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Seit nunmehr einigen Jahren geistern Pläne zur Änderung des Sachbeschädigungsparagrafen
des Strafgesetzbuches (StGB) durch Parlamente und Ausschüsse. Man meint,
einem Problem beikommen zu müssen und zu können, welches der historische
Gesetzgeber logischer Weise noch nicht sehen konnte: Graffiti.
Seit das Reichsgericht 1910 einen Fall zu entscheiden hatte, in dem eine
Marmorstatue mit roter Farbe bestrichen worden war, gilt in der Rechtsprechung
die später auch vom Bundesgerichtshof gefestigte Ansicht, eine Sachbeschädigung
setze eine Verletzung der Sachsubstanz voraus. Ersatzweise, so etwa im
Falle von Graffiti, genügt es, wenn die Beseitigung der aufgetragenen
Farbe nicht ohne eine solche Verletzung vorgenommen werden kann. Dies
erfordert in der Praxis jedoch einen hohen Aufwand an Gutachten und Ermittlungsarbeit,
was oft in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden steht. Als Reaktion
darauf sollte dem "beschädigen oder zerstören" vor einigen Jahren noch
ein "verunstalten" zur Seite gestellt werden. In ausgefeilteren Gesetzentwürfen
vom April dieses Jahres ist mittlerweile von einem "nicht nur unerheblichen
und nicht nur vorübergehenden Verändern des Erscheinungsbildes" einer
Sache die Rede.
Wo der Entwurf der Opposition die "Veränderung einer Sache gegen den Willen
des Eigentümers oder sonst Berechtigten" unter Strafe stellt, erfasst
die Vorlage der Regierungskoalition die Vornahme einer "unbefugten" Veränderung"
an "einer fremden Sache". Diese Formulierungen erscheinen austauschbar,
unterscheiden sich jedoch im Kreis der Antragsberechtigten (Sachbeschädigungen
werden nur auf Antrag der Geschädigten verfolgt) und in Randbereichen
der erfassten Fallkonstellationen.
Da Graffitis jedoch nach den geltenden Gesetzen abgeurteilt werden können,
stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Gesetzesänderung, zumal
in der Praxis bereits vertreten wird, eine den Gestaltungswillen des Eigentümers
beeinträchtigende Veränderung sei als Sachbeschädigung zu werten. Zwar
erübrigen sich die problematischen Nachweise einer Substanzverletzung,
jedoch ergeben sich neue Abgrenzungsprobleme bei der nicht nur unerheblichen
und der nicht nur vorübergehenden Veränderung. Es ist vorstellbar, dass
Gutachten über die Haltbarkeit bestimmter Farbaufträge eingeholt werden
müssen. Werden so genannte "Tags" in Zukunft wieder mit Kreide gezeichnet?
Müssen die BegründerInnen des neuen Trends "Klebekunst" jetzt auf die
Verwendung leicht lösbarer Klebstoffe achten? Das Hauptproblem, die Ermittlung
der Täterinnen und Täter, kann durch die Gesetzesänderung jedenfalls nicht
gelöst werden, und so bleibt die Gesetzesinitiative das, was die SprayerInnenjagd
mit BGS-Helikoptern bereits ist: Übermäßige Kriminalisierung.
Konstantin Görlich, Freiburg
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