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Anklage im Fall Daschner   Heft 4/2004
unmenschlich -
Migrationspolitik

Seite 141
 
 

Im Februar diesen Jahres hat das Landgericht Frankfurt die Anklage gegen den ehemaligen Frankfurter Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner zugelassen. Daschner hatte während der Ermittlungen bezüglich der Entführung des elfjährigen Jakob von Metzler einen mit der Sache befassten Hauptkommissar angewiesen, dem mittlerweile wegen Mordes verurteilten Magnus G. schwere Schmerzen anzudrohen, wenn dieser den Aufenthaltsort des Jungen nicht nenne. Die Polizei ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass Jakob von Metzler noch lebe und auf diesem Wege vielleicht noch gerettet werden könne. Tatsächlich war er jedoch bereits seit vier Tagen tot. Daschner wird nun Verleitung zu schwerer Nötigung vorgeworfen. Für den Vorwurf der Aussageerpressung fehle es am vollständigen Vorliegen des subjektiven Tatbestandes, da in erster Linie die Rettung Jakob von Metzlers und nicht die Erpressung eines Geständnisses beabsichtigt worden sei.
Das Vorgehen der Frankfurter Polizei war in der deutschen Öffentlichkeit leider vielfach auf Verständnis gestoßen. Entfacht wurde eine rechtlich abwegige gesellschaftliche Diskussion, innerhalb derer das absolute Folterverbot als große Errungenschaft des nationalen und internationalen Menschenrechtsschutzes allen Ernstes mit Stammtischthesen in Frage gestellt werden durfte.
Der Verteidiger Daschners äußerte, es gehe nicht nur um das konkrete Verhalten seines Mandanten, sondern überhaupt um die Frage, ob die Polizei tatenlos warten dürfe und müsse, bis entführte Kinder qualvoll stürben. Mit einer rechtlich derartig unsachlichen Argumentation kann man natürlich breite Unterstützung in der oft unkundigen Bevölkerung gewinnen, sind doch viele in Deutschland lebende Menschen selbst Mütter und Väter, die Angst um ihre eigenen Kinder haben. Tatsächlich stellt diese Argumentation jedoch fundamentale Normen unseres Zusammenlebens in Frage. Sie ignoriert die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die gerade auch NichtsympathieträgerInnen vor staatlichen Eingriffen und Demütigungen schützen soll. Folter und das Androhen von Folter verstoßen sowohl gegen elementarste Sittengesetze als auch gegen das eigene Selbstverständnis westlicher Demokratie. Das Zulassen gut gemeinter Ausnahmen in Extremfällen wie beispielsweise der Lebensgefährdung Dritter oder der Bedrohung der Existenz des Staates ist daher völlig indiskutabel.
Probleme, die sich nur mit Hilfe von Folter lösen lassen, sind in einer Demokratie wie der unsrigen eben nicht lösbar. AmtsträgerInnen, die sich über diese Tatsache hinwegsetzen, müssen sich selbstverständlich strafrechtlichen Untersuchungen stellen. Ihre Verurteilung darf dann nur von der Prüfung ihrer individuellen Schuld abhängen.

Sybille Müller, Münster