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Verunstaltung der Sachbeschädigung?   Heft 3/2005
Hartz fear

Seite 102
 
 

Seit nunmehr einigen Jahren geistern Pläne zur Änderung des Sachbeschädigungsparagrafen des Strafgesetzbuches (StGB) durch Parlamente und Ausschüsse. Man meint, einem Problem beikommen zu müssen und zu können, welches der historische Gesetzgeber logischer Weise noch nicht sehen konnte: Graffiti.
Seit das Reichsgericht 1910 einen Fall zu entscheiden hatte, in dem eine Marmorstatue mit roter Farbe bestrichen worden war, gilt in der Rechtsprechung die später auch vom Bundesgerichtshof gefestigte Ansicht, eine Sachbeschädigung setze eine Verletzung der Sachsubstanz voraus. Ersatzweise, so etwa im Falle von Graffiti, genügt es, wenn die Beseitigung der aufgetragenen Farbe nicht ohne eine solche Verletzung vorgenommen werden kann. Dies erfordert in der Praxis jedoch einen hohen Aufwand an Gutachten und Ermittlungsarbeit, was oft in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden steht. Als Reaktion darauf sollte dem "beschädigen oder zerstören" vor einigen Jahren noch ein "verunstalten" zur Seite gestellt werden. In ausgefeilteren Gesetzentwürfen vom April dieses Jahres ist mittlerweile von einem "nicht nur unerheblichen und nicht nur vorübergehenden Verändern des Erscheinungsbildes" einer Sache die Rede.
Wo der Entwurf der Opposition die "Veränderung einer Sache gegen den Willen des Eigentümers oder sonst Berechtigten" unter Strafe stellt, erfasst die Vorlage der Regierungskoalition die Vornahme einer "unbefugten" Veränderung" an "einer fremden Sache". Diese Formulierungen erscheinen austauschbar, unterscheiden sich jedoch im Kreis der Antragsberechtigten (Sachbeschädigungen werden nur auf Antrag der Geschädigten verfolgt) und in Randbereichen der erfassten Fallkonstellationen.
Da Graffitis jedoch nach den geltenden Gesetzen abgeurteilt werden können, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Gesetzesänderung, zumal in der Praxis bereits vertreten wird, eine den Gestaltungswillen des Eigentümers beeinträchtigende Veränderung sei als Sachbeschädigung zu werten. Zwar erübrigen sich die problematischen Nachweise einer Substanzverletzung, jedoch ergeben sich neue Abgrenzungsprobleme bei der nicht nur unerheblichen und der nicht nur vorübergehenden Veränderung. Es ist vorstellbar, dass Gutachten über die Haltbarkeit bestimmter Farbaufträge eingeholt werden müssen. Werden so genannte "Tags" in Zukunft wieder mit Kreide gezeichnet? Müssen die BegründerInnen des neuen Trends "Klebekunst" jetzt auf die Verwendung leicht lösbarer Klebstoffe achten? Das Hauptproblem, die Ermittlung der Täterinnen und Täter, kann durch die Gesetzesänderung jedenfalls nicht gelöst werden, und so bleibt die Gesetzesinitiative das, was die SprayerInnenjagd mit BGS-Helikoptern bereits ist: Übermäßige Kriminalisierung.

Konstantin Görlich, Freiburg