xxx

  Ron Steinke   Forum Recht Home

 

Urteil im Ageeb-Prozess   Heft 1/2005
Genethik -
Welches Wissen verträgt der Mensch?

Seite 31
 
 

28. Mai 1999. Die Lufthansa-Maschine LH 588 von Frankfurt/Main nach Kairo landet außerplanmäßig in München. Ausgeladen wird die Leiche des sudanesischen Flüchtlings Aamir Ageeb, der über Kairo in den Sudan abgeschoben werden sollte. Drei BGS-Beamte hatten dem komplett gefesselten und fixierten Mann einen Motorradhelm aufgesetzt und, als der Wehrlose dennoch gedämpfte Schreie von sich gab, den Helm minutenlang mit aller Kraft in seinen Schoß gedrückt.
Zum Prozess gegen die drei BGS-Beamten kommt es erst fünf Jahre nach der Tat und strafrechtliche Konsequenzen bleiben größtenteils aus. Zwar kritisiert der Richter am Landgericht Frankfurt/Main wortreich die "menschenunwürdige Quälerei, der Ageeb schon in der Gewahrsamszelle ausgesetzt war" und verweist darauf, dass die Art der Fesselung nicht nur jeder Vorschrift widersprochen habe, sondern "diese Fesselung wie ein Tier mit der Menschenwürde nicht mehr vereinbar" sei. Er nennt Abu Ghraib als Vergleich.
Das Urteil vom 18. Oktober 2004 aber steht zu diesen deutlichen Worten im Widerspruch. Die drei Beamten werden jeweils zu lediglich neun Monaten Bewährungsstrafe und Zahlung einer Geldstrafe in Höhe eines Monats-Solds verurteilt. Die Strafe bleibt damit weit unter der gesetzlichen Mindeststrafe für vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Strafgesetzbuch), die im Regelfall bei drei Jahren Freiheitsstrafe und selbst in "minder schweren Fällen" bei einem Jahr liegt.
Wie das geht? Juristisch handele es sich um einen "ganz besonderen Ausnahmefall". Begründet wird dieser ausgerechnet damit, dass den angeklagten Beamten bei einer Verurteilung ab einem Jahr der Berufsverlust gedroht hätte: die "Tat im Amt" nicht als Strafschärfungs- sondern gerade als Milderungsgrund. "Die Zukunft der Angeklagten wäre zerstört worden, während ihre Vorgesetzten zum Teil weiter aufgestiegen sind", räsoniert das Gericht mit Blick auf den damaligen Chef der drei Beamten, der mittlerweile zum Präsidenten des Grenzschutzpräsidiums Ost befördert worden ist. Dieser Nachsicht der Exekutive mit sich selbst will man nicht die Buchstaben des Gesetzes entgegenhalten. Um den "ganz besonderen Ausnahmefall" zu rechtfertigen, führt der Richter auch die Organisationsstruktur des BGS ins Feld. Die Versäumnisse bis hinein in höchste Positionen seien eklatant gewesen. Es habe nur "hochtrabende und zum Teil unsinnige Anweisungen" gegeben, die man "noch nicht einmal einem Jurastudenten im 1. Semester abgenommen" hätte. Ein strafrechtliches Verfahren in diese Richtung gab es dennoch nicht. Die drei BGS-Beamten sehen laut ihren Anwälten einer Weiterbeschäftigung beim Grenzschutz mit Zuversicht entgegen.

Ron Steinke, Hamburg

Infos: www.aamir-ageeb.de