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Von Promis und Paparazzis   Heft 4/2004
unmenschlich -
Migrationspolitik

Seite 140
 
 

Eigentlich sollte die Presse - als vierte Gewalt im Staate - neutrale Beobachterin und Kommentatorin sein. Diesmal war sie selbst Partei. Selten zuvor führte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu einer so heftigen Debatte in den Medien. Die Gefahr der Zensur wurde beschworen, von der Politik wurden Reaktionen verlangt. Was war geschehen?
Schon seit Jahren führt die monegassische Prinzessin Caroline, Lieblingsobjekt der Boulevardpresse, immer wieder Prozesse gegen die Veröffentlichung von Photos, die sie in verschiedenen privaten Situationen abbilden. Am Ende stehen nun die beiden Urteile des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des EGMR, die die Grenzen zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit unterschiedlich ziehen. Das BVerfG hatte in einem Grundsatzurteil 1999 entschieden, dass die Prinzessin zu den sog. absoluten Personen der Zeitgeschichte gehört, obwohl sie keine offiziellen Funktionen ausübt. Damit war die Veröffentlichung von Photos auch gegen ihren Willen zulässig, sofern nicht im Einzelfall berechtigte Interessen des Persönlichkeitsschutzes entgegen standen. Letzteres wird insbesondere angenommen bei Bildern, die in einer gezielt geschaffenen räumlichen Privatsphäre aufgenommen wurden. Die Entscheidung beruht auf der Annahme, dass die meinungsbildende Funktion der Presse nicht allein durch die faktenorientierte Berichterstattung über öffentliche Angelegenheiten erfüllt werden kann, sondern dass auch die auf Unterhaltung ausgerichtete Darstellung der privaten Lebensführung von Prominenten einen Beitrag dazu leisten kann, Wertvorstellungen und Lebensentwürfe des Publikums zu prägen.
Dem EGMR dagegen schwebt eine eher klassische Aufgabenstellung der Presse vor. Diese soll über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse bzw. über die Amtsführung von PolitikerInnen berichten, nicht aber über das Leben von Privatpersonen. Deshalb wurde der klagenden Prinzessin der Schutz des Persönlichkeitsrechts zugesprochen und die Differenzierung nach öffentlichen und privaten Örtlichkeiten abgelehnt. Die Konsequenz ist, dass Bilder von Personen, die keine öffentliche Funktion ausüben, nur noch mit deren Einwilligung abgebildet werden dürfen.
Dass damit die ökonomischen Interessen der Boulevardpresse beeinträchtigt sind, liegt auf der Hand. Der Gefahr der Zensur dagegen - von vielen ChefredakteurInnen gern an die Wand gezeichnet - liegt eher fern. Denn dass eine Berichterstattung über das Verhalten von PolitikerInnen und anderen öffentlichen FunktionsträgerInnen weiterhin möglich sein soll, hat der EGMR deutlich klar gestellt. Die Frage ist eher, ob dessen Bild der Presse den Realitäten der Mediengesellschaft noch angemessen ist.

Tobias Lieber, Berlin