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Sant'Anna di Stazzema
--> Nationalsozialismus. Der Überlebende Enrico Pieri betonte,
er wolle "keine Rache, nur Wahrheit und Gerechtigkeit". Auch der deutsche
Innenminister fand bekennende Worte zum sechzigsten Jahrestag des Massakers
von Sant'Anna di Stazzema. Angesichts des brutalen und grausamen Massenmords
überkomme ihn "Entsetzen" und "Trauer" sowie "Zorn, weil die strafrechtlichen
Ermittlungen gegen die Mörder nur zögerlich und viel zu spät in Gang gekommen
sind".
Am 12. August 1944 überfielen 400 Soldaten der 16. SS-Panzergrenadierdivision
"Reichsführer-SS" das toskanische Bergdorf und gingen im Rahmen des berüchtigten
"Bandenbekämpfungsbefehls" mit aller Grausamkeit gegen die Zivilbevölkerung
vor. AugenzeugInnenberichten zufolge wurden die meisten BewohnerInnen
zusammengetrieben und erschossen, andere in ihren Häusern mit Handgranaten
umgebracht. Später übergossen die deutschen Soldaten die Leichen mit Benzin
und verbrannten sie. 560 Menschen wurden getötet. Sant'Anna di Stazzema
steht in einer Reihe von 250 weiteren italienischen Orten, in denen teilweise
die gesamte Zivilbevölkerung massakriert wurde. Vor allem in der Toskana
und in angrenzenden Regionen sind von der Waffen-SS und anderer Wehrmachtseinheiten
insgesamt etwa 10.000 italienische ZivilistInnen getötet worden.
Die Strafverfolgung der Täter setzte erst mehr als ein halbes Jahrhundert
später ein. In Italien wurden die dokumentierten Verbrechen mit Rücksicht
auf den westdeutschen Bündnispartner lange Zeit in dem so genannten "Schrank
der Schande" unter Verschluss gehalten, bis schließlich die italienische
Staatsanwaltschaft die ehemaligen SS-Offiziere Gerhard Sommer, Ludwig
Sonntag und Alfred Schönenberg wegen des Massenmords von Sant'Anna di
Stazzema anklagte. Erst dann rührten sich auch die deutschen Ermittlungsbehörden
und strengten ein eigenes Strafverfahren gegen die hochbetagten SS-Männer
an.
Was von derartigen Prozessen zu erwarten ist, zeigt eindrucksvoll der
Fall des NS-Verbrechers Friedrich Engel. Der SS-Sturmbannführer hatte
als Chef des Sicherheitsdienstes (SD) von Genua die Ermordung von 246
italienischen Geiseln zu verantworten. Im Juli 2002 wurde er vom Hamburger
Landgericht wegen einer Vergeltungsaktion, bei der 59 italienische Gefangene
in eine zuvor von ihnen ausgehobene Grube regelrecht hineingeschossen
wurden, zu sieben Jahren Haft wegen Mordes verurteilt. Auf die Revision
Engels hin hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil nun kassiert. Das
Hamburger Gericht hätte nicht ausreichend belegt, dass der in Italien
als "il boila di Genova" (der Henker von Genua) berüchtigte SS-Mann auch
vorsätzlich grausam handelte. Somit fehle es an dem Mordmerkmal der Grausamkeit.
Die BundesrichterInnen stellten das Verfahren gleich für immer ein, mit
Hinweis auf das fortgeschrittene Alter des 95-jährigen Greises und der
Tatsache, dass "mit einer ernstlichen Verfolgung" Engels erst 1995 "und
damit unbegreiflich spät begonnen wurde". So schließen sich die Kreise
im strafrechtlichen Umgang mit der Vergangenheit, in denen weder Wahrheit
noch Gerechtigkeit noch Sühne Platz finden. (str)
Radikalenerlass
--> Berufsverbote. Als vor zwei Jahren Betroffene an die Tausenden
von Berufsverbotsverfahren gegen Linke im Öffentlichen Dienst erinnerten,
schien das nicht mehr als ein Rückblick in die hysterische Zeit der Bundesrepublik
zu sein. Schließlich hatte 1995 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
die auf dem so genannten Radikalenerlass von 1972 basierende Verbotspraxis
als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit bezeichnet.
In Baden-Württemberg ist sie jedoch weiterhin Realität, wie der Heidelberger
Michael Csaszkóczy erfahren musste. Seine Einstellung als Realschullehrer
hat ihm das Kultusministerium auf Anweisung seiner Ministerin Anette Schavan
(CDU) "wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue" verwehrt. Ihm wird u.a.
Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD)
und der Roten Hilfe vorgehalten, wegen derer er auch seit zwölf Jahren
vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Csaszkóczy hat gegen den Beschluss
des Ministeriums Widerspruch eingelegt. In seiner Stellungnahme kommentierte
er treffend: "Ein Klima, in dem der Einzelne Angst haben muss, seine Meinung
frei zu äußern, wenn sie nicht regierungskonform ist, weil er sonst Gefahr
läuft, vom Inlandsgeheimdienst bespitzelt und mit der Vernichtung seiner
beruflichen Existenz bestraft zu werden, ist der Tod jeder Demokratie,
die diesen Namen verdient." (www.gegen-berufsverbote.de)
Keine Meinung
--> Neonazis. Das Bundesverfassungsgericht urteilte indes, dass
für rechtsextreme Organisationen das grundgesetzlich verbriefte Recht
auf Meinungsfreiheit zu gelten habe und gaben damit dem NPD-Landesverband
Nordrhein-Westfalen Recht. Dieser hatte gegen das Verbot einer geplanten
Demonstration in Bochum geklagt, die unter dem Motto "Keine Steuergelder
für den Synagogenbau. Für Meinungsfreiheit." als Ersatzveranstaltung für
eine Aktion mit dem Leitspruch "Stoppt den Synagogenbau - 4 Millionen
fürs Volk!" stattfinden sollte. Die Polizei und später das Oberverwaltungsgericht
Münster hatten in diesen antisemitischen Parolen Hinweise für zu erwartendende
neonazistische Äußerungen gesehen, die eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit darstellten. Darauf allein könne eine Versammlungsverbot jedoch
nicht gestützt werden, so die Karlsruher RichterInnen. (Az.:1 BvQ 19/04)
Geständnis
--> RAF. Ein düsteres Kapitel in der Geschichte der deutschen
Linken offenbart sich im Prozess gegen die ehemalige RAF-Aktivistin Andrea
Klump. Ihr wird vorgeworfen, 1991 an einem Anschlag auf russische Juden
und Jüdinnen in Budapest beteiligt gewesen zu sein, die sich auf der Ausreise
nach Israel befanden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte sich eine
palästinensische Organisation namens "Bewegung zur Befreiung Jerusalems"
zu dem Anschlag bekannt. In einer Einlassung vor dem Oberlandesgericht
Stuttgart am 12. August räumte die Angeklagte nun ein, von den Planungen
zum Attentat gewusst zu haben. Sie habe es abgelehnt, sich daran zu beteiligen,
habe aber ihrem Lebensgefährten Horst Meyer, der zu den Attentätern gehörte,
bei der Beschaffung von Wohnung und Lebensmitteln geholfen. Beide wurden
1999 in Wien gestellt, Horst Meyer wurde dabei erschossen.
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