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"Dem Führer und Reichskanzler gilt der unauslöschliche Dank der deutschen
Anwaltschaft für das Reichsgesetz zur Verhütung von Missbräuchen auf dem
Gebiete der Rechtsberatung." Ein solches Pfründengesetz wäre, so führte
der stellvertretende Reichsjuristenführer Raeke in der Juristischen Wochenschrift
von 1936 aus, "im marxistisch-liberalistischen Parteienstaat eine völlige
Unmöglichkeit gewesen [und] konnte nur auf dem festen Boden nationalsozialistischer
und berufsständischer Weltanschauung entstehen".
Mit dem so genannten Rechtsberatungsgesetz (RBerG) wurde auf Empfehlung
des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen 1935 die Rechtsberatung
nur AnwältInnen sowie Personen, denen die behördliche Erlaubnis
dazu erteilt worden war, vorbehalten. Die Nazis zielten mit dem Verbot
auf all jene JustizbeamtInnen und RechtsanwältInnen, die bereits
1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer missbilligten politischen
Haltung aus ihren Berufen verjagt worden waren, sich aber weiterhin um
die juristischen Belange anderer LeidensgenossInnen kümmerten.
Obgleich der Alliierte Kontrollrat nach Ende der nationalsozialistischen
Herrschaft vorgab, sämtliche Nazi-Gesetze zu löschen, blieb das RBerG
im wesentlichen erhalten. Lediglich die entsprechende Ausführungsverordnung,
wonach Juden und Jüdinnen die Erlaubnis zur Rechtsbesorgung nicht erteilt
werden durfte, wurde gestrichen. Noch heute gilt damit die unentgeltliche
altruistische Rechtsberatung als verboten.
Es nimmt daher nicht Wunder, dass auch der diskriminierende Gehalt des
Gesetzes erhalten geblieben ist. Während RichterInnen für kostenlose
juristische Ratschläge an Verwandte und Bekannte höchst selten
belangt werden, werden Menschenrechtsorganisationen oder Selbsthilfegruppen
regelmäßig nach dem Gesetz verfolgt. Immer wieder lassen Behörden
die Staatsanwaltschaften Bußgeldverfahren gegen Personen einleiten,
die etwa Flüchtlingen, Kriegsdienstverweigerern oder Sozialhilfeberechtigten
in rechtlichen Fragen beistehen und dabei unbequeme Kritik an Vorgängen
in deutschen Ämtern äußern.
Eine grundlegende Neufassung des Rechtsberatungsgesetzes scheiterte bisher
nicht zuletzt am Widerstand der Anwaltszunft, die um ihr lukratives Monopol
fürchtet. Die entscheidende Chance zur Reform könnte nun mit dem Bestreben
des EU-Wettbewerbskommissars kommen, bei dem sich die in ihren ökonomischen
Interessen tangierten Versicherungen und Banken beschwerten. Das Gesetz
verstoße gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und das
europäische Wettbewerbsrecht. Im September will das Bundesjustizministerium
einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen.
Stephen Rehmke, Hamburg
Infos: www.rechtsberatungsgesetz.info
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