtung stellt sich das Recht auf digitale Privatkopie allerdings
als Farce heraus. Kopierschutz tötet digitale Privatkopie Das eigentliche Problem des Ersten Korbes der UrhG-Novelle liegt allerdings
auch nicht in dieser der Rechtssicherheit für NutzerInnen nicht eben förderlichen
Schwammigkeit der gesetzlichen Anforderungen an legale Privatkopien. Vielmehr
liegt es in den in §§ 95a ff UrhG n.F. normierten Vorschriften zum Schutz
technischer Kopierschutzmaßnahmen. Das Ausmaß des Ärgernisses Kopierschutz wird bei einem Blick auf die eingesetzten Kopierschutzmechanismen deutlich: Durch absichtlich erzeugte Fehler wird bewirkt, dass eine Original-CD oder -DVD nicht mehr in PC-Laufwerken gelesen, abgespielt und/oder kopiert werden kann.12 Zudem können ältere Wiedergabegeräte und Auto-CD-Player diese absichtlich fehlerhaften Datenträger meist nicht abspielen. Wer eine CD dennoch genießen möchte, dem/der bleibt der - legale, aber teure - Kauf des jeweils neuesten Abspielgeräts, das - illegale - Knacken des Kopierschutzes oder das Herunterladen der CD aus einer - illegalen - Filesharing-Börse im Internet, gegen die die Musikindustrie wettert, während sie gleichzeitig ihre verbliebenen zahlenden KundInnen mit unbenutzbaren Produkten vergrault. Bundesjustizministerin Zypries geht jedenfalls am Problem vorbei mit ihrer Aussage, wenn CDs wegen Kopierschutz nicht mehr abspielbar seien, könnten KäuferInnen ja im Wege des Gewährleistungsrechts ihr Geld zurück bekommen:13 Faule Eier im Zweiten Korb Der Erste Korb der Urheberrechtsreform wirft also augenscheinlich mehr
Probleme auf als er zu lösen vorhatte; diese Streitpunkte schwelen in
der Diskussion um den Zweiten Korb weiter und vermischen sich mit einer
Reihe weiterer strittiger Themen, die bei der ersten Reformrunde zurück
gestellt wurden, um eine allzu große Überschreitung der Umsetzungsfrist
für die EU-Urheberrechtsrichtlinie zu vermeiden. Zentral sind dabei die
eng verknüpften Bereiche urheberrechtliches Vergütungssystem, Durchsetzung
urheberrechtlicher Ansprüche im Internet, Privatkopierrecht und so genanntes
Digital Rights Managements (DRM). Digitale Rechte? Brisanter als die Frage der Höhe der Abgaben ist jedoch die Frage, ob
das pauschale Vergütungssystem neben dem System individueller Lizensierung
bestehen bleiben kann und soll. Letzteres kann durch DRM-Systeme verwirklicht
werden, deren Einsatz durch den Schutz von Kopiermaßnahmen im Ersten Korb
der Urheberrechtsreform ermöglicht wird. DRM-Systeme sind elektronische
Vertriebssysteme, mittels derer digitale Werke individuell lizensiert
und dabei der Umfang ihrer Nutzung genau bestimmt werden kann. Beim Herunterladen
eines Musiktitels aus dem Internet kann so zum einen die Bezahlung sicher
gestellt werden, zum anderen etwa die Anzahl der Geräte eingeschränkt
werden, auf denen der Titel abgespielt bzw. gespeichert werden darf. Der Provider deines Vertrauens... Unter dem Label "Rechtsdurchsetzung im Internet" wird im Rahmen des Zweiten
Korbes über einen weiteren heiklen Punkt diskutiert: Um Urheberrechtsverletzungen
im Internet besser verfolgen zu können, fordern Verwertungsgesellschaften
und Musikindustrie die Normierung zivilrechtlicher Auskunftsansprüche
gegen Internet-Provider. Im Klartext bedeutet das, dass die Provider Nutzungs-
und Verbindungsdaten von InternetnutzerInnen herausgeben sollen. Dieses
- ohnehin umstrittene - Privileg kommt nach dem Teledienstedatenschutzgesetz
bislang nur Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung von Straftaten im
Internet zu. Nur der kleinste Teil der urheberrechtlichen Verstöße wird
jedoch als Straftaten sanktioniert. Internet-Provider werden damit zu
einer Art Hilfspolizei für GEMA & Co. umfunktioniert. Aus Sicht der informationellen
Selbstbestimmung ist diese Forderung inakzeptabel. Ein derart freigiebiger
Umgang mit den Daten ihrer KundInnen wird auch den Internet-Providern
schwerlich zumutbar sein. Alternativen Die Debatte um geistiges Eigentum in der Informationsgesellschaft wird - nicht zuletzt aufgrund der internationalrechtlichen Vorgaben - absehbar nicht zum Stillstand kommen. Den verschiedenen Tendenzen zu Ausspähen und Kriminalisierung von Internet-NutzerInnen muss dabei entschieden entgegen getreten werden. Deutlich gemacht werden muss aber auch, dass es den KritikerInnen der Urheberrechtsreform nicht darum geht, KünstlerInnen u.ä. um ihre Vergütung zu bringen - gefordert sind vielmehr faire, den Informationsrechten der BürgerInnen Rechnung tragende Lizensierungs- und Vergütungsmechanismen. Die freie Creative Commons-Lizenz16 oder eine "Flatrate" für Privatkopien17 sind weiter verfolgenswerte Ansätze hierfür. Tanja Nitschke ist Doktorandin in Karlsruhe/Nürnberg. Anmerkungen: 1 www.hartabergerecht.de
(20.05.2005). Literatur: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, Sonderheft 2003 zum
Zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle. |