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Am 9. November 2004 verhandelte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) in der mündlichen Anhörung das Normenkontrollverfahren zur Prüfung
des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 8.
August 2004.
Den Antrag haben die sechs unionsgeführten Länder Baden-Württemberg, Bayern,
Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gestellt. Sie wenden sich
damit gegen das in § 27 IV Hochschulrahmengesetz (HRG) verankerte Verbot
von Studiengebühren bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss sowie
die verpflichtende Einrichtung von Verfassten Studierendenschaften (§
41 HRG). Die AntragstellerInnen machen geltend, dass der Bund mit diesen
Regelungen seine Gesetzeskompetenz übersteige und das Gesetz aufgrund
der fehlenden Zustimmung des Bundesrates nichtig sei.
Die Gesetzgebungskompetenz für Angelegenheiten der Hochschulpolitik ist
geregelt in Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a Grundgesetz (GG). Danach ist der Bund
für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens zuständig. Absatz 2
konkretisiert, dass ein Hochschulrahmengesetz nur in Ausnahmefällen Einzelheiten
oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten darf. Art. 75 GG verweist
außerdem auf Art. 72 Abs. 2 GG. Somit sind Rahmengesetze zulässig, wenn
und soweit sie zur "Herstellung von gleichwertigen Lebensbedingungen im
Bundesgebiet erforderlich" sind. Die Antragsteller bestreiten dieses und
fühlen sich in ihren legislativen Rechten verletzt.
Der Kampf der Gerechten?
Ein gut gelaunter Vorsitzender des zweiten Senates eröffnete am 9. November
2004 um 10 Uhr die Verhandlung. Nach einigen erstaunlich offenen Einleitungsworten
und einem süffisanten Rausschmiss der Film- und BildjournalistInnen erteilte
der Vorsitzende den Antragstellern das Wort mit dem Satz: "Meine Damen
und Herren, was sie jetzt erleben, wird in Ihrem Leben einmalig sein:
Vier Minister teilen sich 15 Minuten!"
Was folgte war eine hauptsächlich politisch geführte Debatte um die gesellschaftlichen
Auswirkungen von Studiengebühren. Hierbei wurden auch verschiedene Gebührenmodelle
besprochen, von denen es zumindest als fraglich erscheint, ob sie essentieller
Bestandteil dieser Verhandlung sein sollten. Ersichtlich wurde daraus,
dass der Begriff "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" schwer zu subsumieren
scheint.
Die AntragstellerInnen erhoffen sich von Studiengebühren eine bessere
Finanzierung der Hochschulen. Angedacht und zumindest von der Hamburger
Alleinregierungspartei CDU schon beschlossen ist ein Semesterbeitrag von
500 €. Dieses Geld solle allein den Hochschulen zugute kommen. GegnerInnen
befürchten, dass der Staat so einen Weg suche, seine Ausgaben für die
Universität zu senken, um den Landeshaushalt zu entlasten. Außerdem führen
sie an, dass das Ziel der Hochschulpolitik sein müsse, die AbsolventInnenzahlen
zu verbessern. Derzeit studieren nur 36 Prozent der AbiturientInnen. Sachverständige
errechnen jedoch einen viel höheren Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften.
Die Diskussion um die vorgeschriebene Einführung von Verfassten Studierendenschaften
fand nur am Rande statt. Zurzeit gibt es nicht an allen deutschen Hochschulen
Verfasste Studierendenschaften. Der Vertreter des Freien Zusammenschlusses
der StudentInnenschaften (fzs) verdeutlichte wichtige Inhalte wie einen
festen Haushalt und das Mitspracherecht in universitätsinternen Ausschüssen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Juristisch eigentlich spannend ist die Auslegung des Begriffs der "gleichwertigen
Lebensverhältnisse". Gleichwertig ist hier von gleich und einheitlich
zu unterscheiden. In seinem Urteil über die Änderung des Altenpflegegesetzes
entschied der Zweite Senat im Oktober 2002 im Sinne der Länder. Das Erfordernis
der "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" sei nicht schon dann
erfüllt, wenn es nur um das Inkraftsetzen bundeseinheitlicher Regelungen
geht. Das bundesstaatliche Rechtsgut gleichwertiger Lebensverhältnisse
sei vielmehr erst dann bedroht und der Bund erst dann zum Eingreifen ermächtigt,
wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche
Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder
sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet1.
Auch bei dem Urteil zur Juniorprofessur2 entschieden die RichterInnen
mehrheitlich gegen die engen Vorgaben des Bundes. Die gerügten Bestimmungen
waren jedoch sehr viel konkreter als die generelle Gebührenfreiheit des
Erststudiums, und schon diese Entscheidung fällte der Senat im Juli 2004
nur mit drei zu fünf Stimmen. Die Siegesgewissheit der AntragstellerInnen
ist daher vielleicht zu groß und kann durch nur eine Stimme gebremst werden.
Die ersten Studiengebühren sollen dann, wenn gestattet, zum Wintersemester
2005/2006 erhoben werden.
Doch selbst ein "Nein" aus Karlsruhe wäre nur ein Sieg auf Zeit, zumal
momentan offen ist, wer in Zukunft - Stichwort Föderalismuskommission
- die Gesetzgebungskompetenz im Hochschulwesen haben wird. Die Studiengebühren-Debatte
wird also unabhängig vom Ausgang des Verfahrens weitergehen. Kommen Studiengebühren
und "Elite-Unis", wird die soziale Selektion beim Zugang zur Hochschulbildung
noch weiter verschärft. Wirtschaftlich nicht verwertbare Fachbereiche
werden es so immer schwerer haben, insgesamt wird es noch schwerer werden,
Bildung nicht ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten.
Doch zumindest ein bisschen Hoffnung bleibt. Wer kämpft, kann verlieren,
wer nicht kämpft...
Martin Bill studiert Jura in Hamburg
Anmerkungen:
1 BVerfGE 106, 62 ff.
2 NJW 2004, 2803 ff.
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