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Keine Entschädigung für italienische Zwangsarbeiter   Heft 4/2004
unmenschlich -
Migrationspolitik

Seite 138
 
 

Durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. Juni 2004 ist wohl endgültig ausgeschlossen, dass die während des 2. Weltkrieges in Deutschland zur Zwangsarbeit eingesetzten italienischen Militärinternierten (so genannte "IMI") eine Entschädigung erhalten. Zwei der Betroffenen haben in einem Musterverfahren mit ihren Verfassungsbeschwerden keinen Erfolg gehabt.
Wie fast 600.000 weitere italienische Staatsangehörige waren beide zunächst als Kriegsgefangene nach Deutschland deportiert worden und wurden dort nach einiger Zeit als zivile Zwangsarbeiter deklariert. Der Kriegsgefangenenstatus, der ihnen gewisse Schutzrechte gewährt hätte, wurde ihnen völkerrechtswidrig verweigert. Die Behandlung dieser Gruppe von Zwangsarbeitern war durch besonders zerstörerische Lebensbedingungen gekennzeichnet, da die Italiener nach dem Sturz Mussolinis und dem Ausscheiden Italiens aus dem Bündnis mit Nazideutschland 1943 als Verräter angesehen wurden.
Vor dem BVerfG hatten die beiden ehemaligen Zwangsarbeiter versucht, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass ihnen nach 60 Jahren doch noch eine gewisse Entschädigung für die erlittenen Qualen zugestanden werden kann. Dazu wendeten sie sich gegen Bestimmungen des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (Stiftungsgesetz), denen zufolge Entschädigungen für NS-Unrecht einerseits nur noch nach diesem Gesetz beantragt werden können und das andererseits eine Entschädigung für Kriegsgefangene grundsätzlich ausschließt.
Viel zu oberflächlich hat sich das BVerfG mit dem weit gehenden Ausschluss Kriegsgefangener von den Entschädigungsleistungen durch die Stiftung befasst. Ablehnende Entscheidungen der Stiftung gegenüber den beiden italienischen Zwangsarbeitern wurden Ende des Jahres 2003 vom Berliner Oberverwaltungsgericht bestätigt. Wie schon befürchtet (vgl. Forum Recht 2004, 67) haben sich auch die Gerichte der von einem Gutachten des Berliner Völkerrechtlers Christian Tomuschat gestützten - haarsträubenden - Auffassung der Bundesregierung angeschlossen, dass die "IMI" ihren Status als Kriegsgefangene - die völkerrechtlich zu Arbeit herangezogen werden dürfen - zu keinem Zeitpunkt verloren haben, obwohl sie faktisch nicht mehr als solche behandelt wurden.
Die dem zugrunde liegende scheinjuristische Argumentation hat nur das Ziel, die relativ große Zahl von noch lebenden italienischen ZwangsarbeiterInnen von den Stiftungsleistungen auszuschließen, um die Zahlungen nicht noch mickriger aussehen zu lassen als ohnehin schon. Das BVerfG hat hiervon in seiner Entscheidung keine Notiz genommen und damit den offensichtlich ungerechten Zustand zementiert.

Jan Gehrken, Hamburg