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Im Februar diesen Jahres hat das Landgericht Frankfurt die Anklage gegen
den ehemaligen Frankfurter Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner zugelassen.
Daschner hatte während der Ermittlungen bezüglich der Entführung des elfjährigen
Jakob von Metzler einen mit der Sache befassten Hauptkommissar angewiesen,
dem mittlerweile wegen Mordes verurteilten Magnus G. schwere Schmerzen
anzudrohen, wenn dieser den Aufenthaltsort des Jungen nicht nenne. Die
Polizei ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass Jakob von Metzler noch
lebe und auf diesem Wege vielleicht noch gerettet werden könne. Tatsächlich
war er jedoch bereits seit vier Tagen tot. Daschner wird nun Verleitung
zu schwerer Nötigung vorgeworfen. Für den Vorwurf der Aussageerpressung
fehle es am vollständigen Vorliegen des subjektiven Tatbestandes, da in
erster Linie die Rettung Jakob von Metzlers und nicht die Erpressung eines
Geständnisses beabsichtigt worden sei.
Das Vorgehen der Frankfurter Polizei war in der deutschen Öffentlichkeit
leider vielfach auf Verständnis gestoßen. Entfacht wurde eine rechtlich
abwegige gesellschaftliche Diskussion, innerhalb derer das absolute Folterverbot
als große Errungenschaft des nationalen und internationalen Menschenrechtsschutzes
allen Ernstes mit Stammtischthesen in Frage gestellt werden durfte.
Der Verteidiger Daschners äußerte, es gehe nicht nur um das konkrete Verhalten
seines Mandanten, sondern überhaupt um die Frage, ob die Polizei tatenlos
warten dürfe und müsse, bis entführte Kinder qualvoll stürben. Mit einer
rechtlich derartig unsachlichen Argumentation kann man natürlich breite
Unterstützung in der oft unkundigen Bevölkerung gewinnen, sind doch viele
in Deutschland lebende Menschen selbst Mütter und Väter, die Angst um
ihre eigenen Kinder haben. Tatsächlich stellt diese Argumentation jedoch
fundamentale Normen unseres Zusammenlebens in Frage. Sie ignoriert die
Unantastbarkeit der Menschenwürde, die gerade auch NichtsympathieträgerInnen
vor staatlichen Eingriffen und Demütigungen schützen soll. Folter und
das Androhen von Folter verstoßen sowohl gegen elementarste Sittengesetze
als auch gegen das eigene Selbstverständnis westlicher Demokratie. Das
Zulassen gut gemeinter Ausnahmen in Extremfällen wie beispielsweise der
Lebensgefährdung Dritter oder der Bedrohung der Existenz des Staates ist
daher völlig indiskutabel.
Probleme, die sich nur mit Hilfe von Folter lösen lassen, sind in einer
Demokratie wie der unsrigen eben nicht lösbar. AmtsträgerInnen, die sich
über diese Tatsache hinwegsetzen, müssen sich selbstverständlich strafrechtlichen
Untersuchungen stellen. Ihre Verurteilung darf dann nur von der Prüfung
ihrer individuellen Schuld abhängen.
Sybille Müller, Münster
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