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28. Mai 1999. Die Lufthansa-Maschine LH 588 von Frankfurt/Main nach Kairo
landet außerplanmäßig in München. Ausgeladen wird die Leiche des sudanesischen
Flüchtlings Aamir Ageeb, der über Kairo in den Sudan abgeschoben werden
sollte. Drei BGS-Beamte hatten dem komplett gefesselten und fixierten
Mann einen Motorradhelm aufgesetzt und, als der Wehrlose dennoch gedämpfte
Schreie von sich gab, den Helm minutenlang mit aller Kraft in seinen Schoß
gedrückt.
Zum Prozess gegen die drei BGS-Beamten kommt es erst fünf Jahre nach der
Tat und strafrechtliche Konsequenzen bleiben größtenteils aus. Zwar kritisiert
der Richter am Landgericht Frankfurt/Main wortreich die "menschenunwürdige
Quälerei, der Ageeb schon in der Gewahrsamszelle ausgesetzt war" und verweist
darauf, dass die Art der Fesselung nicht nur jeder Vorschrift widersprochen
habe, sondern "diese Fesselung wie ein Tier mit der Menschenwürde nicht
mehr vereinbar" sei. Er nennt Abu Ghraib als Vergleich.
Das Urteil vom 18. Oktober 2004 aber steht zu diesen deutlichen Worten
im Widerspruch. Die drei Beamten werden jeweils zu lediglich neun Monaten
Bewährungsstrafe und Zahlung einer Geldstrafe in Höhe eines Monats-Solds
verurteilt. Die Strafe bleibt damit weit unter der gesetzlichen Mindeststrafe
für vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Strafgesetzbuch),
die im Regelfall bei drei Jahren Freiheitsstrafe und selbst in "minder
schweren Fällen" bei einem Jahr liegt.
Wie das geht? Juristisch handele es sich um einen "ganz besonderen Ausnahmefall".
Begründet wird dieser ausgerechnet damit, dass den angeklagten Beamten
bei einer Verurteilung ab einem Jahr der Berufsverlust gedroht hätte:
die "Tat im Amt" nicht als Strafschärfungs- sondern gerade als Milderungsgrund.
"Die Zukunft der Angeklagten wäre zerstört worden, während ihre Vorgesetzten
zum Teil weiter aufgestiegen sind", räsoniert das Gericht mit Blick auf
den damaligen Chef der drei Beamten, der mittlerweile zum Präsidenten
des Grenzschutzpräsidiums Ost befördert worden ist. Dieser Nachsicht der
Exekutive mit sich selbst will man nicht die Buchstaben des Gesetzes entgegenhalten.
Um den "ganz besonderen Ausnahmefall" zu rechtfertigen, führt der Richter
auch die Organisationsstruktur des BGS ins Feld. Die Versäumnisse bis
hinein in höchste Positionen seien eklatant gewesen. Es habe nur "hochtrabende
und zum Teil unsinnige Anweisungen" gegeben, die man "noch nicht einmal
einem Jurastudenten im 1. Semester abgenommen" hätte. Ein strafrechtliches
Verfahren in diese Richtung gab es dennoch nicht. Die drei BGS-Beamten
sehen laut ihren Anwälten einer Weiterbeschäftigung beim Grenzschutz mit
Zuversicht entgegen.
Ron Steinke, Hamburg
Infos: www.aamir-ageeb.de
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