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Sechs Jahre sind vergangen, seit 1998 der Schutz der Wohnung gegen akustische
Überwachung durch den großen Lauschangriff angetastet wurde. Anfang März
2004 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgrund einer Verfassungsbeschwerde
sein Urteil dazu gefällt: Es legte den Verzicht nahe. Die RichterInnen
in Karlsruhe erkannten ganz richtig, dass jeder Mensch einen Raum braucht,
in dem er sich ohne Angst vor Überwachung aufhalten kann, einen "Kernbereich
persönlicher Lebensgestaltung". Zugleich hat das BVerfG dem Gesetzgeber
aufgegeben, einen verfassungsmäßigen Zustand bis spätestens zum 30. Juni
2005 herzustellen.
Dieser Aufforderung kam das Bundeskabinett nun nach, dem großen Lauschangriff
blieb es jedoch treu. Am 22. September 2004 beschloss es den Gesetzentwurf
zur Neuregelung der akustischen Wohnraumüberwachung. Nach den Angaben
des Justizministeriums sieht der Gesetzesentwurf u.a. vor, dass für eine
Überwachung zunächst der Verdacht einer besonders schweren Straftat gegeben
sein muss. Weiter dürfen vertrauliche Gespräche zwischen sich nahe stehenden
Personen, die keinen Bezug zu Straftaten aufweisen, nicht abgehört werden.
Zu guter letzt sind nach Abschluss der Überwachung die betroffenen Personen
von der Überwachung zu unterrichten. Diese Angaben decken sich mit den
Vorgaben aus Karlsruhe, nur bleibt die Frage, ob dies auch der Realität
entspricht.
Es werden nämlich keine Worte daran verschwendet mitzuteilen, dass der
Gesetzentwurf keine Regelungen zum Schutz der Menschenwürde außerhalb
der Wohnung enthält, wo nach wie vor schrankenloses Belauschen möglich
ist. Innerhalb der eigenen "Vier Wände" dürfen nach wie vor Gespräche
mit dem/der Ehepartner/in, den Kindern oder den Eltern belauscht werden,
wenn angenommen werden kann, das Gespräch beziehe sich auf eine schwere
Straftat. Weiterhin ist keine Höchstfrist benannt worden, nach deren Ablauf
man von einem Lauschangriff benachrichtigt werden muss.
Wofür bezahlen wir den hohen Preis der Unfreiheit, nicht einmal in unserer
Wohnung geschützt zu sein? Für "Erfolge" wie die Bedeutungslosigkeit von
50 Prozent der eingesetzten Wanzen? Dafür, dass mehr als 90 Prozent der
belauschten Personen an den relevanten Strafverfahren nicht einmal beteiligt
waren? Die Ausrede, dass es eine/n selbst schon nicht treffen wird, zählt
also nicht mehr. Zwei Verfassungsrichter haben ganz richtig erkannt, dass
man sich nicht an den Gedanken gewöhnen dürfe, mit den heutigen technischen
Möglichkeiten auch deren grenzenlosen Einsatz hinnehmen zu müssen. Den
"Big Brother Award" hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für ihr
Festhalten am großen Lauschangriff somit nicht ganz unverdient erlangt.
Julia Schumacher, Hamburg
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